Mitarbeiter(Innen) Beschwerden dürfen keine Nachteile haben

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

Antworten
Bertha Zuber-Knauff

Mitarbeiter(Innen) Beschwerden dürfen keine Nachteile haben

Beitrag von Bertha Zuber-Knauff » 12.08.2008, 07:21

Mitarbeiter(Innen) Beschwerden dürfen keine Nachteile haben

Hallo,

das Pro Pflege Selbsthilfenetzwerk (Neuss) tritt dafür ein, dass vorhandene bzw. noch auftretende Missstände im Gesundheits- und Pflegesystem von den jeweils (Mit)Verantwortlichen angesprochen werden können (Beschwerdemanagement), ohne dass insoweit Nachteile (z.B. Mobbing, Kündigung) entstehen dürfen. Eine gesetzliche Vorschrift, die diesen Bedürfnissen Rechnung trägt, wird als zwingend notwendig erachtet.

Das kann ich unbedingt unterschreiben!
Ich habe als ehrenamtliche Hospizmitarbeiterin die Ausbildung gemacht und Begleitungen zur allseitigen Zufriedenheit geleistet. Dann erst stellte sich heraus, dass in unserer Hospizgruppe eine Frau mitarbeitet, die von einer destruktiven Psychosekte abhängig ist, vor der die zuständige Behörde seit Jahrzehnten warnt. Da ich betroffene Aussteigerin aus dieser Sekte bin (Ausstieg vor Jahrzehnten!) und mich aktiv und öffentlich gegen diese Sekte exponiert habe, war eine Kooperation mit dieser Frau nicht mehr möglich. Nun hätte der leitende Pfarrer dafür sorgen können, dass ich in einem anderen Hospiz mitarbeite. Statt dessen hat er von mir das Zertifikat zurückgefordert.
Ich denke, wenn es ein funktionierendes Beschwerdemanagement gegeben hätte, könnte ich heute weiterhin ehrenamtliche Hospizarbeit leisten.
Viele Grüße
Bertha Zuber-Knauff

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25258
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Mitarbeiter(Innen) Beschwerden dürfen keine Nachteile haben

Beitrag von WernerSchell » 12.08.2008, 11:25

Sehr geehrte Frau Zuber-Knauff,

es ist seit Jahren meine Meinung, dass die MitarbeiterInnen bei der Benennung von Missständen gestärkt / unterstützt werden müssen. Stattdessen gibt es aber nicht selten Mobbing und Kündigungen. U.a. habe ich angeregt, eine gesetzliche Vorschrift zu schaffen, die diesen Übelstand beseitigen hilft. Dazu gibt es mittlerweile konkrete Überlegungen. Allerdings ist man als Einzelkämpfer oft "sehr einsam".
Die Aufforderung von Claus Fussek, Pflegekräfte müssten mehr Courage zeigen, halte ich in in der Art und Weise, wie sie in TV-Shows immer wieder herausgestellt wird, für fatal. Mit Courage ist es nämlich allein nicht getan, wenn der Mut für die betroffenen Pflegekräfte nur in die Arbeitslosikeit führt.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

Augenmaß ist gefordert!

Beitrag von Lutz Barth » 13.08.2008, 15:15

Ich kann mich dem Statement von Herrn W. Schell in dieser Frage nur anschließen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG zu den Loyalitätspflichten der Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis macht es keinen Sinn, eine Zivilcourage bei den Mitarbeitern einzufordern, die im Zweifel sich der Gefahr aussetzen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Ein wistleblower-Preis scheint mir perspektivisch kein Äquivalent für den verlorenen Arbeitsplatz zu sein.

In der Sache selbst dürfte hier ein rechtes Augenmaß gefordert sein und in der Tat wären entsprechende Regelungen sinnvoll. Diese würden dann einen erheblichen Beitrag zur Rechtssicherheit aller Beteiligten leisten.

Gleichwohl würde ich es persönlich begrüßen, wenn die Professionellen zunächst auch versuchen, ihr "Leitbild" entsprechend zu leben. Wem nützt das einer nahezu jeder Institution vorangestellte Leitbild, wenn dieses nur ein Lippenbekenntnis bleibt? Hier sind sowohl Träger als auch Mitarbeiter gleichermaßen gefordert.

Markige Sprüche in der Öffentlichkeit helfen hier wenig weiter, zumal in der fachlichen Debatte vielfach einzigartige Chancen vertan werden. Dies dokumentiert nicht zuletzt auch die Anhörung der Sachverständigen zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, in der C. Fussek eine Stellungnahme abgegeben hat, die geradezu abenteuerlich ist. Skandalisierungen helfen schlicht und ergreifend nicht weiter und dies gilt zuvörderst in einem Bereich, wo das Bundesarbeitsgericht mit seinem gesetzesvertretenden Richterrecht Akzente gesetzt hat, die durchaus zur Diskussion stehen.

Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Antworten