Mindestentgelt in der Pflegebranche
Das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen
für die Pflegebranche (PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 ist nicht nur für Vollarbeit,
sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen.
Die 1954 geborene Klägerin war bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst
betreibt, als Pflegehelferin gegen ein Bruttomonatsentgelt von 1.685,85 Euro beschäftigt.
Zu ihren Aufgaben gehörte ua. die Pflege und Betreuung von zwei Schwestern
einer Katholischen Schwesternschaft, die beide an Demenz leiden und an den
Rollstuhl gebunden sind. Neben den eigentlichen Pflegeleistungen oblagen der Klägerin
auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern
(wie zB Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Wechseln und Waschen
von Wäsche). Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten,
während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte
in den Arbeitsphasen im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer
Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Diese nahmen täglich von 11:45 bis
12:45 Uhr am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft und von 17:50 bis
18:50 Uhr am Gottesdienst teil. Mit ihrer Klage hat sie für die Monate August bis Oktober
2010 die Nachzahlung von insgesamt 2.198,59 Euro brutto begehrt und geltend
gemacht, das Mindestentgelt von - damals - 8,50 Euro je Stunde nach § 2
Abs. 1 PflegeArbbV sei für jede Form der Arbeit zu zahlen. Die Beklagte hat eingewendet,
die Klägerin habe nicht 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das Mindestentgelt
nach der PflegeArbbV sei nicht für Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für diesen könne
arbeitsvertraglich eine geringere Vergütung vereinbart werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage überwiegend abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt
zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben.
Die Zeiten des Mittagessens und der Teilnahme am Gottesdienst hat das
Landesarbeitsgericht als nicht zu vergütende Pausen gewertet. Die Revision der Beklagten
blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Das Mindestentgelt
nach § 2 PflegeArbbV ist „je Stunde“ festgelegt und knüpft damit an die
vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehören nicht nur die Vollarbeit, sondern
auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst. Während beider muss sich
der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle
unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Zwar kann dafür ein geringeres Entgelt
als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber
im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind arbeitsvertragliche
Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres
als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. November
2012 - 4 Sa 48/12 -
Quelle: Pressemitteilung vom 19.11.2014 Nr. 63/14
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