Patientenrechte in Zeiten der Rationierung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Patientenrechte in Zeiten der Rationierung

Beitrag von Presse » 29.05.2009, 07:31

Deutsches Ärzteblatt:

Gerst, Thomas
Patientenrechte in Zeiten der Rationierung: „Wir brauchen Transparenz und eine öffentliche Diskussion“
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=64807

Referat Prof. Hoppe
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down. ... DF&id=3869
Referat Prof. Katzenmeier
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down. ... DF&id=3867
Folien Prof. Katzenmeier
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down. ... DF&id=3868
Zuletzt geändert von Presse am 04.06.2009, 16:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Ra

Beitrag von Presse » 04.06.2009, 16:48

Rationierungen verursachen bei Ärzten zunehmend ethische Bedenken

fzm - Rationierungen im Gesundheitswesen sind schmerzhaft. Nicht nur für die Patienten, denen mitunter eine bestmögliche Therapie vorenthalten wird, nur weil das Geld knapp ist. Auch viele Ärzte, die sich als Anwalt für ihre Patienten begreifen, leiden unter dem Kostendruck, wie eine Umfrage in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2009) zeigt. Die Möglichkeiten, eine Rationierung durch eine Rationalisierung, sprich durch den wirtschaftlicheren Einsatz der Mittel zu vermeiden, sind nach Ansicht der meisten Ärzte ausgeschöpft. Und die Mediziner lehnen es ab, die Verantwortung für die Beschränkungen der Therapie allein zu tragen.

Dass Rationierungen im deutschen Gesundheitswesen stattfinden, steht außer Zweifel. Die Bundesärztekammer hatte im Mai 2008 im Ulmer Papier öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam gemacht. Frühere Umfragen haben auch ergeben, dass die meisten Mediziner bereits die unangenehme Erfahrung gemacht haben, dass sie einem Patienten eine optimale Therapie vorenthalten müssen, weil sie nicht mehr finanzierbar ist. Der Medizinethiker Professor Daniel Strech von der Medizinischen Hochschule Hannover untersuchte zusammen mit Kollegen mittels einer Umfrage, wie zwei Arztgruppen, Herzspezialisten und Intensivmediziner, mit diesen Situationen umgehen. Sie hatten diese beiden Fachbereiche ausgewählt, weil es hier besonders viele kostspielige Arbeitsabläufe gibt, so Professor Strech.

Tatsächlich kannten drei von vier Ärzten Fälle, in denen Patienten Therapien vorenthalten wurden – auch wenn diese Situationen insgesamt selten vorkamen und noch kein alltägliches Problem sind. Die Herzexperten, Kardiologen, erleben Rationierungen öfter als Intensivmediziner, und an privaten Kliniken scheinen sie häufiger vorzukommen als an Kliniken in öffentlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft, berichtet Professor Strech.

Die Verunsicherung bei den Ärzten ist groß. Vier von fünf Medizinern meinten, dass Rationierungen ihre Arbeitszufriedenheit beeinträchtige und ebenso viele sahen das Vertrauensverhältnis zum Patienten negativ beeinflusst.

Eine Bereitschaft zu Rationalisierungen ist bei den befragten Ärzten vorhanden. Einem Patienten könne auch gegen dessen Willen ein teures Medikament vorenthalten werden, wenn es ein preiswerteres aber gleich effektives Mittel gebe. Diese Ansicht vertraten neun von zehn Medizinern. Allerdings waren auch die Kardiologen, in deren Bereich Versorgungsforscher größere Einsparpotenziale sehen, überzeugt, dass Rationalisierungen durch eigenes wirtschaftlicheres Handeln eigentlich kaum noch möglich sind. Ärzte sehen potenzielle Einsparungen nicht, vermutet Professor Strech. Entscheidungen in diesem Bereich müssten von außen kommen.

Anders als die Rationalisierungen werden Rationierungen von den Medizinern abgelehnt. Nur jeder zweite meinte, dass Ärzte bei Mittelknappheit auf eine preiswerte und geringfügig weniger effektive Alternative ausweichen dürften. Professor Strech konstatiert hohe moralische Ansprüche der Mediziner, die unter den aktuellen Rahmenbedingungen immer häufiger mit der Wirklichkeit kollidieren. Viele Ärzte vertraten die Ansicht, Entscheidungen zur Rationierung könnten nur im Einzelfall getroffen werden. Gleichzeitig waren drei von vier Ärzten der Ansicht, dass die Entscheidung an höherer Stelle, “oberhalb” der Arzt-Patientenbeziehung getroffen werden müsste. Professor Strech sieht hier eine ambivalente Haltung der Mediziner: Einerseits möchten die Ärzte ihre Entscheidungsfreiheit behalten, andererseits scheuten sie aber die Verantwortung. Der Ausweg aus diesem Dilemma könnte nach Ansicht des Medizinethikers darin bestehen, die Rationierung in die Behandlungsempfehlung der Fachgesellschaften zu übernehmen. Eine wichtige Voraussetzung für kostensensible Leitlinien sei jedoch eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit von Rationierungen und den Bedingungen, unter denen sie stattfinden könnten.

Quelle:
D. Strech et al.:
Ausmaß und Auswirkungen von Rationierung in deutschen Krankenhäusern: Ärztliche Einschätzungen aus einer repräsentativen Umfrage.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (24): S.1261-1266

Wir freuen uns, wenn Sie die Pressemeldung verwenden und veröffentlichen.

Journalisten und Redaktionen senden wir gerne die Originalarbeit zur Pressemeldung als pdf zur weiteren Recherche zu. Wenn Sie dies wünschen, bitten wir um Ihre Rückmeldung an die unten genannten Kontaktdaten.

Quelle: Pressemitteilung vom 4.6.2009
Ihr Kontakt für Rückfragen:
Christine Schoner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14
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Fon +49[0]711/8931-573
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Rauel Kombüchen
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Rationierung und Vorrangigkeit bestimmter Leistungen

Beitrag von Rauel Kombüchen » 06.06.2009, 07:45

Möglicherweise geht es der Ärzteschaft bei der jetzt angestoßenen Diskussion vorrangig um Berufspolitik im Sinne von mehr Anerkennung und vor allem bessere Honorierung.
Ungeachtet dessen ist die in Gang gebrachte Diskussion über Rationierung oder Vorrangigkeit bestimmter Leistungen dringend notwendig. Wir müssen, ähnlich wie in der Pflege, darüber reden und letztlich entscheiden, welche medizinische und pflegerische Versorgung wir haben und (wie) finanzieren wollen. Wenn wir dies nicht jetzt nicht machen, werden wir demnächst von einer Kostenlawine überrollt.

Rauel K.
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

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