Ärztepräsident Hoppe zu "The Suicide Tourist": Sterbehilfe nicht als Handlungsanleitung zum Freitod inszenieren
"Wenn das Sterben öffentlich inszeniert wird, verliert der Sterbende seine Würde. Auch eine TV-Dokumentation muss da ihre Grenzen finden, wo die Individualität des Sterbens beginnt. Dem Menschen im Sterben die Würde zu bewahren, ist Aufgabe der Angehörigen und Ärzte. Der Sterbende darf nicht alleingelassen werden. Er braucht Zuwendung und Linderung seiner Schmerzen. Hospiz und Palliativmedizin können das leisten. Wenn nun aber medial dargestellt wird, dass Selbsttötung der vermeintlich leichtere Weg ist, dann wird das unverantwortliche Konsequenzen gerade für labile Menschen nach sich ziehen. Wir Ärzte appellieren deshalb eindringlich an diejenigen, die mediale Öffentlichkeit herstellen, Sterbehilfe nicht als scheinbar ideale Handlungsanleitung zum Freitod zu inszenieren, sondern mehr über die Möglichkeiten der ärztlichen Sterbebegleitung zu informieren", forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, angesichts der Ausstrahlung des Beitrags "The Suicide Tourist" gestern im britischen Fernsehen.
Quelle: Pressemitteilung vom 11.12.2008
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Pressestelle der deutschen Ärzteschaft / 030 4004 56 700
Sterbehilfe - Keine Handlungsanleitung zum Freitod
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Die Würde ist nicht betroffen!
„Wenn das Sterben öffentlich inszeniert wird, verliert der Sterbende seine Würde. Auch eine TV-Dokumentation muss da ihre Grenzen finden, wo die Individualität des Sterbens beginnt“, so u.a. der Präsident der Bundesärztekammer in einer aktuellen Pressemitteilung (Quelle: BÄK v. 11.12.08 >>> siehe vorstehend <<<).
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Ausstrahlung der Dokumentation über die Selbsttötung im britischen Fernsehen hierzulande Irritationen (vgl. dazu im Übrigen auch das Statement der Deutschen Hospizstiftung hier im Forum) ausgelöst.
Man/frau mag über die Inszenierung streiten, aber eines dürfte hinreichend klar sein: Der Sterbende verliert durch die Veröffentlichung des Dokumentarfilms nicht (!) seine Würde, mal ganz davon abgesehen, dass offensichtlich der Sterbende hierzu sein Einverständnis erteilt hat. Hier werden Erinnerungen an die Rechtsprechung des BVerwG zur Peep-Show-Problematik aus dem Jahre 1981 (BVerwGE 64,274) wach. Es muss darauf hingewiesen, dass der Begründungsansatz des BVerwG in seiner Ersten Peep-Show-Entscheidung erhebliche Kritik erfahren hat, so dass dann in der Folge in der Zweiten Entscheidung aus dem Jahre 1990 (BVerwGE 84, 314) die Frage eines Menschenwürdeverstoßes offengeblieben ist und vielmehr ausschließlich auf die „Sittenwidrigkeit“ abgehoben wurde.
Auch hier zeigt sich einmal mehr, dass in der „Würde des Menschen“ ein Argument erblickt wird, mit dem erkennbar mit einem Hinweis hierauf eine sachliche Diskussion im Vorfeld nicht mehr geboten erscheint. Dem ist mitnichten so, mag es auch mittlerweile populär geworden sein, das Argument von der „Würde“ gleichsam als Notbremse in einer Debatte einführen zu wollen. Hier sind den Diskutanten ein wenig mehr an Argumentationslasten aufzuerlegen, bevor diese mit dem Superargument gehört werden können.
Lutz Barth
Wie nicht anders zu erwarten, hat die Ausstrahlung der Dokumentation über die Selbsttötung im britischen Fernsehen hierzulande Irritationen (vgl. dazu im Übrigen auch das Statement der Deutschen Hospizstiftung hier im Forum) ausgelöst.
Man/frau mag über die Inszenierung streiten, aber eines dürfte hinreichend klar sein: Der Sterbende verliert durch die Veröffentlichung des Dokumentarfilms nicht (!) seine Würde, mal ganz davon abgesehen, dass offensichtlich der Sterbende hierzu sein Einverständnis erteilt hat. Hier werden Erinnerungen an die Rechtsprechung des BVerwG zur Peep-Show-Problematik aus dem Jahre 1981 (BVerwGE 64,274) wach. Es muss darauf hingewiesen, dass der Begründungsansatz des BVerwG in seiner Ersten Peep-Show-Entscheidung erhebliche Kritik erfahren hat, so dass dann in der Folge in der Zweiten Entscheidung aus dem Jahre 1990 (BVerwGE 84, 314) die Frage eines Menschenwürdeverstoßes offengeblieben ist und vielmehr ausschließlich auf die „Sittenwidrigkeit“ abgehoben wurde.
Auch hier zeigt sich einmal mehr, dass in der „Würde des Menschen“ ein Argument erblickt wird, mit dem erkennbar mit einem Hinweis hierauf eine sachliche Diskussion im Vorfeld nicht mehr geboten erscheint. Dem ist mitnichten so, mag es auch mittlerweile populär geworden sein, das Argument von der „Würde“ gleichsam als Notbremse in einer Debatte einführen zu wollen. Hier sind den Diskutanten ein wenig mehr an Argumentationslasten aufzuerlegen, bevor diese mit dem Superargument gehört werden können.
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!
Der Begriff Würde wird inzwischen so inflationär und interessengeleitet verwendet, dass man auf ihn besser verzichten sollte.
Wenn jedes Pflegeheim die Würde des Menschen zum Hauptziel erklärt, wohl wissend, dass mit den vorhandenen Ressourcen nur eine satt/sauber-Pflege darstellbar ist, wenn Ärzte von den tollen Möglichkeiten der palliativen Versorgung schwärmen, wohl wissend, dass wir von einer flächendeckenden palliativen Versorgungsstruktur meilenweit entfernt sind, wird deutlich, dass unter dem Deckmäntelchen der Würde so einiges im Argen liegt.
Wenn jedes Pflegeheim die Würde des Menschen zum Hauptziel erklärt, wohl wissend, dass mit den vorhandenen Ressourcen nur eine satt/sauber-Pflege darstellbar ist, wenn Ärzte von den tollen Möglichkeiten der palliativen Versorgung schwärmen, wohl wissend, dass wir von einer flächendeckenden palliativen Versorgungsstruktur meilenweit entfernt sind, wird deutlich, dass unter dem Deckmäntelchen der Würde so einiges im Argen liegt.
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Sterben ist keine Doku-Soap (?)
In einer aktuellen Pressemitteilung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (Nr. 47/08) können wir lesen, dass der Präsident der Ärztekammer mahnend darauf hinweist: „Wir brauchen einen ausgewogenen gesellschaftlichen Diskurs über eine bessere Sterbebegleitung. Sensationslust darf hier nicht bedient werden. An erster Stelle muss in diesem Prozess stets die Würde des Sterbenden stehen, die unantastbar ist.“
Dem kann nur beigepflichtet werden, zumal es derzeit an einem „ausgewogenen gesellschaftlichen Diskurs“ ermangelt.
Das große „ethische Kartell“, bestehend aus der BÄK (freilich die Ländesärztekammern folgend) und den beiden großen verfassten Amtskirchen, dienstbeflissen unterstützt von einigen namhaften Ethikern und nicht wenigen Juristen, geben allen voran in der Öffentlichkeit die Marschrichtung an, in der es erkennbar um die Restauration wertkonservativer Ideale geht, ohne hierbei allerdings einen wahrhaftigen Blick in das Verfassungsrecht zu riskieren. Denn nur wenn dies geschieht, würde sich den Gegnern eines Patientenverfügungsgesetzes (im Übrigen auch im Hinblick auf die Möglichkeit der ärztlichen Assistenz bei einem freiverantwortlichen Suizid eines Patienten) eine Perspektive in der Debatte eröffnen, die in erster Linie dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinreichend Rechnung trägt. Der „Widerstand“ allerdings der Sterbehilfe-Gegner und das gebetsmühlenartige Vortragen eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen palliativmedizinischer Begleitung und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod qua patientenautonomer Verfügung trägt mehr zur Verwirrung, denn zur Klärung des insoweit zu ziehenden verfassungsrechtlichen Befundes bei. Von Ausgewogenheit kann da nicht die Rede sein, weil die entscheidenden Akteure im Wertediskurs es beharrlich verstehen, sich eben nicht auf eine solide Diskussion einzulassen. Hier wird die „Ethik“ kurzerhand vor dem geschriebenen Verfassungsrecht als „verbindlich“ deklariert und sofern dann noch pathetisch das ehrwürdige Argument von der „Würde des Menschen“ eingeführt wird, sind nahezu alle ethischen und moralischen Nebelbomben gezündet, die einen klaren Blick auf das verfassungsrechtlich Gebotene nahezu unmöglich machen.
Und ein Weiteres darf an dieser Stelle durchaus betont werden:
Durch die regelmäßigen Pressemitteilungen wird in der Öffentlichkeit - allen Umfragen zum Trotz - dem „Gespenst einer herrschenden Meinung“ Vorschub geleistet. Auffällig hierbei ist, dass in einschlägigen Medien – so auch in kritischen bioethischen Foren – eine bewusste Auswahl von Meldungen erfolgt, die – und das darf uns nicht verwundern – lediglich dem eigenen Standpunkt zuträglich sind. Man/frau könnte fast meinen, hier wird in einer (angeblich so wichtigen) gesellschaftlichen Debatte eine „Zensur“ ausübt, so als ob alle Diskutanten sog. „Tendenzträger“ wären. Dem ist mitnichten so, mal ganz davon abgesehen, dass auch die Umfragen unter den Ärzten ein Meinungsbild widerspiegelt, dass den Funktionären und noch weniger wohl den Berufsethikern gelegen kommt.
Erstaunen löst zuweilen auch der Umstand aus, dass namhafte Vertreter aus Forschung und Lehre – auch solche aus der Rechtswissenschaft – es tunlichst vermeiden, sich mit der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts thematisch auseinanderzusetzen. Nicht selten bleibt die Verfassungsdogmatik vollständig ausgespart und in den einzelnen Stellungnahmen wird der Eindruck zu erwecken versucht, als reden „wir“ alle von demselben Recht, dass eigentlich keiner Kommentierung bedürfe. Dies ist allerdings ein Trugschluss, denn man glaubt allein mit dem Hinweis auf die „Ethik“, der „Würde“ und der (ohne Frage auszubauenden) Palliativmedizin sei das Problem der autonomen Entscheidung in Gestalt der Patientenverfügung gelöst. Dem ist mitnichten so.
Lutz Barth
Dem kann nur beigepflichtet werden, zumal es derzeit an einem „ausgewogenen gesellschaftlichen Diskurs“ ermangelt.
Das große „ethische Kartell“, bestehend aus der BÄK (freilich die Ländesärztekammern folgend) und den beiden großen verfassten Amtskirchen, dienstbeflissen unterstützt von einigen namhaften Ethikern und nicht wenigen Juristen, geben allen voran in der Öffentlichkeit die Marschrichtung an, in der es erkennbar um die Restauration wertkonservativer Ideale geht, ohne hierbei allerdings einen wahrhaftigen Blick in das Verfassungsrecht zu riskieren. Denn nur wenn dies geschieht, würde sich den Gegnern eines Patientenverfügungsgesetzes (im Übrigen auch im Hinblick auf die Möglichkeit der ärztlichen Assistenz bei einem freiverantwortlichen Suizid eines Patienten) eine Perspektive in der Debatte eröffnen, die in erster Linie dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinreichend Rechnung trägt. Der „Widerstand“ allerdings der Sterbehilfe-Gegner und das gebetsmühlenartige Vortragen eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen palliativmedizinischer Begleitung und dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod qua patientenautonomer Verfügung trägt mehr zur Verwirrung, denn zur Klärung des insoweit zu ziehenden verfassungsrechtlichen Befundes bei. Von Ausgewogenheit kann da nicht die Rede sein, weil die entscheidenden Akteure im Wertediskurs es beharrlich verstehen, sich eben nicht auf eine solide Diskussion einzulassen. Hier wird die „Ethik“ kurzerhand vor dem geschriebenen Verfassungsrecht als „verbindlich“ deklariert und sofern dann noch pathetisch das ehrwürdige Argument von der „Würde des Menschen“ eingeführt wird, sind nahezu alle ethischen und moralischen Nebelbomben gezündet, die einen klaren Blick auf das verfassungsrechtlich Gebotene nahezu unmöglich machen.
Und ein Weiteres darf an dieser Stelle durchaus betont werden:
Durch die regelmäßigen Pressemitteilungen wird in der Öffentlichkeit - allen Umfragen zum Trotz - dem „Gespenst einer herrschenden Meinung“ Vorschub geleistet. Auffällig hierbei ist, dass in einschlägigen Medien – so auch in kritischen bioethischen Foren – eine bewusste Auswahl von Meldungen erfolgt, die – und das darf uns nicht verwundern – lediglich dem eigenen Standpunkt zuträglich sind. Man/frau könnte fast meinen, hier wird in einer (angeblich so wichtigen) gesellschaftlichen Debatte eine „Zensur“ ausübt, so als ob alle Diskutanten sog. „Tendenzträger“ wären. Dem ist mitnichten so, mal ganz davon abgesehen, dass auch die Umfragen unter den Ärzten ein Meinungsbild widerspiegelt, dass den Funktionären und noch weniger wohl den Berufsethikern gelegen kommt.
Erstaunen löst zuweilen auch der Umstand aus, dass namhafte Vertreter aus Forschung und Lehre – auch solche aus der Rechtswissenschaft – es tunlichst vermeiden, sich mit der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts thematisch auseinanderzusetzen. Nicht selten bleibt die Verfassungsdogmatik vollständig ausgespart und in den einzelnen Stellungnahmen wird der Eindruck zu erwecken versucht, als reden „wir“ alle von demselben Recht, dass eigentlich keiner Kommentierung bedürfe. Dies ist allerdings ein Trugschluss, denn man glaubt allein mit dem Hinweis auf die „Ethik“, der „Würde“ und der (ohne Frage auszubauenden) Palliativmedizin sei das Problem der autonomen Entscheidung in Gestalt der Patientenverfügung gelöst. Dem ist mitnichten so.
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!