Arbeitsgericht Kiel:
Zweckverband muss Lohn für vermeintlichen Praktikanten nachzahlen
Nicht jeder als Praktikant bezeichnete Beschäftigte ist auch ein solcher. Überwiegt im Vertragsverhältnis die Arbeitsleistung gegenüber dem Ausbildungszweck, so ist der Beschäftigte unabhängig von der Bezeichnung im Vertrag Arbeitnehmer und als solcher zu vergüten. Dies entschied das Arbeitsgericht in einem Urteil vom 19.11.2008 ( Aktenzeichen 4 Ca 1187d/08 ) in einem Rechtsstreit zwischen einem formell als Praktikanten Beschäftigten und einem Altenheimbetreiber.
Ein Praktikant wird in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb praktisch tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen, ohne dass eine systematische Berufsausbildung stattfindet. Der Ausbildungszweck steht im Vordergrund und muss die für den Betrieb erbrachten Leistungen und Arbeitsergebnisse deutlich überwiegen.
Der Kläger war bereits im Rahmen einer berufsvorbereitenden Maßnahme ab Anfang 2007 beim Beklagten eingesetzt und schloss dann für ein knappes Jahr eine als Praktikantenvertrag bezeichnete Vereinbarung. Die vertraglich vorgesehene wöchentliche Anwesenheitszeit betrug 38,5 Stunden, die Vergütung EURO 200 monatlich. Gleichzeitig unterschrieben die Parteien eine Stellenbeschreibung für Wohnbereichshelfer. Der Beklagte stellte dem Kläger für den Fall, dass das Praktikum erfolgreich absolviert werde, einen Ausbildungsplatz für eine 18-monatige Ausbildung zum Altenpflegehelfer in Aussicht.
Der Kläger wurde in den Dienstplänen des Beklagten geführt und hat die Tätigkeiten eines Wohnbereichshelfers erbracht. Nach Auslaufen der Vereinbarung hat der Beklagte dem Kläger keinen Ausbildungsvertrag angeboten. Der Kläger klagte daraufhin für die Vertragslaufzeit die für einen Wohnbereichshelfer übliche Vergütung in Höhe von monatlich EURO 1.286 brutto, insgesamt EURO 10.317, ein.
Die Klage war vor dem Arbeitsgericht in vollem Umfang erfolgreich. Das Gericht sah das Vertragsverhältnis entgegen der anderslautenden Vereinbarung als Arbeitsverhältnis an und stellte klar, dass es nicht auf den Vertragswortlaut, sondern die praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses ankommt. Der Kläger war in den Betrieb des Beklagten eingegliedert und hatte nach Weisung der examinierten Pflegekräfte die ihm übertragenen Tätigkeiten zu erbringen. Der Beklagte hatte nichts dazu vorgetragen, welche Fähigkeiten, Tätigkeiten und/oder Qualifikationen der Kläger hätte erlernen müssen und auf welcher Basis ihm dies vermitteln worden wären. Das Gericht stellte weiter ein Missverhältnis zwischen der eigentlichen Ausbildungsdauer zum Altenpflegehelfer und der Dauer des angeblichen Praktikums fest. Es erschloss sich dem Gericht nicht, inwieweit für eine 18-monatige Ausbildung zum Ausgleich etwaiger Defizite ein 17-monatiges Praktikum erforderlich sein soll.
Da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, war nach Auffassung des Gerichts die Vergütungsvereinbarung über monatlich EURO 200 unwirksam. Sie war sittenwidrig und stellte unzulässigen Lohnwucher dar. Insofern hatte der Beklagte gemäß § 612 Absatz 2 BGB die für einen Wohnbereichshelfer übliche Vergütung nachzuzahlen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/2008 vom 29.12.2008, herausgegeben am 5.1.2009
Landesarbeitsgericht
Pressesprecher
Richter am Arbeitsgericht
Dr. Gregor Steidle
Deliusstraße 22
24114 Kiel
Telefon: 0431 604-4034
Telefax: 0431 604-4100
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http://www.schleswig-holstein.de/LAG/DE ... m1008.html
Altenheimbetreiber muss Lohn an Praktikanten nachzahlen
Moderator: WernerSchell
Generation Praktikum
Rückschau: Arbeitsverträge
Generation Praktikum
Sendeanstalt und Sendedatum: WDR, Samstag, 17. April 2010
von Barbara Ostermann
Was früher nur für Berufseinsteiger galt, trifft mittlerweile auch auf erfahrene oder ältere Arbeitnehmer zu, die nach der Familienpause oder nach einer Phase der Arbeitslosigkeit wieder in den Beruf einsteigen wollen: Ihr Arbeitsvertrag wird nur noch befristet abgeschlossen. Mehr noch: Da wird die Teilnahme an einem Traineeprogramm mit geringer Bezahlung verlangt oder gar eine unbezahlte Einarbeitungszeit gefordert. Viele lassen sich in der Hoffnung auf eine Festanstellung darauf ein. Aber nicht alles müssen Praktikanten und Trainees hinnehmen.
.... (mehr)
http://www.daserste.de/ratgeber/recht_b ... b1i~cm.asp
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