Pflege - Es ist fünf vor Pflegenotstand !

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Presse
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Pflege - Es ist fünf vor Pflegenotstand !

Beitrag von Presse » 14.04.2010, 07:02

„Es ist fünf vor Pflegenotstand!“
VDAB-Pressekonferenz am 12. April in Berlin

Der Bundesvorsitzende des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB), Stephan Baumann und der Pflegeexperte Heiner Schülke haben in einer Pressekonferenz am 12. April in Berlin die wahrscheinliche Personalsituation für die Professionelle Pflege bis 2030 dargestellt und analysiert. Die Daten zeigen, dass umgehend gehandelt werden muss. Sowohl das Image der Pflegeberufe als auch die konkreten Arbeitsbedingungen müssen sich kurzfristig und spürbar verbessern. Hierfür stehen die Kostenträger bzw. Kassen, der Medizinische Dienst und die Heimaufsicht ebenso in der Verantwortung wie die Politik auf jeder Ebene und die Einrichtungen selbst.

Der VDAB weist darauf hin, dass Deutschland auf einen Pflegenotstand zusteuert. Es werden im Jahr 2030 rund 42 Prozent mehr professionelle Kräfte in der Pflege gebraucht als heute arbeiten. Diese können nur gewonnen werden, wenn der Pflegeberuf zukünftig spürbar attraktiver wird als er heute ist.

Dazu Stephan Baumann: „Es gibt kein Patentrezept und es gibt auch keine Maßnahme, die allein die Lösung dieser gesellschaftlichen Herausforderung verspricht. Wir brauchen einen Mix von mehreren Maßnahmen durch alle Beteiligten an mehreren Baustellen.“ Eine davon sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kindererziehung und Pflege dürften keine Gegensätze sein. Das gelte erst recht in einem überwiegenden Frauenberuf, in dem es auch viele Alleinerziehende gibt.

Eine andere sei die Belastung der täglichen Arbeit der Pflegekräfte. Dazu Petra Schülke, Stellvertretende VDAB-Bundesvorsitzende: „Fremdbestimmung bei der Arbeit, Eingriffe der Kassenbürokratie und unfaire Behandlung der Pflege in der Presse sind alles andere als förderlich für die Motivation der Pflegekräfte.“ Hier müssten vor allem Kostenträger, Medizinischer Dienst und einige Politiker verantwortlicher handeln als bisher. Es sei auch ein Schlag ins Gesicht der professionellen Pflege, wenn sie mit Vorschriften und Prüfungen überzogen wird, die für ausländische Hilfskräfte nicht gelten.

Der VDAB verlangt vom Bund, den Ländern und den Kommunen, dass sie ihren Beitrag leisten, damit die pflegerische Versorgung auch in 2030 sicher gestellt ist. Dazu gehörten auch gesetzliche Änderungen bei den Rahmenbedingungen für die professionelle Pflege. Beispiele sind: Tatsächlich neutrale Qualitätsprüfungen, Reform der Alten- und Krankenpflegeausbildung, Definition vorbehaltener Tätigkeiten für die Kranken- und Altenpflege.

Der VDAB betont, dass auch die Einrichtungen eine Verantwortung zur Bewältigung der Herausforderung haben. Hier sind u.a. zu nennen: Angebot von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen, Unterstützung der beruflichen Weiterentwicklung und adäquate Gehälter, wenn die Kostenträger es ermöglichen.

Grundlage der Forderungen ist die Prognose, dass es in Deutschland im Jahr 2030 rund 3,4 Millionen Pflegebedürftige geben wird. Die Prognose sei plausibel. Das bedeute zugleich, dass es rund 1 Million mehr sind als heute. Dazu Heiner Schülke: „Wir brauchen in 20 Jahren zusätzlich zu den heute rund 870.000 in der Pflege Arbeitenden rund 370.000 Kräfte mehr.“ Das gelte selbst dann, wenn die Pflegebereitschaft von Angehörigen und anderen sowie die heutigen Strukturen stabil bleiben. „Davon können wir jedoch nicht sicher ausgehen“, so Schülke. Deshalb bezeichne der geschätzte Zusatzbedarf eher die Untergrenze. Schülke: „Das allein ist schon dramatisch. Seine besondere Bedeutung erhält die Zahl dadurch, dass die Erwerbsbevölkerung abnimmt. Die Pflege braucht daher – netto – Arbeitskräfte aus anderen Wirtschaftsbereichen. Dafür müssen heute die Weichen gestellt werden.“

Quelle: Pressemitteilung vom 12.04.2010
Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB)
Im Teelbruch 132
45219 Essen
el. 02054/ 95 78-0
Fax 02054/ 95 78-40
Mail: info@vdab.de
URL: http://www.vdab.de

Anja Jansen
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Pflegenotstand in Krankenhäusern und Heimen

Beitrag von Anja Jansen » 14.04.2010, 07:20

Hallo,
der Pressemitteilung kann man grundsätzlich zustimmen. Allerdings stehen wir nicht vor einem Pflegenotstand, sondern dieser Notstand ist schon gegeben. Darüber gab es hier im Forum bereits vielfältige Bekundungen.
MfG
Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Lutz Barth
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Pflegenotstand und Pflege-Verhinderungsgesetz?

Beitrag von Lutz Barth » 14.04.2010, 08:39

In der Tat stehen alle in der Verantwortung und da darf man/frau doch zunächst ganz schnippisch nachfragen, was eigentlich aus den zentralen Vorgaben des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes geworden ist?

Der G-BA lässt noch mit seinen Richtlinien an der Schnittstelle zwischen Delegation und Substitution warten und vielleicht besteht ja die Aussicht, dass nach fast zwei Jahren sich etwas bewegt.

Die berufethische Seele der Professionellen sollte künftig auch etwas "pfleglicher" behandelt werden. Ich plädiere dafür, jeden Monat einige Hundert Pflegende mit dem Bundesverdienstkreuz auszuzeichnen, damit endlich der Stellenwert der Pflege in der Gesellschaft anerkannt wird. In diesem Zusammenhang könnte es auch hilfreich sein, wenn der Deutsche Presserat die unrühmliche Berichterstattung über die Pflege rügt, denn immerhin ist doch die Berufsgruppe bemüht, sich in besonders verdientsvoller Weise um die guten bürgerlichen Ideale zu mühen und da sind einige "handwerkliche Fehler" schon mal verzeihbar. Der Wille und das Mühen zählt und im Zweifel der künftig allmorgendlich über den Äther verkündete Pflegeeid. Pünktlich zu Beginn der Morgenschicht ertönt es dann auf allen Sender: Ja, wir sind bereit, eminent wichtige Aufgaben in der Gesellschaft wahrzunehmen und wir geloben, den Weisungen unserer Kammern nachzukommen.

Und nicht zuguter letzt: Eine Pflegekammer muss nicht nur wegen eines morgendlichen Rituals gegründet werden. Gebt den Pflegenden das Vertrauen und die Macht einigen besonders ambitionierten Funktionären und siehe da, der Pflegenotstand löst sich in Wohlgefallen auf, sieht doch ein Großteil der Funktionäre der Pflegeberufsverbände einen Meilenstein für die Professionellen darin, künftig auch ärztliche Tätigkeiten auszuüben. Da macht es doch auch Sinn, ein Heer von Pflegeassistenten zu rekrutrieren, die dann in der Folge die Professionellen entlasten und auf die Kernaufgaben delegiert werden können.

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