24 Stunden als Pflegebedürftiger allein Zuhause

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

PflegeCologne
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Sattsam bekannte "Sprüche" helfen uns nicht weiter

Beitrag von PflegeCologne » 07.02.2010, 10:45

Hallo Brigitte / Johannes,
ich begrüße Eure Statements sehr.
Gestern war wieder ein rabenschwarzer Tag für die Pflegekritik, Schwätzer waren am Werk. Claus Fussek war bei 3SAT wieder mit seinen bekannten "Sprüchen" unterwegs. Er ist jetzt nicht mehr bloß der bekannte Pflegekritiker, sondern gleich "Pflege-Pabst". Man steht fassungslos davor, was uns die TV-Redaktionen so alles präsentieren und welchen Informanten sie auf den Leim gehen. Das alles schadet der Pflege und den vielen engagierten Menschen, die dort für andere gute Arbeit leisten.
Lb Grüße
Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 07.02.2010, 14:01

Sehe geehrte FrauBührlein,

in ihrem Beitrg hatten sie gefordert:

Es muss und wird sich eine Lobby der Betroffenen bilden, die selbst für ihre Bedarfe eintritt. Ein Generationswechsel ist im Gange, die Zeit des Duldertums läuft ab.
Wofür werden die Solidar-und Privatgelder der Pflegebedürftigen verwandt? Wer hat Mitsprach-, Mitbestimmungs- und Kontrollrechte über die Gelderverwendung?


Ich hatte in meinem Beitrag geschrieben:

Der Pflegemarkt wird geprägt durch viele mächtige Lobbyisten, die ihre Pfründe um jeden Preis verteidigen. Ausdrücklich nicht zu diesen Lobbyisten zählen die Pflegebedürftigen selbst, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte. Diese eigentlich absurde Feststellung erklärt wohl alle Unzulänglichkeiten des Systems.

Offensichtlich war ihnen mein Beitrag zu geistreich. Und die theologisch philosophischen Höhen wurden eindeutig von Johannes initiiert. Ich nehme für mich nach wie vor in Anspruch, in erster Linie (pflege-)politisch zu argumentieren. Und ich rate ihnen nach wie vor, sich auf die pflegepolitischen Fragestellungen einzulassen, wenn sie tatsächlich eine Lobby der Betroffenen entwickeln wollen. Dazu wünsche ich ihnen viel Erfolg.

Hallo Johannes,

theoretisch- hochwissenschaftlich und phliosophisch-theologisch sind bei dir wohl Synonyme. Oder wie ist das "Richtig, Brigitte" zu verstehen. Veräppeln kann ich mich selber.

johannes
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Beitrag von johannes » 07.02.2010, 15:17

Hallo thorstein,

so ist es. Wenn Sie meinen, sich veräppeln zu müssen, nur zu. Schreiben Sie ihre "geistreichen" Beiträge weiter - theoretisch - und ich mach meine christliche Arbeit weiter- praktisch. Oder habe ich etwas übersehen, daß Sie etwas konkretes ändern? Dann nehm ich gern alles zurück. Aber mitteilen müßten Sie das dann schon, was Sie verändert haben oder gegenwärtig verändern.

Ich halte nichts von theologisch-philosophischen Höhen, wie Sie sich ausdrücken. Daß humanistische Ansprüche mit christlichem Leben nicht vergleichbar sind, beweisen die Humanisten Tag für Tag. Es reicht eben nicht aus, einen hohen Anspruch zu haben. Sie kennen doch die lustigen Sprüche mit Ricola? Da ist was dran.

Theoretiker sind solche, die wissen, wie es geht, aber nichts funktioniert. Praktiker müssen nicht zwingend wissen, wie es geht, aber es geht! Ihnen ist das Wissen nur hilfreich.
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

Lutz Barth
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Hoppla...

Beitrag von Lutz Barth » 08.02.2010, 06:21

warum plötzlich diese Schärfe?

Thorstein hat gleich zu Beginn zu erkennen gegeben, dass die religiöse Dimension des Themas ihn weniger interessiert und dies wird man/frau akzeptieren müssen.
Gleichwohl ist dieser Aspekt von Johannes favorisiert worden und da darf schon einmal nachgefragt werden, wo für Johannes die Offenbarungsquellen liegen.

Auch die "christliche Arbeit" kann kritisch hinterfragt werden und es reicht beileibe nicht zu, hier zentrale Botschaften zu transportieren, ohne diese hinreichend zu begründen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

johannes
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Beitrag von johannes » 08.02.2010, 07:55

Nein, Herr Barth,

keine Schärfe. Nur Bestimmtheit. Die Frage von Thorstein ist wohl eher eine rhetorische denn eine ehrliche Frage, die eine Antwort sucht. In seinen Ausführungen belegt er dies selbst.

Christliches Leben ist kein religiöses Leben - jedenfalls aus der Sicht Jesu Christi betrachtet. Christliches Leben ist ein Miteinander und Füreinander. Da hat Egoismus weder einen Platz noch eine Berechtigung.

Die christlichen Arbeit hat nur eine Begründung.

Liebe.

"Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst!"

Das hat nichts mit Religion zu tun, sondern mit Beziehung. Einer Beziehung, in der Vertrauen, Fürsorge, Verantwortung, Gemeinschaft, usw. Grundlagen sind. Nun erhebt sich die Frage, was daran kritisch hinterfragt werden soll!?

Da gibt es nichts zu begründen, da gibt es nur etwas zu leben.

Ein Missionar wurde einmal von einem Nichtchristen in Asien gefragt, mit welchem Recht Christen behaupten, daß ihr Glaube der beste sei. Das wäre doch unverschämt.

Der Missionar antwortete ihm mit einem Gleichnis:

Da war ein Mann in eine tiefe Grube gefallen. Alle seine Versuche, sich selbst daraus zu befreien, scheiterten. Schließlich meinte er, wenn ich rufe, hört mich vielleicht jemand und hilft mir heraus. Auf seinem Wege kam Buddha an dieser Grube vorbei. Er tritt an den Rand, sieht ihn und rät ihm: Beginne, darüber nachzudenken, wie du dort herauskommst. Du wirst diese Weisheit gewiß finden - und geht. Doch all sein meditieren half dem Manne nichts, ihm wollte die Lösung seines Problems nicht kommen.
So rief er weiter. Mohammed kam vorbei, sah ihn da unten und sprach: Allah ist mächtig, Allah helfe dir - und geht weiter. Aber Allah holte ihn nicht heraus. Jesus Christus kam ebenfalls zu diesem Mann. Sah, daß er sich nicht selbst befreien konnte. Er sprang in die Grube und forderte ihn auf, auf seine Schulter zu steigen, dann würde er wieder frei sein.

Der Fragende hatte ihn verstanden.

Der Europäer fängt jetzt an, darüber zu diskutieren und kritisch zu hinterfragen. Wir sind ein großer Diskutierclub geworden.
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 08.02.2010, 09:10

Verehrter Johannes,

nun lasse ich mich durchaus auf Ihre These ein, dass christliches Leben ggf. kein religiöses Leben sei. Sie begründen dies mit den Botschaften des Nazareners. Was aber folgt hieraus? Gibt er die einzig wahre Antwort darauf, was und wie wir "Nächstenliebe" zu verstehen und zu praktizieren haben?

Und wenn dem so sein sollte, müssten wir dann die Botschaften eines Jesus Christus nicht im Kontext betrachten? War es nicht Jesu selbst, der u.a. die Schriftgelehrten aus dem Tempel gejagt hat und dadurch ein Signal für den "Wahrheitsanspruch" der von ihm vertretenen Visionen gelegt hat, so dass in der Folge ein Dialog auch unter wissenschaftstheoretischer Perspektive betrachtet gar nicht gewünscht ist?

Wer nach Antworten sucht, sollte sie hier auf Erden suchen, mag uns alle auch die Leidfreiheit in einer schönen transzendenten Welt verheißen sein. Hieraus folgt, dass in einer säkularen Gesellschaft die wesentlichen Fragen nicht im "kindlichen Glauben und der entsprechenden Nachfolge" zu lösen sind, sondern angesichts einer Wertepluralität, die sich ja vordergründig in unserem Grundgesetz widerspiegelt.

So wir glauben, war es wohl Jesus vorbehalten, Lahme und Kranke zu heilen - sicherlich aus der Liebe zu den Menschen heraus, die für ein bestimmtes Ziel auserkoren sind -; gegenwärtig sehen wir uns aber mit Problemen konfrontiert, die ein stückweit mehr an Engagement erfordern, so dass ein Rückzug bzw. ein Appell an die "Liebe" und "Barmherzigkeit" mir persönlich nicht ausreichend erscheint.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

thorstein
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Beitrag von thorstein » 08.02.2010, 11:40

Die Schärfe in dieser Diskussion ist von meiner Seite aus durchaus erwünscht, ging es mir doch darum, die Intentionen des Autors deutlich werden zu lassen.

Dies macht natürlich nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass es bei einer solchen Diskussion deutlich mehr LeserInnen als Teilnehmer gibt.

Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass ich schon mit vielen KollegInnen muslimischen Glaubens zusammengearbeitet habe und auch jetzt zusammenarbeite, und sie versorgen die Bewohnerinnen mit genau so viel Herz und Empathie, wie alle anderen KollegInnen mit und ohne Glaubensbekenntnis.

johannes
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Beitrag von johannes » 09.02.2010, 08:59

Hallo Lutz,

das Gleichnis vom barmherzigen Samariter verdeutlicht sehr plastisch, daß auch die wissenschaftstheoretischen Pharisäer seiner Zeit sehr wohl imstande waren, Nächstenliebe zu definieren. Was sie von Jesus Christus und dem Samariter unterschied, war nicht viel. Es war nur ihre Theorie zu seiner und des Samariters Praxis.

Ich denke, Sie werfen hier etwas durcheinander. Wenn er die Pharisäer aus dem Tempel jagte, seinem Haus, hat das nichts mit einem Wahrheitsanspruch zu tun. Jeder Eigentümer hat bis heute ein Hausrecht in seinem Eigentum. Erst recht, wenn andere daraus eine "Räuberhöhle" machen wollen. Ob er einen Dialog nicht wünschte? Nun, diese Frage können Sie sich aus vielen Dialogen Jesu gerade mit den Pharisäern und den nicht minder diskussionsfreudigen Sadduzäern ableiten. Mir ist keine Stelle bekannt, wo er sich einem Dialog entzogen hätte.

Sie sagen "wer nach Antworten sucht, sollte sie hier auf Erden suchen". Richtig. Darum verweisen Christen auch nicht auf "die Leidfreiheit in einer schönen transzendenten Welt", sondern folgen Jesus Christus hier in der Realität. Die Gesellschaft zur Zeit Jesu vor 2000 Jahren war nicht weniger säkular/religiös als die heutige.

Genau in diese säkular/religiöse Gesellschaft schickt Jesus seine Nachfolger mit dem klaren Auftrag, der menschlichen Wertepluralität die göttliche Werteordnung zu vermitteln, die wesensmäßig nicht vergleichbar ist. Er weist sie sogar darauf hin, daß sie mit dieser Botschaft nicht gerade auf Gegenliebe stoßen werden. Dennoch sollten sie sich nicht abhalten lassen, diese Werte zu vermitteln.

Offensichtlich lassen sich die wesentlichen Fragen auch heute nicht mit der so hochgeschätzten Wertepluralität der säkularen Gesellschaft (zu der auch die religiöse zählt) beantworten noch die anstehenden Probleme damit lösen. Wäre es anders, würde auch in der Pflege andere Realitäten vorhanden sein, als sie derzeit sind.

Auch mit Ihrem letzten Absatz verkürzen Sie unzulässig. Weder war es Jesus zu seiner Zeit vorbehalten, Lahme und Kranke zu heilen, dazu erhielten auch seine Nachfolger die Befähigung und nutzten sie. Bis heute wurde diese Fähigkeit nicht zurück genommen. Diese Fähigkeiten wurden weder damals noch werden sie heute nur Menschen zuteil, "die für ein bestimmtes Ziel auserkoren sind".

Die heutigen Probleme, mit denen wir uns konfrontiert sehen, erfordern ohne Frage ein riesiges Engagement. Aber die Art und Weise, wie die säkulare Gesellschaft damit umgeht, erscheint mir mehr als dilettantisch. Sie ist von Unfähigkeit mit begleitender Selbstüberschätzung geprägt und zeigt bis heute im Ergebnis, daß sie nicht zielführend ist. Ein unfähiger Diskutierclub wäre wohl eine treffendere Einschätzung.

Ein Appell an Liebe und Barmherzigkeit ist weder ein Rückzug noch nicht ausreichend. Hier geht es zum Einen um die Motivation des Handelns - Liebe und Barmherzigkeit - und zum Anderen um das Handeln als solches. Nur, wer liebt, bleibt nicht in Diskussionen stecken, wie sie beispielsweise auch in diesem Forum über Jahre stattfinden, sondern fängt endlich an. Nur wer liebt, wird im Handeln nicht den Profit und egoistische Ziele in den Vordergrund stellen, sondern das Gemeinwohl. Darin wird der Handelnde selbst gewinnen.

Christ sein hat nichts mit dem Vertrösten auf eine ferne, bessere Zeit zu tun, sondern mit dem Leben im Jetzt, in der Wirklichkeit des tägliche Lebens. Nur, wer dies ausprobiert, wird erfahren, wie bereichernd das sein kann. So verwies auch Jesus Christus nicht auf eine ferne Zukunft, in der sich alles ändern sollte, sondern forderte:

Redet nicht von Gott - Handelt nach Gottes Ordnung. Hier und heute. Das praktiziere ich mit meiner ganzen menschliche Unvollkommenheit und meine Mitarbeiter und unsere Bewohner haben heute ihren Segen davon.
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 09.02.2010, 17:46

Guten Tag Johannes.

Es wäre natürlich interessant, diesen Dialog hier weiter zu führen, wenngleich wir wohl nicht auf einen Nenner kommen, denn dieser würde letztlich darin bestehen müssen, dass wir gerade das Grundgesetz einiger seiner Mythen entkleiden müssten, will heißen, den Grundsatz der Säkularität zu beherzigen und dort eine Debatte ansiedeln, wo sie letztlich hingehört: in Art. 4 des Grundgesetzes.

Und gerade deshalb habe ich auch kein Problem damit, trotz meiner kritischen Haltung zur Religion hier mich als offen zu präsentieren, kann doch der Christ auf ein ganz fundamentales Grundrecht zurückgreifen. Mir steht es nicht zu, die eine Heilsbotschaft durch eine andere zu ersetzen, wobei aber auch ein Jesus Christus eben nicht der Maßstab aller Dinge ist, der als Gottes Sohn in die Welt gekommen ist und wir im Übrigen nach dem göttlichen Gesetz zu leben haben.
Ich halte es da - mit Verlaub - mit meinen Werte- und Freiheitsverständnis schon ein wenig vermessen, wenn wir angehalten werden, nach "Gottes Ordnung" zu handeln, die gewissermaßen durch eine (!) Macht "verordnet worden ist".

Überdies würde sich dann die Frage nach der Qualität der "Bibel" stellen, denn Du hast bereits vorher signalisiert, dass derjenige, der christlich sein will, sich schon auf die Suche nach der "Quelle" begeben soll. Wo aber liegt die Quelle und sind wir - aus welchem Grund - hieraus überhaupt verpflichtet, zu schöpfen?

Zugleich drängt sich dann doch die Frage auf, ob wir vielleicht selbst die "Quelle" zu interpretieren haben, die im Übrigen an manchen Stellen eben wohl nicht zimperlich erscheint, ohne hier gleich R. Dworkins Religionskritik das Wort reden zu wollen?

Natürlich sind "Liebe, Barmherzigkeit, Güte etc." ehrenwerte (z.T. gutbürgerliche) Ideale, die zu praktizieren allemal lobenswert sind, aber mit Verlaub, verehrter Johannes: Ohne hier die Geschichte der "Quelle" kontextualisieren zu wollen, so fällt doch auf, dass auch Gottessohn nicht frei von Herrschaftsambitionen war und wir - ungeachtet der Interpretation etwa der Katholischen Kirche - irgendwann einmal den Lohn der Sünde empfangen werden, wenn wir nicht (!) nach seinen Geboten und hier im weitesten Sinne nach seiner Ordnung handeln.

Das uns konzedierte Selbstbestimmungsrecht reicht nur soweit, wie wir uns innerhalb dieser Ordnung bewegen und da finde ich es denn persönlich sympathischer, ein stückweit selbst mit unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen und ggf. den "Kampf um die Würde" auszufechten, bevor ich mich darauf verlasse, dass sich unsere Gesellschaft durch einen wie auch immer gearteten Geist der Liebe und einer "Quelle" inspirieren lässt, so dass alle gleichsam dem übergeordneten Gemeinwohl zu dienen bereit sind.

In einem haben Sie freilich durchaus recht: Gelegentlich entsteht der Eindruck, als befänden wir uns alle in einem ganz großen Debattierklub, der ohne einen Grad an Verbindlichkeit daherschwätzen kann. Dem ist in der Tat so und lässt sich gerade an den großen ethischen und gewichtigen Fragen unserer Zeit festmachen. Mit viel Empathie und Pathos werden für Charten gerungen, ob nun für Pflegebedürftige oder Schwersterkrankte, obgleich es doch "die" Charta schlechthin gibt, namentlich das Grundgesetz, anhand dessen sich die unterverfassungsrechtlichen Normen messen lassen müssen.

Nehmen Sie aktuelle Debatte um die ärztliche Suizidbeihilfe: Hier vollzieht das Arztethos eine seltsame Metamorhose hin zu einem "heiligen Gut", obgleich es hierfür keinerlei Rechtsgrundlage gibt.

Mein Beispiel soll hier nur verdeutlichen, dass es manchmal auch Sinn macht, zu theoretisieren und dann freilich das "Ergebnis" praxisnah ausrichten. Wenn dies vermehrt der Fall wäre, würden manchen Hobbyphilosophen einige ihrer Spielwiesen beraubt werden und hierzu bedarf es nicht des Rückzuges oder Orientierung auf besonders lobenswerte Tugenden wie Liebe und Barmherzigkeit. Ein unverkrampfter Blick in die Verfassung könnte hier Gegenwartsprobleme lösen, so wie im Übrigen auch das Gemeinwohl eine Staatszielbestimmung ist so wie wir vielleicht auch alle angehalten sind, unseren Staat daran zu erinnern, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht für den Staat da sind, sondern umgekehrt und da sind die zu Pflegenden ausdrücklich eingeschlossen.

Dass hier allerdings nur bescheidene Erfolge erzielt werden, liegt augenscheinlich daran, dass wir viele "geschlossene Gesellschaften" in unserer vermeintlich so humanen Gesellschaft haben und die es geschickt verstehen, uns mit gelegentlich pseudowissenschaftlicher Arroganz von ihren vermeintlichen Expertisen zu beglücken, die zwar keiner rationalen Reflexion standhalten, hierauf es aber auch im Übrigen nicht ankommt, ist es doch ein Votum von Experten, die keinen Widerspruch dulden, käme es doch einer Entmythologisierung wissenschaftlicher Eliten gleich.
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