Grossbritannien: Sterbehilfe-Debatte nach Ausstrahlung von Suiziddokumentation
London (ALfA). Die Ausstrahlung einer Dokumentation mit dem Titel "Right to die?" ueber einen begleiteten Suizid eines gelaehmten Mannes durch die Schweizer Sterbehilfe-Organsiation Dignitas loeste in Grossbritannien und Deutschland eine heftige Debatte ueber Sterbehilfe aus. In dem vom britischen Bezahlsender Sky Real Lives am 10 Dezember zur besten Sendezeit um 21 Uhr ausgestrahlten Beitrag wurde gezeigt, wie der unheilbar erkrankte Professor Craig Ewert in den Dignitas-Raeumen eine Ueberdosis Schlafmittel trinkt und dann einschlaeft, umgeben von seiner Frau und den Kameras. Craig Ewert litt an der unheilbaren Nerven- und Muskelkrankheit ALS, die zu einer Laehmung des Koerpers und nach Aussagen der Aerzte in zwei bis fuenf Jahren zum Tod gefuehrt haette. Als sich der Verlauf der Krankheit jedoch frueher als gedacht beschleunigte, entschloss er sich zu einem begleiteten Selbstmord in der Schweiz. Dort starb er im September 2006 mit 59 Jahren. Aufgenommen wurde sein Tod von Oscar-Preistraeger John Zaritsky. Ewert habe diesen Film quasi als Aufklaerung in seiner Rolle als Lehrer betrachtet, erklaerte seine Frau gegenueber den Medien.
Die Ausstrahlung hatte bereits im Vorfeld fuer kontroverse Diskussionen gesorgt. Kritiker warfen dem Sender pietaetlose Quotenjagd vor. Medienberichten zufolge habe der Sender dagegen die Dokumentation als "Bildungsfernsehen" verteidigt. Der Beitrag thematisiere einen schwierigen, gleichwohl kontroversen Entscheidungsprozess, vor dem heute manch ein Patient stehe. Auch deutsche Medien verurteilten ueberwiegend die Ausstrahlung der Dokumentation. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verband (DJV), Michael Konken, kritisierte in einem Gespraech mit Neuen Osnabruecker Zeitung am 12. Dezember, die Dokumentation sei "aus medienethischer Sicht nicht zu verantworten". Es bestehe die Gefahr, dass durch solche TV-Beitraege die Nachfrage nach moralisch fragwuerdigen Sendungen geschaffen werde. In Deutschland widerspraechen derartige Sendungen dem Pressekodex des Deutschen Presserates, erlaeuterte der DJV-Vorsitzende. Dieser Kodex verpflichtet Journalisten zur Achtung vor der Wahrheit und Wahrung der Menschenrechte sowie zur Achtung von Privatleben und Intimsphaere.
Auch der Praesident der Bundesaerztekammer, Prof. Dr. Joerg-Dietrich Hoppe, kritisierte die Ausstrahlung des Films. "Wenn das Sterben oeffentlich inszeniert wird, verliert der Sterbende seine Wuerde. Auch eine TV-Dokumentation muss da ihre Grenzen finden, wo die Individualitaet des Sterbens beginnt", erklaerte Hoppe in einer Pressemitteilung. Dem Menschen im Sterben die Wuerde zu bewahren, sei Aufgabe der Angehoerigen und Aerzte. "Der Sterbende darf nicht alleingelassen werden. Er braucht Zuwendung und Linderung seiner Schmerzen. Hospiz und Palliativmedizin koennen das leisten. Wenn nun aber medial dargestellt wird, dass Selbsttoetung der vermeintlich leichtere Weg ist, dann wird das unverantwortliche Konsequenzen gerade fuer labile Menschen nach sich ziehen", warnte Hoppe. "Wir Aerzte appellieren deshalb eindringlich an diejenigen, die mediale OEffentlichkeit herstellen, Sterbehilfe nicht als scheinbar ideale Handlungsanleitung zum Freitod zu inszenieren, sondern mehr ueber die Moeglichkeiten der aerztlichen Sterbebegleitung zu informieren", forderte der Praesident der Bundesaerztekammer.
Die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht (BVL), Dr. med. Claudia Kaminski, kritisierte in einer Pressemitteilung vom 11. Dezember, es sei "menschenverachtend und unverantwortlich" einen Film auszustrahlen, der einen Menschen beim Suizid zeigt. "Der Moment des Sterbens gehoert zur absoluten Intimsphaere von Menschen und eignet sich daher niemals zur oeffentlichen Zurschaustellung. Ferner wissen wir aus der Suizidforschung, dass sich Menschen, die sich mit Suizidgedanken tragen, in einem emotional und psychisch extrem kritischen Ausnahmezustand befinden. Berichte und Bilder, welche die Selbsttoetung verherrlichen oder verharmlosen, koennen in einer solchen Situation den entscheidenden Ausschlag fuer einen Suizidversuch geben", warnte Kaminski. Wer den Suizid eines Menschen filmt oder beschreibt, mache sich mitschuldig an den Suizidversuchen weiterer Menschen. "Nachdem der Dokumentarfilm, der den Suizid eines US-Amerikaners zeigt, bereits in der Schweiz und jetzt in Grossbritannien ausgestrahlt wurde, ist die Politik gefordert, durch entsprechende Massnahmen sicherzustellen, dass so etwas in Deutschland unmoeglich wird", forderte die BVL-Vorsitzende.
Weitere Ermittlungen gegen Roger Kusch und seinen Sterbehilfeverein
Unterdessen berichtete der Norddeutsche Rundfunk NDR, das Finanzamt Hamburg Nord habe nach den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Sterbehelfer Roger Kusch (siehe ALfA-Newsletter 46/08 vom 06.12.2008) eine Ueberpruefung des umstrittenen Sterbehilfevereins "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe e.V." eingeleitet. Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Panorama" untersucht die Behoerde, ob der Verein weiterhin als gemeinnuetzig gelten darf. Der Verein ist bislang als gemeinnuetzig anerkannt und soll laut Satzung lediglich ueber das Thema Sterbehilfe informieren. Daneben betreibt Kusch eine private Suizidbegleitung, fuer die er in der Regel 8000,- Euro verlangt. Jetzt werde unter anderem geprueft, ob die gesetzlich vorgeschriebene Trennung zwischen dem gemeinnuetzigen Verein und dem privaten Geschaeft des Roger Kusch eingehalten wird, so der NDR in einer Pressemitteilung vom 11. Dezember.
Weitere Informationen:
Craig Ewerts letzter Wille
Ein vom Fernsehen ausgestrahltes Selbstmord-Video loest in England eine Diskussion ueber Sterbehilfe aus
Von Wolfgang Koydl
SUEDDEUTSCHE.DE 12.12.08
http://www.sueddeutsche.de/854385/319/2 ... Wille.html
Strategie gegen Euthanasie-TV
Kommentar von Johannes Seibel
Mag sein, dass die Briten einen schwarzen Humor pflegen, aber selbst schwarzhumorig laesst es sich kaum ertragen, was dort in der Nacht zum Donnerstag im Fernsehen in laufenden Bildern gezeigt wurde:
DIE TAGESPOST 13.12.08
http://www.die-tagespost.de/2008/index. ... 9&Itemid=3
Naechstenliebe oder Profitgier? Sterben mit Roger Kusch
Panorama vom 11. Dezember 2008
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/ ... ch100.html
Nach mehrfacher Suizidbegleitung: Razzien bei Hamburger Sterbehelfer Kusch
ALfA-Newsletter 46/08 vom 06.12.2008
http://www.alfa-ev.de/aktuelles/archiv- ... 61b42861d4
Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V. - Mitteilung 47/08 vom 13.12.2008
Debatte nach Ausstrahlung von Suiziddokumentation
Moderator: WernerSchell