Deutscher Ethikrat startet Beratungen zum Problemfeld der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen
Am 25. September 2008 befasste sich der Deutsche Ethikrat in seiner Plenarsitzung mit Inhalt und Grenzen des normativen Anspruchs gesundheitsökonomischer Evaluationen.
Seit dem vergangenen Jahr gibt es auch in Deutschland die gesetzliche Vorgabe, bei bestimmten Entscheidungen über das Leistungsspektrum der öffentlichen Gesundheitsversorgung Kostenaspekte einzubeziehen. Das mit der Umsetzung dieser Vorgabe beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat dazu Methodenvorschläge entwickelt, die zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen geworden sind. Insbesondere haben deutsche Gesundheitsökonomen Abweichungen von ihren fachintern anerkannten Bewertungsmethoden beklagt.
"Auf diesem Gebiet werden im Gewand fachlicher Auseinandersetzungen hochsensible ethische Fragen verhandelt, die einer breiteren Diskussion bedürfen", so die Leipziger Philosophin Prof. Dr. Weyma Lübbe, Mitglied des Deutschen Ethikrates, in ihrem einführenden Referat. Als Angehörigen einer Disziplin, die sich in Gerechtigkeitsfragen für fachlich unzuständig erklärt, dürfe den Gesundheitsökonomen nicht der von ihnen beanspruchte Status von Experten für rationales Entscheiden unter Knappheit zugestanden werden. Vielmehr müssten sich auch Juristen, Mediziner und Ethiker in die Diskussion um gesundheitsökonomische Evaluationen einbringen.
Lübbe wies darauf hin, dass einer ernsthaften interdisziplinären Auseinandersetzung über die Fragen der Ressourcenallokation hohe Hürden entgegenstehen. Strittige Werturteile seien zum Teil tief in terminologischen und methodischen Fachstandards verborgen und schwer transparent zu machen. Die Experten könnten der Politik die Arbeit aber nicht leichter machen, wenn sie sich untereinander nicht verständigten.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass in dieser Debatte Verständigungsschwierigkeiten nicht nur interdisziplinärer Natur sind, sondern das Spektrum unterschiedlicher Einschätzungen auch innerhalb einzelner Fachgebiete groß ist. Der Ethikrat wird sich weiter mit dem Thema befassen und dabei die ethischen Konfliktlinien anhand konkreter Beispiele aufzeigen. Eine bereits eingerichtete Arbeitsgruppe wird die Diskussion weiterführen und Impulse für die weitere Befassung im Plenum liefern.
Quelle: PRESSEMITTEILUNG 05/2008 vom 26. September 2008
Pressekontakt: Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutscher Ethikrat
Jägerstrasse 22/23
D-10117 Berlin
Tel: +49 +30 203 70-246
Fax: +49 +30 203 70-252
E-Mail: kontakt@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org
vgl. auch:
Ethiker Schockenhoff warnt vor reinem Nutzenkalkül im Gesundheitswesen
Freitag, 26. September 2008
Berlin – Angesichts knapper Kassen im Gesundheitswesen hat der Tübinger Ethiker Eberhard Schockenhoff vor einer reinen Nutzenorientierung gewarnt. Bei einer Sitzung des Deutschen Ethikrates betonte er am Donnerstag in Berlin, in jedem Falle müsse zur Behandlung einer Krankheit das Notwendige und Unerlässliche getan werden....
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http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=33848
Ressourcenallokation im Gesundheitswesen
Moderator: WernerSchell
Ressourcenallokation im Gesundheits- und Sozialwesen
Neues Thema im Deutschen Ethikrat: Ressourcenallokation im Gesundheits- und Sozialwesen
Berlin (ALfA). Am 25. September 2008 befasste sich der Deutsche Ethikrat in seiner Plenarsitzung mit dem Thema "Ressourcenallokation im Gesundheits- und Sozialwesen". Hintergrund der Diskussion ist die seit dem vergangenen Jahr auch in Deutschland gesetzliche Vorgabe, bei bestimmten Entscheidungen ueber das Leistungsspektrum der oeffentlichen Gesundheitsversorgung Kostenaspekte einzubeziehen. Das mit der Umsetzung dieser Vorgabe beauftragte Institut fuer Qualitaet und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte dazu Methodenvorschlaege entwickelt, die zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen geworden seien. Insbesondere seien von Gesundheitsoekonomen Abweichungen von ihren fachintern anerkannten Bewertungsmethoden beklagt worden, heisst es in einer Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates zur Sitzung.
"Auf diesem Gebiet werden im Gewand fachlicher Auseinandersetzungen hochsensible ethische Fragen verhandelt, die einer breiteren Diskussion beduerfen", erklaerte die Leipziger Philosophin Prof. Dr. Weyma Luebbe, Mitglied des Deutschen Ethikrates, in ihrem einfuehrenden Referat. Sie kritisierte dabei eine Trennung zwischen Ethik und Wirtschaft bei Kostenfragen im Gesundheitswesen. Als Angehoerigen einer Disziplin, die sich in Gerechtigkeitsfragen fuer fachlich unzustaendig erklaert, duerfe den Gesundheitsoekonomen nicht der von ihnen beanspruchte Status von Experten fuer rationales Entscheiden unter Knappheit zugestanden werden. Vielmehr muessten sich auch Juristen, Mediziner und Ethiker in die Diskussion um gesundheitsoekonomische Evaluationen einbringen. Luebbe wies darauf hin, dass "einer ernsthaften interdisziplinaeren Auseinandersetzung ueber die Fragen der Ressourcenallokation hohe Huerden" entgegenstuenden. Strittige Werturteile seien zum Teil tief in terminologischen und methodischen Fachstandards verborgen und schwer transparent zu machen. Die Experten koennten der Politik die Arbeit aber nicht leichter machen, wenn sie sich untereinander nicht verstaendigten.
Wie das Deutsche Aerzteblatt online am 26. September berichtete, habe bei der Sitzung der Ethiker Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff von der Albert-Ludwigs-Universitaet Freiburg, angesichts knapper Kassen im Gesundheitswesen vor einer reinen Nutzenorientierung gewarnt und betont, in jedem Fall muesse zur Behandlung einer Krankheit das Notwendige und Unerlaessliche getan werden. Im Falle, dass es zu einer Unterfinanzierung in bestimmten Bereichen kommen sollte, muessten nach Ansicht Schockenhoffs neue Mittel bereitgestellt werden.
Wie der Ethikrat in der Mitteilung weiter ausfuehrte, sei in der anschliessenden Diskussion deutlich geworden, dass es in der Debatte um eine gerechte Ressourcen-Verteilung im Gesundheits- und Sozialwesen nicht nur Verstaendigungsschwierigkeiten interdisziplinaerer Natur gebe, sondern das Spektrum unterschiedlicher Einschaetzungen auch innerhalb einzelner Fachgebiete gross sei. Der Ethikrat werde sich weiter mit dem Thema befassen und dabei die ethischen Konfliktlinien anhand konkreter Beispiele aufzeigen. Eine bereits eingerichtete Arbeitsgruppe werde die Diskussion weiterfuehren und Impulse fuer die weitere Befassung im Plenum liefern.
Weitere Informationen:
Deutscher Ethikrat: Wortprotokolle und Praesentationen der letzten Sitzungen
http://www.deutscher-ethikrat.de/de_sitzungen/2008.php
Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V. - ALfA-Newsletter 37/08 vom 27.09.2008
Berlin (ALfA). Am 25. September 2008 befasste sich der Deutsche Ethikrat in seiner Plenarsitzung mit dem Thema "Ressourcenallokation im Gesundheits- und Sozialwesen". Hintergrund der Diskussion ist die seit dem vergangenen Jahr auch in Deutschland gesetzliche Vorgabe, bei bestimmten Entscheidungen ueber das Leistungsspektrum der oeffentlichen Gesundheitsversorgung Kostenaspekte einzubeziehen. Das mit der Umsetzung dieser Vorgabe beauftragte Institut fuer Qualitaet und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte dazu Methodenvorschlaege entwickelt, die zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen geworden seien. Insbesondere seien von Gesundheitsoekonomen Abweichungen von ihren fachintern anerkannten Bewertungsmethoden beklagt worden, heisst es in einer Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates zur Sitzung.
"Auf diesem Gebiet werden im Gewand fachlicher Auseinandersetzungen hochsensible ethische Fragen verhandelt, die einer breiteren Diskussion beduerfen", erklaerte die Leipziger Philosophin Prof. Dr. Weyma Luebbe, Mitglied des Deutschen Ethikrates, in ihrem einfuehrenden Referat. Sie kritisierte dabei eine Trennung zwischen Ethik und Wirtschaft bei Kostenfragen im Gesundheitswesen. Als Angehoerigen einer Disziplin, die sich in Gerechtigkeitsfragen fuer fachlich unzustaendig erklaert, duerfe den Gesundheitsoekonomen nicht der von ihnen beanspruchte Status von Experten fuer rationales Entscheiden unter Knappheit zugestanden werden. Vielmehr muessten sich auch Juristen, Mediziner und Ethiker in die Diskussion um gesundheitsoekonomische Evaluationen einbringen. Luebbe wies darauf hin, dass "einer ernsthaften interdisziplinaeren Auseinandersetzung ueber die Fragen der Ressourcenallokation hohe Huerden" entgegenstuenden. Strittige Werturteile seien zum Teil tief in terminologischen und methodischen Fachstandards verborgen und schwer transparent zu machen. Die Experten koennten der Politik die Arbeit aber nicht leichter machen, wenn sie sich untereinander nicht verstaendigten.
Wie das Deutsche Aerzteblatt online am 26. September berichtete, habe bei der Sitzung der Ethiker Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff von der Albert-Ludwigs-Universitaet Freiburg, angesichts knapper Kassen im Gesundheitswesen vor einer reinen Nutzenorientierung gewarnt und betont, in jedem Fall muesse zur Behandlung einer Krankheit das Notwendige und Unerlaessliche getan werden. Im Falle, dass es zu einer Unterfinanzierung in bestimmten Bereichen kommen sollte, muessten nach Ansicht Schockenhoffs neue Mittel bereitgestellt werden.
Wie der Ethikrat in der Mitteilung weiter ausfuehrte, sei in der anschliessenden Diskussion deutlich geworden, dass es in der Debatte um eine gerechte Ressourcen-Verteilung im Gesundheits- und Sozialwesen nicht nur Verstaendigungsschwierigkeiten interdisziplinaerer Natur gebe, sondern das Spektrum unterschiedlicher Einschaetzungen auch innerhalb einzelner Fachgebiete gross sei. Der Ethikrat werde sich weiter mit dem Thema befassen und dabei die ethischen Konfliktlinien anhand konkreter Beispiele aufzeigen. Eine bereits eingerichtete Arbeitsgruppe werde die Diskussion weiterfuehren und Impulse fuer die weitere Befassung im Plenum liefern.
Weitere Informationen:
Deutscher Ethikrat: Wortprotokolle und Praesentationen der letzten Sitzungen
http://www.deutscher-ethikrat.de/de_sitzungen/2008.php
Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V. - ALfA-Newsletter 37/08 vom 27.09.2008