Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe
Moderator: WernerSchell
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Elke
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von Elke » 13.09.2008, 16:30
Eine Bekannte schreibt mir folgendes:
War bei A. im Heim,
fand ich einen Zettel, kucke da drauf und sehe:
allevyn adhesive - klebender hydrozellulärer Polyrethan-Wundverband.
da gehen bei mir alle Alarmglocken an.
Ich frage A. wofür das ist. Da sagte er, weil ich eine offene Wunde am Po habe. Dekubitus.
Der Pfleger, der ihn letzte Woche gepflegt hat, hatte es zwar festgestellt, hat aber vergessen es weiter zu geben.
Die Schwester heute, hat sofort gehandelt. ist Gott sei Dank bis Montag da und will es im Auge behalten und, wenn nötig die Ärztin informieren. sie hat einen Eintrag gemacht, weil sie meinte, wieso der Spätdienst das denn nicht gemerkt hätte. dann kam raus, dass A. nur morgens gewaschen und versorgt wird. Er bekommt nur einmal pro Tag morgens eine Windel an und danach wird nichts mehr gemacht.
Dann haben wir festgestellt, dass im Heft für Lagerung und trinken etc. immer wieder steht: verweigert. A. sagt, ich habe noch nie verweigert mich zu lagern. aber wenn die mich fragen: wollen sie auf dem Rücken liegen bleiben, sage ich natürlich ja. Für heute war um 14.00 Uhr noch gar nichts eingetragen wegen lagern.
A. ist nach einer HB Querschnittsgelähmt. Wegen der Harninkontinenz trägt er Dauerkatheder und Windeln werden wegen Stuhlinkontinenz angelegt.
Die geschiedene Ehefrau hat Generalvollmacht.
Wie ist das rechtlich zu sehen, wenn der Patient die Lagerung verweigert und es dadurch zum Dekubitus kommt?
Ehemann Hirnblutung 1995, Hemiplegie rechts, schwere Globalaphasie, Epilepsie, Pflegestufe 3. Pflege Zuhause
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Hildegard Kaiser
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Beitrag
von Hildegard Kaiser » 14.09.2008, 06:18
Hallo Elke,
bin heute schon früh im Netz und gebe eine (erste) Antwort, aus meiner Sicht:
Der Patient, der Bewohner, bestimmt, was mit ihm geschieht und was ggf. nicht. Dabei setze ich voraus, dass er im Vollbesitz der geistigen Kräfte ist. "Der Wille des Patientena ist das höchste Gesetz", so hat einmal der BGH formuliert. Das entspricht unserer Verfassung.
Allerdings muss das Pflegepersonal bei einer Patientenentscheidung, die offensichtlich nicht unbedingt seinem Wohl entspricht, über Folgerungen nachdenken. Es gibt viele Überlegungen:
Auf den Patienten mit Argumenten einwirken.
Ihm bei anhaltendem Widerstand erklären, dass eine regelgerechte Pflege nicht möglich ist und er sich selbst über Folgerungen klar sein muss.
Mann kann über die Informationen des Kosntenträgers nachdenken. Denn Versicherte haben nach dem SGB I eine Mitwirkungspflicht. Wenn sie diese Mitwirkung verweigern, können Leistungen gekürzt oder gar vorenthalten bleiben. Das muss man dem Patienten verdeutlichen.
Ich würde in erster Linie aber den behandelnden Arzt einschalten. Er führt die Diagnostik und Therapie und trifft im Zusammenwirken mit dem Patienten die behandlungspflegerischen Vorgaben / Entscheidungen liefern.
Zu klären ist auch, welche Bedeutung der Generalvollmacht der Ehefrau zukommt. Ist der Patient einwilligungsfähig, dann entscheidet er selbst und die Vollmacht ist insoweit bedeutungslos. Diese Fragen müssen aber geklärt werden.
Hat die Vollmacht rechtliche Wirkung hinsichtlich der Behandlung und Pflege, weil Patient nicht einwilligungsfähig ist, muss die Ehefrau "ins Gebet genommen werden".
MfG Hilde
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Herbert Kunst
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Beitrag
von Herbert Kunst » 14.09.2008, 07:33
Hallo Elke,
wie Hilde schon ausgeführt hat, muss hier zunächst geklärt werden, wer Einwilligungsfähigkeit besitzt (Patient oder Ehefrau mit Vollmacht). Dann muss mit demjenigen, der rechtserheblich entscheiden kann / muss, ein Gespräch geführt werden (Aufklärung über notwendige Maßnahmen und Folgen der Unterlassung). Richtig ist auch, dass nach dem SGB I eine Mitwirkungspflicht besteht. Es kann ja nicht sein, dass die Solidargemeinschaft so einfach mit vermeidbaren Kosten belastet wird.
Ich halte auch sehr viel davon, schnellstens den behandelnden Arzt einzuschalten. Die jetzt anstehenden Diskussionen berühren das Arzt-Patienten-Verhältnis und haben auch möglicherweise Auswirkungen in Richtung Heimvertrag.
Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter
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Lutz Barth
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von Lutz Barth » 14.09.2008, 10:18
Mit dem geschilderten „Fall“ sind mehrere Probleme aufgeworfen, die eigentlichen einer weiteren Recherche und intensiven Aufarbeitung bedürfen.
Einige Aspekte hierzu:
In erster Linie ist hier das Pflegepersonal gefordert, ggf. in Kooperation mit dem behandelnden Arzt möglicherweise die fehlende compliance beim Pflegenden herzustellen.
Eine „Generalvollmacht“ ist eher mit Skepsis zu beurteilen, zumal unabhängig hiervon der Pflegende durchaus die Einsichtsfähigkeit für bestimmte einzelne therapeutische Maßnahmen besitzen und somit selbstbestimmt darüber entscheiden kann, ob er diesen „zustimmt“. Die Überprüfung der „Einwilligungsfähigkeit“ obliegt dem Arzt.
Der pauschale Hinweis auf die „Mitwirkungspflichten“ ist durchaus problematisch. Es findet sich hierzu eine besondere Bestimmung (§ 6 SGB XI) und über §§ 60 ff. SGB I können im Zweifel einschneidende leistungsrechtliche Konsequenzen für den Versicherten drohen. Mit leistungsrechtlichen Konsequenzen scheint aber das Problem in „Sache nicht behoben“ zu sein, so dass hier sämtliche pflegetherapeutischen Interventionen in Erwägung zu ziehen sind, zumal auch im Kern „unvernünftige Entscheidungen“ zu respektieren sind, die im Übrigen nicht stets dazu führen, dass eine gebotene therapeutische Leistung aus Gründen der Solidargemeinschaft „versagt“ wird.
Kurzum: die Pflegenden und der Arzt sind gefordert, beim Pflegenden in einem (pflege)therapeutischen Aufklärungsgespräch für eine offensichtlich gebotene Mitwirkung „zu werben“. Es ist evident, dass diese Gespräche auch fortwährend zu dokumentieren sind.
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!
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Anja Jansen
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von Anja Jansen » 14.09.2008, 11:31
Lutz Barth hat geschrieben: ... die Pflegenden und der Arzt sind gefordert, beim Pflegenden in einem (pflege)therapeutischen Aufklärungsgespräch für eine offensichtlich gebotene Mitwirkung „zu werben“. Es ist evident, dass diese Gespräche auch fortwährend zu dokumentieren sind. ...
Hi,
ich halte solche Gespräche für dringlich. Es wird sich nicht alles einfach gestalten lassen, weil es in der Tat mehrere "Problemfelder" gibt. Die Pflegenden dürfen unter keinen Umständen allein agieren.
LG Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!