1. Schlechter Rat: Deutscher Ethikrat empfiehlt Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt abzuschaffen
Berlin (ALfA). Unter dem Titel "Das Problem der anonymen Kindesabgabe" hat der Deutsche Ethikrat am 26. November seine erste Stellungnahme seit seiner Einberufung verabschiedet. Darin fordert das Gremium in seinem Mehrheitsvotum, in einem gemeinsamen Vorgehen aller politisch dafuer Verantwortlichen die vorhandenen Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt abzuschaffen. Begleitend sollten die oeffentlichen Informationen ueber die bestehenden legalen Hilfsangebote fuer Schwangere und Muetter in Not- und Konfliktlagen verstaerkt werden und zudem Massnahmen ergriffen werden, um das Vertrauen in die Inanspruchnahme der legalen Hilfsangebote zu verbessern.
Die bestehenden Angebote anonymer Kindesabgabe seien nach Ansicht der Ethikratsmitglieder "ethisch und rechtlich sehr problematisch", insbesondere weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzen. Nach Schaetzungen seien durch diese Angebote seit ihrer Einfuehrung mehr als 500 Kinder zu Findelkindern mit dauerhaft anonymer Herkunft geworden. Die seit 1999 in Deutschland eingerichteten Babyklappen sowie die Angebote zur anonymen Geburt wurden mit dem Ziel geschaffen, Kindsaussetzungen und -toetungen zu verhindern. Die bisherigen Erfahrungen wuerden jedoch nahe legen, dass Frauen, bei denen Gefahr bestehe, dass sie ihr Neugeborenes toeten oder aussetzen, von diesen Angeboten nicht erreicht werden, so der Ethikrat zur Begruendung fuer seine Forderungen.
Die oeffentlichen Stellen der Kinder- und Jugendhilfe und die freien Traeger sowie die Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstellen hielten nach Meinung des Beratungsgremiums dagegen auf gesetzlicher Grundlage ein umfangreiches Angebot an wirksamen Hilfestellungen fuer Frauen selbst in extremen Notlagen bereit, bei denen sichergestellt sei, dass insbesondere dem Kind seine Herkunft und leibliche Familie nicht unbekannt bleiben. Allerdings werden diese Angebote nicht immer angenommen, so die Experten.
Um Schwangeren und Muettern in Notlagen darueber hinaus zu helfen, schlaegt der Ethikrat ein "Gesetz zur vertraulichen Kindesabgabe mit voruebergehend anonymer Meldung" vor. Damit wuerde nach Ansicht der Mitglieder eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um Frauen, die in einer schweren Not- oder Konfliktsituation ihre Mutterschaft meinen verbergen zu muessen, durch ein besonders niederschwelliges Angebot zu helfen, das ihnen die Loesung ihrer Probleme im Rahmen einer Beratung und Begleitung unter Wahrung absoluter Vertraulichkeit garantiert.
Der Ethikrat weist in seinen Empfehlungen des Weiteren darauf hin, dass unbestritten sei, dass in Faellen, in denen unmittelbare physische Gefahr fuer Leben und Gesundheit von Mutter und Kind besteht, das Notstandsrecht die medizinische Betreuung einer Frau bei der Entbindung aufgrund der Hilfeleistungspflicht auch dann legitimiere, wenn sie ihre Identitaet nicht preisgibt. Dies gelte aber nicht fuer das systematische, von einem individuellen akuten Notfall unabhaengige Angebot anonymer Kindesabgabe, wie die Babyklappe und das Angebot der anonymen Geburt sowie fuer die Unterstuetzung der Aufrechterhaltung der Anonymitaet nach Wegfall der akuten Notlage. Fuer die Faelle, in denen Kinder dennoch anonym zurueckgelassen werden, haelt der Deutsche Ethikrat Mindestmassnahmen zum Schutz der Rechte des Kindes und seiner Eltern fuer notwendig, vor allem die umgehende Meldung des Kindes beim Jugendamt und die Bestellung eines Vormundes, der von der Stelle, bei der das Kind anonym abgegeben wurde, unabhaengig ist.
In einem ergaenzenden Votum haben zwei Ratsmitglieder, der Medizinethiker Axel W. Bauer und die Rechtsanwaeltin Ulrike Riedel, zum Ausdruck gebracht, dass sie die Empfehlungen des Rates, insbesondere die Angebote der anonymen Kindesabgabe aufzugeben, mittragen, die vom Rat vorgeschlagene gesetzliche Regelung fuer eine vertrauliche Geburt allerdings nicht fuer erforderlich halten, weil das Ziel, Frauen zur Bewaeltigung ihrer Notsituation einen vertraulichen Schutzraum zu gewaehren, bereits mit Hilfe der legalen, niederschwelligen Beratungs- und Hilfsmoeglichkeiten erreicht werden koenne.
Eine Gruppe von sechs Mitgliedern hat in einem Sondervotum formuliert, dass sie die Empfehlung, die bestehenden Angebote zur anonymen Kindesabgabe sofort oder schrittweise zu schliessen, nicht mittragen koennen. Sie gehen davon aus, dass fuer den kleinen Kreis von Eltern und Frauen, die den Weg zu den Beratungsstellen nicht finden, das Angebot anonymer Kindesabgabe ein letzter Ausweg sein kann, der ihnen eine Alternative dazu aufzeigt, ihr Kind unversorgt auszusetzen, so ihre Begruendung. Getragen wird das Sondervotum von Weihbischof Anton Losinger, dem Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, dem Mediziner und Praesidenten des Oekumenischen Kirchentages 2010 Eckard Nagel, Peter Radtke von der Arbeitsgemeinschaft Behinderte in den Medien e.V., sowie von Ministerpraesident a. D. Erwin Teufel und Staatssekretaerin a. D. Kristiane Weber-Hassemer.
Weitere Informationen
Das Problem der anonymen Kindesabgabe
Stellungnahme Deutscher Ethikrat
72 Seiten, veroeffentlicht 26.11.09 im PDF-Format
http://www.ethikrat.org/der_files/DER-S ... abgabe.pdf
Das Problem der anonymen Kindesabgabe
Zusammenfassung Stellungnahme Deutscher Ethikrat
5 Seiten, veroeffentlicht 26.11.09 im PDF-Format
http://www.ethikrat.org/der_files/DER-S ... assung.pdf
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2. Klare Ablehnung: Kirchenvertreter und Verbaende kritisieren Ethikrat-Forderungen zu anonymen Kindesabgaben
Koeln (ALfA). Bei Kirchenvertretern und Verbaenden stiess die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur anonymen Kindesabgabe ueberwiegend auf scharfe Kritik aber auch Lob. Von Seiten der Kirchen begruesste das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) es, dass sich der Deutsche Ethikrat mit dem Thema befasst habe. Die Stellungnahme liefere "wichtige Argumente fuer eine notwendige gesellschaftliche Debatte", so ZdK-Praesident Alois Glueck in einer Pressemitteilung am 26. November. Im Gegensatz zum Deutschen Ethikrat ist das ZdK allerdings der Meinung, dass Angebote einer betreuten anonymen Geburt nicht eingestellt werden sollten. "Sie helfen, das Leben von Kindern zu retten, bieten Frauen einen sicheren Rahmen und einen geschuetzten Raum fuer die Entbindung und tragen in vielen Faellen dazu bei, dass die Muetter sich nach der Geburt fuer ein Leben mit ihrem Kind entscheiden. Auf diese Moeglichkeiten koennen wir um der Frauen und ihrer Kinder willen nicht verzichten", unterstrich Glueck. Erforderlich seien verbesserte Beratungsangebote, ein gesellschaftliches Klima, das Frauen in Not auffaengt und gesetzliche Regelungen, die dem Lebensschutz ebenso Rechnung tragen wie dem Anspruch des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft. Die Stellungnahme des Ethikrates sei hierfuer "ein wichtiger Impuls".
Auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Bischoefin der Landeskirche Hannover, Margot Kaessmann, kritisierte die vom Ethikrat geforderte Abschaffung von Babyklappen. Das Expertengremium gehe von fragwuerdigen und ungesicherten Annahmen aus, erklaerte Kaessmann auf der Landessynode in Hannover. Sie warnte davor, dass ein Kreis nicht erreichbarer Hilfebeduerftiger zurueck bliebe, falls Babyklappen und die Moeglichkeit der anonymen Geburt abgeschafft wuerden. Die Landeskirche Hannover betreibt als einzige Kirche selber eine Babyklappe.
Allein der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) begruesste dagegen das Mehrheitsvotum des Ethikrates. "Wir teilen die Meinung des Ethikrates, dass der Weg der anonymen Kindesabgabe zumindest juristisch in eine Sackgasse fuehrt und auch im Hinblick auf den konkreten Lebensschutz keine befriedigende Loesung darstellt", erklaerte die Bundesvorsitzende des SkF, Maria Elisabeth Thoma, in einer Pressemitteilung. "Wir sehen uns innerhalb des Verbandes in der Verpflichtung, Konsequenzen aus dem Votum des Ethikrates hinsichtlich der Fortfuehrung von Babyklappen zu ziehen", so Thoma. Der SkF sieht die Betreiber von Babyklappen und Anbieter von anonymer Geburt nun vor der Aufgabe, ihre Angebote weiterzuentwickeln, um sowohl den betroffenen schwangeren Frauen und Muettern in ihrer Not zu helfen, als auch die Rechte ihrer Kinder auf Kenntnis ihrer Herkunft zu wahren. Die rechtliche Regelung einer vertraulichen Geburt koenne hierzu ein wesentlicher Schritt sein.
Die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht fuer Alle e.V. (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski, erklaerte in einer Pressemitteilung, sie sei "ausserordentlich enttaeuscht" ueber das Votum des Ethikberatungsgremiums. "Natuerlich ist es besser, wenn ein Mensch ueber seine Herkunft Bescheid weiss. Ausser Frage steht auch, dass jede anonyme Geburt das Recht von Menschen, Kenntnis ueber ihre Abstammung zu erlangen, verletzt. Wer jedoch glaubt, deshalb Babyklappen und andere Angebote der Anonymen Geburt schliessen zu muessen, macht das Bessere zum Feind des Guten und schuettet das Kind mit dem Bade aus. Das darf nicht sein. Das Recht auf Leben wiegt zweifellos hoeher, als das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung", so Kaminski.
Es sei bedauerlicher, dass der Deutsche Ethikrat ausgerechnet in seiner ersten Stellungnahmen mehrheitlich so "daneben greift". Sie verweist darauf, dass es Babyklappen in der Geschichte immer gegeben hat. "Meist waren es Kloester, bei denen so genannte Findelkinder abgegeben werden konnten. Niemand kann ernsthaft behaupten wollen, dass durch derartige Liebestaten, die Wuerde des Menschen nachhaltig verletzt worden sei", so Kaminski weiter. Dass Babyklappen bedauerlicherweise nicht in jedem Fall eine nachgeburtliche Kindstoetung verhindern koennen, sei ebenso wenig ein Argument gegen solche Einrichtungen, wie die Behauptung, Muetter, die ein neugeborenes Kind trotzdem "in freier Wildbahn" aussetzten, wuerden von solchen Angeboten nicht erreicht. "Falls dem tatsaechlich so waere, dann muss die Werbung fuer solche Angebote verbessert werden. Ein Staat, der mit liberalen Abtreibungsgesetzen dazu beigetragen hat, dass der Wert eines Menschenlebens heute vielerorts nicht mehr gesehen wird, kann sich da nicht so billig aus der Verantwortung stehlen", so die ALfA-Bundesvorsitzende.
Union will Gesetz zur Ermoeglichung der vertraulichen Geburt einfuehren
Die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Baer kuendigte unterdessen in einer Pressemitteilung am 27. November an, dass ihre Fraktion ein Gesetz zur Ermoeglichung der vertraulichen Geburt einfuehren will. "Schwangere in Not koennen dann ihr Kind unter aerztlicher Begleitung auf die Welt bringen und in die Obhut einer Einrichtung geben, ohne dass es rechtliche Probleme gibt. Die Daten der Mutter sollen bei einer nicht-staatlichen Beratungsstelle hinterlassen werden. Dem Standesamt werden sie erst nach Ablauf einer ausreichenden und angemessenen Frist bekannt gegeben", erklaerte Baer. Damit werde man dem Schutz- und Geheimhaltungsbeduerfnis der Frauen, aber auch dem grossen psychologischen Beduerfnis eines Kindes nach Kenntnis der eigenen Abstammung gerecht. Dies sei fuer die gesunde Identitaetsentwicklung des Kindes von entscheidender Bedeutung.
"Wenn die Ergebnisse einer vom Familienministerium in Auftrag gegebenen Studie vorliegen, werden wir ueber die Zukunft von Babyklappen weiter nachdenken", so Baer. "Wir wollen die Situation von Schwangeren in Not umfassend und insgesamt verbessern. Die Stiftung Mutter und Kind wollen wir daher noch besser ausstatten", versprach die Unionsabgeordnete.
Quelle: Pressemitteilung vom 29.11.2009
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