Seite 1 von 1
Arztgehälter an Unikliniken steigen - zu Lasten der Pflege ?
Verfasst: 06.11.2011, 07:30
von Presse
Tarifeinigung an Unikliniken – Streik abgesagt
Berlin – Der für für Montag angekündigte bundesweite Streik der Ärzte an 23 Universitätskliniken ist abgewendet.
Der Marburger Bund und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) erzielten am Samstag bei ihren Tarifverhandlungen in Berlin einen Kompromiss, wie beide Seiten mitteilten.
Danach steigen die Gehälter der rund 20.000 Ärzte an Unikliniken um 3,6 Prozent. Für die Monate bis November gibt es eine Einmalzahlung von 350 Euro. ..... (mehr)
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... gesagt.htm
Einigung - kein Streik an Unikliniken
Verfasst: 06.11.2011, 11:06
von Presse
MB und TdL erzielen Einigung - kein Streik an Unikliniken
Berlin (ots) - In der Tarifauseinandersetzung zwischen dem Marburger Bund (MB) und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) haben beide Seiten heute Nachmittag eine Tarifeinigung erzielt. Die Große Tarifkommission des MB hat daraufhin beschlossen, die Vorbereitungen für einen Ärztestreik an den Universitätskliniken im Tarifbereich TdL auszusetzen. Die Mitglieder der Ärztegewerkschaft an den betroffenen Universitätskliniken wurden aufgerufen, ihre Planungen für Arbeitskampfmaßnahmen ab 7. November einzustellen.
Die Tarifeinigung sieht vor, dass die Gehälter der Uniklinik-Ärzte im Tarifbereich TdL ab 1. November 2011 um 3,6 Prozent erhöht werden. Weitere Eckpunkte: Für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 31. Oktober 2011 erhalten die Ärzte rückwirkend eine Einmalzahlung in Höhe von 350 Euro. Auch die Nachtdienste der Ärzte werden besser bezahlt: Für Vollarbeit in der Nacht erhalten die Ärzte ab 1. Januar 2012 pro Stunde einen Zeitzuschlag in Höhe von 20 Prozent anstelle des bisherigen Stundenzuschlages für Nachtarbeit von 1,28 Euro. Auch für nächtliche Bereitschaftsdienste wird ab 1. Januar 2012 ein Zeitzuschlag in Höhe von 20 Prozent je Stunde gezahlt. Außerdem werden ab 1. Januar 2012 die Ärztinnen und Ärzte im Justizvollzugsdienst der Länder in den Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgenommen. Die neue Tarifeinigung hat eine Mindestlaufzeit bis zum 28. Februar 2013.
Der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, sprach nach den Verhandlungen in Berlin von "einem vertretbaren Ergebnis". "Wir sind nicht in Jubelstimmung, können aber mit dem Erreichten leben", sagte Henke. Der MB-Vorsitzende hob hervor, dass es gelungen sei, das Tarifdiktat der Arbeitgeber zu durchbrechen. "Wir haben nicht alle Ziele erreicht, aber wichtige Wegmarken gesetzt. Ohne das große Engagement unserer Ärztinnen und Ärzte an den Unikliniken wäre die jetzt gefundene Lösung angesichts der Haltung der Arbeitgeber nicht möglich gewesen. Wir hätten es uns aber gewünscht, auch ohne Vorbereitungen auf einen Arbeitskampf zum Ziel zu kommen", so Henke.
Besonders wichtig sei es dem Marburger Bund gewesen, neben einer akzeptablen Gehaltserhöhung auch substanzielle Verbesserungen bei den Nachtdiensten zu erreichen. "Mit den Zeitzuschlägen in Höhe von 20 Prozent haben wir an den Unikliniken nun einen neuen Standard gesetzt. Diesen Weg werden wir auch in künftigen Tarifrunden konsequent weiter gehen", betonte Henke.
Quelle: Pressemitteilung vom 06.11.2011
Pressekontakt: Marburger Bund Bundesverband
Hans-Jörg Freese (Pressesprecher)
Mobil: 0162 2112425
Höhere Gehälter für die Ärzte - zu Lasten der Pflege
Verfasst: 06.11.2011, 14:02
von Taube
Presse hat geschrieben: ..... Die Tarifeinigung sieht vor, dass die Gehälter der Uniklinik-Ärzte im Tarifbereich TdL ab 1. November 2011 um 3,6 Prozent erhöht werden. Weitere Eckpunkte: Für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 31. Oktober 2011 erhalten die Ärzte rückwirkend eine Einmalzahlung in Höhe von 350 Euro. Auch die Nachtdienste der Ärzte werden besser bezahlt: Für Vollarbeit in der Nacht erhalten die Ärzte ab 1. Januar 2012 pro Stunde einen Zeitzuschlag in Höhe von 20 Prozent anstelle des bisherigen Stundenzuschlages für Nachtarbeit von 1,28 Euro. Auch für nächtliche Bereitschaftsdienste wird ab 1. Januar 2012 ein Zeitzuschlag in Höhe von 20 Prozent je Stunde gezahlt. Außerdem werden ab 1. Januar 2012 die Ärztinnen und Ärzte im Justizvollzugsdienst der Länder in den Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgenommen. Die neue Tarifeinigung hat eine Mindestlaufzeit bis zum 28. Februar 2013. ....
Wie schön für die Ärzte. Wieder einmal gibt es für diesen Berufsstand erhebliche Gehaltszuwächse. Und das alles geht, weil Budgetierung gilt, zu Lasten der anderen Berufe im Krankenhaus, vornehmlich zu Lasten der Pflege.
Das wird die Patientenversorgung mittels Pflege weiter deutlich verschlechtern. Anscheinend macht sich darüber niemand Gedanken.
Taube
Höhere Gehälter für die Ärzte - zu Lasten der Pflege
Verfasst: 07.11.2011, 09:32
von Gaby Modig
Taube hat geschrieben: .... Wie schön für die Ärzte. Wieder einmal gibt es für diesen Berufsstand erhebliche Gehaltszuwächse. Und das alles geht, weil Budgetierung gilt, zu Lasten der anderen Berufe im Krankenhaus, vornehmlich zu Lasten der Pflege.
Das wird die Patientenversorgung mittels Pflege weiter deutlich verschlechtern. Anscheinend macht sich darüber niemand Gedanken. ....
Höhere Gehälter für die Ärzte, bessere Arbeitsbedingungen ... alles toll. Nur, wo bleibt die Pflege mit ihren geringen Vergütungen und den miesen Arbeitsbedingungen? Die Pflege muss sich doch nun endlich mal zu Wort melden. D.h. die Berufsverbände bzw. ver.di sind gefordert!
Allerdings könnten sich auch einmal die "Ottos Normalverbraucher" äußern, denn die sind bei Krankheit und Pflege die Leidtragenden der schlechten Pflege-Rahmenbedingungen. Bei der Pflegereform ist ja nun auch kein großer Wurf zu erwarten. Seit heute wissen wir um die kläglichen Ergebnisse der Regierungskoalition.
Gaby
Pflege ist gefordert
Verfasst: 07.11.2011, 11:04
von Lutz Barth
Nun - das allgemeine Wehklagen hilft nun wahrlich nicht weiter. Dass die Professionellen sich darüber beschweren, dass eine andere Berufsgruppe es versteht, sich nachhaltig für Verbesserungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einzusetzen und ihre Ziele auch durchsetzen, ist geradezu abenteuerlich. Soll die Ärzteschaft etwa einen allgemeinen Verzicht erklären, mit der Bitte, die entgangenen Vorteile der Pflege zugute kommen zu lassen?
Mit Verlaub - so blauäugig kann doch keiner sein und ich denke, es liegt ausnahmlos an der Pflege, für bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Berufsstand einzutreten und ggf. zu kämpfen. Auf anderweitige Hilfe zu hoffen, dokumentiert vielmehr das Unvermögen einer Berufsgruppe, sich entsprechend zu organisieren und druckvoll auf den jeweiligen Verhandlungspartner einzuwirken.
Re: Pflege ist gefordert
Verfasst: 09.11.2011, 08:01
von Gaby Modig
Lutz Barth hat geschrieben: .... es liegt ausnahmlos an der Pflege, für bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Berufsstand einzutreten und ggf. zu kämpfen. Auf anderweitige Hilfe zu hoffen, dokumentiert vielmehr das Unvermögen einer Berufsgruppe, sich entsprechend zu organisieren und druckvoll auf den jeweiligen Verhandlungspartner einzuwirken. ...
Hallo Herr Barth,
mir ist aufgefallen, dass Sie wiederholt die Pflegekräfte für die schlechten Arbeitsbedingungen und Vergütungen selbst verantwortlich machen. Dies nach der Devise: wenn ihr euch nicht organisiert und selbst aufmuckt, dürft er euch auch nicht beklagen.
Richtig ist, dass die Pflege einen höheren Organisationsgrad haben sollte (damit meine ich nicht etwa die Pflegekammer). Ungeachtet dessen sind die verschiedenen Gesetzgeber und die Arbeitgeber in der Pflicht, die Rahmenbedingen zu setzen, die eine gute Pflege durch die MitarbeiterInnen gewährleisten. Dies unabhängig von dem Organisationsgrad der Pflegekräfte. Wir als Bürger haben ein Interesse an dieser guten Pflege und wollen sie garantiert wissen. Insoweit dürfen sich die Bürger an die Gesetzgeber und Arbeitgeber wenden. Die MitarbeiterInnen der Gesundheits- und Pflegeunternehmen sind da zunächst nicht selbst in der Pflicht.
MfG Gaby
Pflege ist selbst verantwortlich!
Verfasst: 09.11.2011, 09:43
von Lutz Barth
Verehrte Frau Modig,
ungeachtet der verschiedenen Diskussionsfelder kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Pflegeberufe selbst aufgerufen sind, für bessere Arbeitsbedingungen und ggf. für eine gerechte Entlohnung Sorge zu tragen, so wie es eben von allen anderen Berufsgruppen auch erwartet wird. Die Pflegende als Berufsgruppe genießen hier insoweit keine besonderen Privilegien, geschweige denn dürfen diese darauf hoffen, dass der Staat sich dazu aufschwingt, ggf. an der Basis für hinreichende Arbeitsbedingungen zu "streiten", sehen wir mal von der Sicherung eines wirtschaftlichen Existenzminimums in Gestalt eines Mindestlohnes ab. Die Professionellen sollten sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie eine ganz konkrete Dienstleistung im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbringen, auch wenn im Übrigen von den Pflegenden an hohes Maß an Barmherzigkeit eingefordert wird.
Hiervon strikt zu unterscheiden sind die "Bedingungen", die im Rahmen der Sozialversicherungssysteme ggf. durch den Gesetzgeber zu setzen sind. Hier könnte es in der Tat auch eine "Aufgabe" des Staatsvolkes sein, sich zumindest mit den Bedingungen einer "würdevollen Pflege" auseinanderzusetzen und ihre Vorstellungen dazu einzubringen. Ein diesbezüglich mangelndes Engagement mag man/frau beklagen und die Ursachen hierfür dürften vielfältig sein.
All dieses kann zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte erhoben werden, wenngleich aber die Pflegekräfte für ihre (!) Arbeitsbedingungen selbst Verantwortung zeichnen. Dass dies nicht unmöglich ist, dokumentieren Jahr für Jahr andere Gesundheitsberufe, nicht zuletzt in Tarifverhandlungen.
Jeder ist daher seines eigenen Glückes Schmied und sofern es der sozial mächtigen Gruppe der beruflich Pflegenden nicht gelingt, für ihre eigenen Arbeits- und Berufsbedingungen nachhaltig einzutreten, dann kann dies letztlich nur mit einem tiefen Seufzer quittiert werden und der kritischen Nachfrage, warum dies eigentlich so ist. Jedenfalls darauf zu hoffen, der Staat werde schon für materiale Gerechtigkeit in den zumeist privatrechtlichen Arbeitsverhältnissem der Pflegeberufe Sorge tragen, erscheint mir persönlich mehr als blauäugig zu sein, zumal auch das Arbeitsverhältnis der Pflegekräfte durch die alte Dichotomie von Kapital und Arbeit geprägt ist.
Ohne Frage dürfte die Bürgerinnen und der Bürger ein Interesse an einer guten Pflege haben; entscheidend hierbei ist allerdings auch, zu welchem Preis? Dass hierbei die Gehälter von Pflegekräften und deren Arbeitsbedingungen eher von sekundärer Bedeutung sein dürften, drängt sich zwar auf, spielt aber insofern keine Rolle, weil letztlich immer der "Preis" entscheidend ist, den dann diejenigen zu entrichten haben, die die Dienstleistung "Pflege" in Anspruch zu nehmen gedenken. Dass dieser Preis schon gegenwärtig einem Großteil der Bevölkerung zu hoch erscheint, muss zu gesondertem Nachdenken anregen und da nimmt es eben nicht wunder, wenn gerade im ambulanten und häuslichen Bereich auf die "Turboschwester" aus dem Ausland gesetzt wird. Die Rekurrierung von Pflegekräften aus dem Ausland mag man/frau für "unethisch", moralisch verwerflich oder sonst was halten - aber mit Verlaub: glauben die Professionellen wirklich, dass dies den privaten Haushalt ernsthaft interessiert?
Mit anderen Worten: Wenn dann irgendwann einmal die Professionellen sich über den Inhalt einer "würdevollen Pflege" verständigt haben, werden sich diese vorrangig darum bemühen müssen, den dann zu zahlenden Preis der Höhe nach in der Bevölkerung zu vertreten.
Vielleicht ist dies ein Grund dafür, warum die Professionellen sich mehr um die Inhalte einer Pflegereform bemühen und hierbei die ohne Frage unpopuläre Diskussion der Finanzierung vermeiden. Nun - dies alles mag so sein, wenngleich es doch zumindest mit Blick auf die eigenen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im ureigenen Interesse der Pflegekräfte liegen dürfte, sich entsprechend zu "organisieren", statt das hohe Lied der "Klage" über die erfolgreiche Arbeit anderer Gesundheitsberufe (u.a. der Ärzteschaft) anzustimmen.
Zugespitzt formuliert: es kann nicht die Aufgabe der Solidargemeinschaft und damit der einzelnen Bürgerinnen und Bürger sein, für das Unvermögen der Professionellen einzustehen, "nur" weil diese es nicht verstehen, für ihre (!) für auskömmlich gehaltenen Arbeitsbedingungen Sorge zu tragen.
Ob allein aus der Forderung "Pflegekräfte müssen pfleglich behandelt und entsprechend wertgeschätzt werden" das Staatsvolk sich dazu hinreißen lässt, ganz konkret für die materiellen Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte gleichsam einen "Generalstreik" auszurufen, halte ich persönlich nicht nur für illusorisch, sondern in Teilen auch ein wenig für vermessen. Pflegekräfte erbringen eine Dienstleistung und letztlich keine "Dienste transzendenter Art", die es rechtfertigen würden, einen besonderen "Rettungsschirm" über eine Berufsgruppe zu spannen, die bei aller Emanzipationsbestrebungen es offensichtlich verabsäumt, sich um ureigene Belange zu kümmern. Erneut pointiert formuliert: Von einer "Seligsprechung" sind neben der Ärzteschaft auch die Pflegekräfte weit entfernt und da könnte es Sinn machen, sich gelegentlich um die Wahrung eigener Belange zu kümmern, statt auf eine irgendwie geartete "Speisung der 5000" zu hoffen, bei der mit wenigen Leib Brot und einige Fischen eine Berufsgruppe von mehr als 1,2 Mio. Beschäftigte zufrieden gestellt wird.
Angemessen Pflegebedingungen schaffen
Verfasst: 09.11.2011, 09:58
von Gaby Modig
Hallo Herr Barth,
ich will nicht bestreiten, dass es gute Gründe dafür gibt, den Pflegenden einen höheren Organisationsgrad zu empfehlen. Ob sie sich organisieren und es welchen Gründen sie es ggf. unterlassen, mag dahin stehen.
Tatsache ist und bleibt, dass der Staat den gesetzlichen Rahmen dafür abzustecken hat, dass die von ihm selbt erwartete angemessene Pflege (entsprechend den pflegewissenschaftlichen Gründensätzen) auch ausgeführt werden kann. Dazu hat er insbesondere dafür einzutreten, dass die Träger, die vom Sozialsystem ihre Leistungen erhalten, über das ausreichende Personal verfügen werden und dann auch sonst verträgliche Arbeitsbedingungen gewährleisten. Das kann er per Gesetz vorschreiben und damit zum Gegenstand der Verträge machen.
Wenn es aber nun in diesem Bereich erklärtermaßen vielfältige Unzulänglichkeiten gibt, muss der Staat die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen nachbessern. Die MitarbeiterInenn in den Einrichtungen können doch nur den üblichen Vertrag zeichnen und müssen dann die gegebenen Bedingungen hinnehmen. Allenfalls können sie sich über eine Arbeitnehmervertretung, wenn es sie gibt, oder per Überlastungsanzeige zu Wort melden.
Jedenfalls eine irgendwie gearbeitete Pflicht der Pflegekräfte, selbst für angemessene Pflegebedingungen im System gestalterisch anzutreten, sehe ich nicht.
Der Staat, die Gesellschaft, die Arbeitgeber, die Sozialleistungsträger ... sind in erster Linie gefordert.
MfG Gaby
Per Gesetz vorschreiben...
Verfasst: 09.11.2011, 11:05
von Lutz Barth
Verehrte Frau Modig.
Der Gesetzgeber geht erkennbar davon aus, dass es wohl wünschenswert ist (wie im Übrigen stets), dass mehr finanzielle Mittel den Pflegenden resp. den Trägern zur Verfügung stehen, gleichwohl aber er den nunmehr abgesteckten Finanzrahmen bezogen auf die gegenwärtige Situation als angemessen erachtet. Die Finanzierung einer Maximalpflege ist weder beabsichtigt noch verfassungsrechtlich gefordert! Im Übrigen ist keine "Staatspflege" beabsichtigt!
Mein Einwand richtet sich primär gegen die "Forderung", der Staat habe dafür Sorge zu tragen, dass die Pflegekräfte über auskömmliche oder sonstige Arbeitsbedingungen verfügen. Dem ist mitnichten so und es bleibt der Berufsgruppe als Kollektiv überantwortet, hierfür zu "streiten". Gesetzt den Fall, Herr Lauterbach hat mit seiner Vision von einer Pleitewelle bei den Pflegeunternehmen recht, dann könnte der Träger letztlich auf die Idee verfallen, angesichts der bereits verauslagten Investitionen an anderer Stelle zu sparen. Wo meinen Sie, wäre dies wohl der Fall?
Vielleicht kommt es dann zu "Gehaltseinbußen", Verlängerung der Arbeitszeiten, Kürzung der Urlaubs- oder Weihnachtsgratifikationen und einiges mehr.
Und wer wäre dann nicht gefordert, wenn nicht die unmittelbar betroffene Belegschaft?
Der Gesetzgeber überlässt die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen weitestgehend dem "Spiel der freien Kräfte" und von daher kann jedenfalls m.E. die Frage nach der "Organisiertheit" der Pflegenden nicht ausgespart bleiben. Und natürlich haben Sie Recht mit Ihrer unausgesprochenen Annahme, dass die "Pflegekammern" ein solches nicht werden leisten können und vor allem dürfen. Auch diese werden den "Mangel" letztlich nur berufsständisch verwalten und immer mal wieder gebetsmühlenartig anprangern.
Andererseits verkenne ich nicht, dass der Staat es durchaus geschickt versteht, den Trägern das wirtschaftliche und personelle Risiko überzubürden, zumal in Kenntnis des Wirtschaftlichkeitsgebots.
In diesem Sinne rangt sich die Behebung des "Pflegenotstands" aus meiner Sicht tatsächlich um die schlichte Frage, wie viel eine zureichende, weil nicht existenzgefährdende, Pflege kosten darf (oder soll) und ob im Zweifel die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ein Mehr an Pflege (i.S. einer durchaus immer gewünschten, aber leider nicht realisierbaren Maximalversorgung) durch weitere Zuzahlungen zu ermöglichen.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger meinen, ihren Lebensabend in einem exklusiven Ambiente, in denen wir dann ohnehin nicht mehr vom Pflegepersonal sondern von Etagendamen sprechen, verbringen zu wollen, ist dies freilich nur möglich, wenn das hierfür zu zahlende Entgelt entrichtet wird. Diejenigen, die da meinen, einen etwas bescheideren Lebensabend verbringen zu wollen, in denen ihnen Kost und Logie und im Zweifel bei Bedarf Pflege zuteil werden soll, müssen dann ebenfalls davon überzeugt werden, dass der geforderte "Preis" angemessen ist.
Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber setzt auf das "Spiel der freien Kräfte", wohlwissend darum, dass auch die "Würde des Menschen" eben keine pflegerische Maximalversorgung oder eine nahezu beliebige Alimentierung der Pflegebranche gebietet. Der Staat wird eher geneigt sein, "das ethische Minimum" abzusichern, so dass weitergehende Forderungen zwar im politischen Raum diskutiert, aber angesichts der knappen Mittel wohl nicht realisiert werden.