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Rechtfertigt Mehrarbeit Vertragsaufstockung?
Verfasst: 01.02.2010, 13:20
von Hasilein
Guten Tag!
Ein Krankenpfleger ist mit 50% seit 5 Jahren in einem kirchlichen KH beschäftigt.
Seit ca. vier Jahren wird er regelmässig mit Mehrstunden geplant und springt regelmässig ein.
Nun möchte er seine wöchentliche Arbeitszeit von 20h auf 30h erhöhen.
Der Betriebsrat unterstützt das und der Stellenplan würde diese Stunden auch hergeben.
Es gab bereits eine Anfrage beim AG, dieser zögert eine Antwort hinaus, indessen wird der Kollege weiterhin immer wieder geholt. Der AG hat vermutlich bedenken, da der Kollege nicht mehr so jung ist (50 Jahre), aber stabil mit unterdurchschnittlichem Krankenstand.
Der Betriebsrat hat dem Kollegen zu einem schriftlichen Antrag geraten, möchte aber gerne wissen, wie die Aussichten sind.
Jemand hatte vor längerer Zeit von einem Fall gelesen, da eine Putzhilfe ebenfalls regelmässig (damals 2 Jahre) Mehrarbeit geleistet hat und das Arbeitsgericht hat einer Höherstufung der Arbeitszeit zugestimmt.
Der Kollege strebt eine Höherstufung in der Arbeitszeit an, weil er (eben nicht mehr ganz jung) an im Bedarfsfall zu beanspruchende Lohnersatzleistungen denkt, an seine Rente und seine Freizeitgestaltung, den Urlaubsanspruch.
Kann hier jemand helfen?
Danke und Gruss
Hasi
Verfasst: 01.02.2010, 13:58
von thorstein
Wenn der Stellenplan es hergibt, arbeitet diese Station mit einer Unterbesetzung, und das schon längere Zeit. Es müsste also zunächst einmal gefragt werden, warum der Betriebsrat(in einem kirchlichen KH??) das zulässt.
Dann wird hier nicht deutlich, was mit den Mehrarbeitsstunden des Mitarbeiters geschieht. Läßt er sie sich ausbezahlen?
Vertragsaufstockung beantragen
Verfasst: 01.02.2010, 14:17
von Rob Hüser
Hallo,
wenn ich das richtig sehe, wäre eine Vertragsaufstockung durchaus möglich und sinnvoll. Dies sollte aber von dem entsprechenden Mitarbeiter auch beantragt werden. Solange er sich - ohne vertragliche Veränderung - anstandslos zu Mehrarbeit heranziehen lässt, wird der Arbeitsgeber nichts korrigieren wollen. Aus Arbeitgebersicht ist das jetzige Verfahren o.k.
Ob der Antrag auf Vertragsaufstockung Erfolg haben wird, bestimmt sich nach den Einzelumständen und kann nicht vorhergesagt werden. Ich kann auch nicht erkennen, dass hier unter den gegebenen Umständen ein Arbeitgericht Wesentliches mit beitragen könnte.
MfG Rob
Verfasst: 01.02.2010, 15:02
von Hasilein
Rob:
Der Kollege hat vor zwei Jahren zum ersten Mal angefragt und wurde mit einem unverbindlichen "mal sehen ..." nach Hause geschickt.
Die Frage wegen des Arbeitsgericht wurde deswegen gestellt, weil die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, dass der Arbeitgeber diesen Zustand zu seinen Gunsten so lange als möglich beibehalten will, um seinen Nutzen daraus zu ziehen. Wenn es eine rechtliche Grundläge gäbe, wäre der Kollege auch bereit, dies gerichtlich prüfen zu lassen.
Dieser Arbeitgeber rückt freiwillig nichts raus.
Thorstein:
Ja, es wird schon lange mit Unterbesetzung gearbeitet, bzw. dieser Kollege springt die fehlenden Dienste ein.
Entschuldige, es handelt sich natürlich um eine MAV, mein Fehler.
Diese wissen um die Umstände, sind jedoch machtlos. Anfragen beim AG werden lapidar mit "der Markt ist leergefegt" o.ä. beantwortet.
Im letzten Jahr hat etliches an Pflegepersonal gekündigt, Neueinstellungen gingen in der Probezeit und Schüler haben die Einrichtung verlassen und sich einen neuen Ausbildungsbetrieb gesucht.
Der Kollege lässt sich natürlich ausnutzen, aber er braucht das Geld und ja, er lässt sich die Mehrarbeit auszahlen und das wird er vermutlich weiter tun, weil er eben das Geld braucht.
Jetzt könnte man natürlich sagen, selber Schuld! Aber der Arbeitgeber verhält sich doch richtig Sch....!
Als er anfing, war nur die 50% Stelle vakant und es gibt wirklich keine vernünftige Erklärung für das Hinhalten.
Soll er seinen Antrag begründen oder einfach nur die Aufstockung beantragen?
Und wäre das eine Änderungskündigung oder bliebe der Arbeitsvertrag ansonsten unverändert?
Gruss
Hasi
Arbeitnehmervertretung sollte sich einblenden
Verfasst: 01.02.2010, 17:37
von Rob Hüser
Hallo,
wenn es eine Unterbesetzung gibt, müssten eigentlich die Vollzeitkräfte mit Überlastungsanzeigen reagieren.
Wenn sich aber jemand - teilzeitbeschäftigt - ständig für Mehrarbeit, freiwillig, zur Verfügung gestellt, Lücken schließen hilft, ergibt sich für den Arbeitgeber eigentlich kein Handlungsgebot.
Der Arbeitnehmer, der aufstocken will, müsste sagen, was er will und auch erklären, dass er die bisherige Mehrarbeit "auf Zuruf" nicht mehr erledigen werde.
Das birgt Risiken in sich. Die können aber m.E. nicht ausgeschlossen werden. Für einen arbeitsgerichtlichen Streit sehe ich eigentlich keine Basis. Vielleicht sollte sich die Arbeitnehmervertretung einmal einblenden. Dafür ist sie gewählt
MfG Rob
Verfasst: 01.02.2010, 19:39
von thorstein
Zitat:
http://www.bwr-media.de/themen/lohn-geh ... ziehen.php
Vorsicht: Leistet eine bestimmte Teilzeitkraft sehr viele Überstunden ab, müssen Sie vorsichtig sein. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm (Urteil vom 4. 5. 2006, AZ: 8 Sa 2046/05) kann das zu einer Änderung des Arbeitsvertrags führen. Im Streitfall sah der Arbeitsvertrag einer Arbeitnehmerin eigentlich nur 28,5 Stunden pro Woche vor. Tatsächlich arbeitete diese aber über Jahre hinweg erheblich mehr, nämlich im Umfang einer Vollzeitkraft. Als die Arbeitgeberin sie schließlich wieder 28,5 Stunden pro Woche beschäftigte, zog die Mitarbeiterin vor Gericht. Sie verlangte sowohl weiterhin die Bezahlung als auch die Beschäftigung einer Vollzeitkraft. Das LAG gab ihr Recht mit folgender Begründung:
* Wird ständig und über längere Zeit eine bestimmte erhöhte Arbeitszeit vom Arbeitgeber abgerufen und vom Mitarbeiter geleistet, sind das keine Überstunden mehr. Es handelt sich vielmehr um die tatsächlich geschuldete vertragliche Leistung.
* Maßgeblich ist dann nicht der Text im Arbeitsvertrag, sondern der wirkliche Willen der Parteien, der im „gelebten“ Rechtsverhältnis zum Ausdruck kommt.
* Daher muss hier von einer stillschweigenden Neuregelung des Arbeitsvertrags ausgegangen werden. Der Umfang der stillschweigend vereinbarten Arbeitszeit ergibt sich aus den praktizierten Arbeitszeiten der vergangenen Jahre.
Falls dieser Zustand hier auch schon über Jahre besteht und die Mehrarbeit auch regelmäßig ausbezahlt wurde, sehe ich also durchaus Chancen. Aufgrund der widersprüchlichen Argumentation vermute ich aber, dass die ablehnende Haltung des AG in der Person selbst zu suchen ist.
Mehrarbeit und die Arbeitszeit
Verfasst: 02.02.2010, 09:37
von Rob Hüser
Hallo,
gute Hinweise von thorstein. Siehe auch in diesem Forum unter
viewtopic.php?t=12101&highlight=mehrarbeit
MfG Rob