Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Frage:
Es gibt erhebliche Probleme mit einer Kollegin. Sie ist schon seit längerer Zeit psychisch auffällig, affektlabil, unangemessener Tonfall im Umgang mit Kollegen und Patienten. Beschwerden von Patienten konnten nicht nachgegangen werden, da diese eine Intervention nicht wünschten, aus Furcht vor Repressalien.
Dies ist den Vorgesetzten und der Geschäftsführung schon lange bekannt - mehrere Jahre.
Es haben Gespräche stattgefunden, Aktennotizen in ihre Personalakte, im Laufe der Jahre verschiedentliche Abmahnungen.
Die Kollegin wurde vor zwei Wochen vom Dienst heimgeschickt. Sie war außer sich, nur laut am Weinen, voller Wut über ihre empfundenen Ungerechtigkeiten.
Diese Situation gab es schon mehrmals und dieses Mal war es sehr schlimm und das Team hoffte schon, dass sie sich nun endlich Hilfe sucht, ich habe ihr angeboten mit in eine Klinik zu fahren ... nun will sie die kommende Woche wieder in den Dienst kommen und - ich hasse diesen Satz eigentlich - das Team ist nicht bereit das weiter so zu tragen ... der nächste Konflikt ist vorprogrammiert. Es herrscht im Team vorwiegend Ärger, aber auch Verständnis und ein starke Unbehagen.
Der Chef sagt nun, er bräuchte wenigstens zwei Leute, die dazu stehen nicht mehr mit dieser Kollegin arbeiten zu wollen und nun sind einige am Überlegen, ob "man" nicht einen Brief schreiben sollte und den Chef zu bitten, auf die Kollegin einzuwirken, damit sie sich helfen lässt.
Es herrscht der allgemeine Vorsatz, dass das Team eine längere Fehlzeit der Kollegin mittragen würde, wenn sie sich adäquate Hilfe sucht.
In den vergangenen Zwei Wochen hat sie ihre Erledigungen abgearbeitet und macht nun so weiter ...
Im Frühjahr war sie vier Wochen krankgeschrieben und hat vor den Augen der Kollegen einen Umzug mit Kistenschleppen und Möbeltragen abgewickelt.
Der Chef sagt, ohne diese Aussagen könnte er gar nichts tun, außer sie zum Betriebsarzt schicken.
Dem wird sie sagen dass alles ok ist und es beginnt von vorne.
Meine Meinung ist auch, dass diese Kollegin Hilfe braucht, vor zwei Wochen hatte ich Sorge, sie könnte sich was antun.
Aber ich weigere mich, einen Brief zu unterschreiben und der Chef versteckt sich hinter dem Rücken der Mitarbeiter, obwohl er dieses Geschehen seit wenigstens vier Jahren kennt.
Hat der Arbeitgeber nicht eine Sorgfaltspflicht auf der einen Seite natürlich für die angeschlagene Kollegin und andererseits für die restliche Mitarbeiterschaft?
Wie kann man der Kollegin helfen, ohne sie wie im Mittelalter anzuprangern?
Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Moderator: WernerSchell
Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
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Sorgfaltsgebot & Fürsorgepflicht
Sehr geehrte Fragestellerin (Hasilein),
die beschriebene Situation kann hier wahrscheinlich nur unvollkommen beurteilt werden. Dennoch sehe ich auch eine Pflicht der verantwortlichen Führungskräfte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die mutmaßlichen Gesundheitsstörungen der genannten Mitarbeiterin abklären zu lassen, um dann Therapie und Rehabilitation in Gang zu bringen. Da kann der Betriebsarzt der erste Ansprechpartner mit entsprechendem medizinischen Sachverstand sein.
Wenn aufgrund der aktuellen Situation seitens der Führungskräfte nichts veranlasst wird, sollten einige Mitarbeiterinnen in Sorge um die Kollegin, aber auch zu ihrem eigenen Schutz, einen Brief an den Arbeitgeber richten und die Situation beschreiben. Der Arbeitgeber muss m.E. handeln, weil er eine umfassende Fürsorgepflicht für alle Beteiligten hat. Natürlich geht es auch darum, sorgfältiges Arbeiten zu gewährleisten. Denn letztlich geht es um die gute Versorgung der Patienten bzw. den Ausschluss von Gefährdungen.
U.U. macht es Sinn, vor Ort eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Möglicherweise ist jemand aus der Belegschaft in einem Verband oder einer Gewerkschaft organisiert und kann Unterstützung geltend machen. Auch eine Rechtsschutzversicherung mit Arbeitsrechtsschutz bzw. Beratungsschutz kann nützlich sein. Es kann auch darüber nachgedacht werden, ob hier das Arbeitsschutzgesetz mit Blick auf den Gesundheitsschutz relevant sein kann.
Viele Grüße
Werner Schell
+++
Buchtipp!
Ralf Pieper:
ArbSchR – Arbeitsschutzrecht
Kommentar für die Praxis
5. Auflage

Näheres hier:
http://www.wernerschell.de/Buchtipps/ar ... zrecht.php
die beschriebene Situation kann hier wahrscheinlich nur unvollkommen beurteilt werden. Dennoch sehe ich auch eine Pflicht der verantwortlichen Führungskräfte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die mutmaßlichen Gesundheitsstörungen der genannten Mitarbeiterin abklären zu lassen, um dann Therapie und Rehabilitation in Gang zu bringen. Da kann der Betriebsarzt der erste Ansprechpartner mit entsprechendem medizinischen Sachverstand sein.
Wenn aufgrund der aktuellen Situation seitens der Führungskräfte nichts veranlasst wird, sollten einige Mitarbeiterinnen in Sorge um die Kollegin, aber auch zu ihrem eigenen Schutz, einen Brief an den Arbeitgeber richten und die Situation beschreiben. Der Arbeitgeber muss m.E. handeln, weil er eine umfassende Fürsorgepflicht für alle Beteiligten hat. Natürlich geht es auch darum, sorgfältiges Arbeiten zu gewährleisten. Denn letztlich geht es um die gute Versorgung der Patienten bzw. den Ausschluss von Gefährdungen.
U.U. macht es Sinn, vor Ort eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Möglicherweise ist jemand aus der Belegschaft in einem Verband oder einer Gewerkschaft organisiert und kann Unterstützung geltend machen. Auch eine Rechtsschutzversicherung mit Arbeitsrechtsschutz bzw. Beratungsschutz kann nützlich sein. Es kann auch darüber nachgedacht werden, ob hier das Arbeitsschutzgesetz mit Blick auf den Gesundheitsschutz relevant sein kann.
Viele Grüße
Werner Schell
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5. Auflage

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Re: Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Danke für die schnelle Antwort.
Heute soll im Team nach der Übergabe mit dem Chef eindrücklich gesprochen werden.
Es fehlt im Grunde nicht an Kollegen mit Zivilcourage, aber die meisten Kollegen wünschen sich den Schutz des Arbeitgebers für ihre "Aussage".
Es gab vor einigen Jahren mal eine Aktion der Vorgesetzten: Was ich meinem Kollegen schon immer mal sagen wollte.
Es wurde Schutz, Anonymität zugesichert. Vorrausetzung war, die Äußerungen sollten nicht beleidigend formuliert sein.
Die eingereichten Fragen wurden in einer Teamsitzung geöffnet und besprochen. Die Fragesteller waren nur der Leitung bekannt.
Die Besprechung der gestellten Fragen geriet außer Kontrolle, die Namen der Fragesteller wurden letztendlich von der Leitung preisgegeben.
Damals waren es zwei Leitungen. Eine der beiden ist der heutige alleinige Chef.
Hiermit erklärt sich evt. die Zurückhaltung einen Brief zu unterschreiben und der Chef sagt nachher, tja deine Kollegen wollen nicht mehr mit dir arbeiten, liebe Tusnelda, sie haben alle unterschrieben ... dann ist die Kacke am Dampfen und dieser Brand kann doch im Leben nicht mehr konstruktiv gelöscht werden.
Der Chef hat kein Rückrad und lässt seinen Teil der Arbeit einfach schmerzlich vermissen.
Die vorliegende Antwort werde ich mir kopieren und ausdrucken.
Nochmals vielen Dank.
Heute soll im Team nach der Übergabe mit dem Chef eindrücklich gesprochen werden.
Es fehlt im Grunde nicht an Kollegen mit Zivilcourage, aber die meisten Kollegen wünschen sich den Schutz des Arbeitgebers für ihre "Aussage".
Es gab vor einigen Jahren mal eine Aktion der Vorgesetzten: Was ich meinem Kollegen schon immer mal sagen wollte.
Es wurde Schutz, Anonymität zugesichert. Vorrausetzung war, die Äußerungen sollten nicht beleidigend formuliert sein.
Die eingereichten Fragen wurden in einer Teamsitzung geöffnet und besprochen. Die Fragesteller waren nur der Leitung bekannt.
Die Besprechung der gestellten Fragen geriet außer Kontrolle, die Namen der Fragesteller wurden letztendlich von der Leitung preisgegeben.
Damals waren es zwei Leitungen. Eine der beiden ist der heutige alleinige Chef.
Hiermit erklärt sich evt. die Zurückhaltung einen Brief zu unterschreiben und der Chef sagt nachher, tja deine Kollegen wollen nicht mehr mit dir arbeiten, liebe Tusnelda, sie haben alle unterschrieben ... dann ist die Kacke am Dampfen und dieser Brand kann doch im Leben nicht mehr konstruktiv gelöscht werden.
Der Chef hat kein Rückrad und lässt seinen Teil der Arbeit einfach schmerzlich vermissen.
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Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Sehr geehrte Fragestellerin (Hasilein),
wenn die Führung kein "Rückgrat" hat und Probleme aussitzen will, ist das nicht gut. Ich denke aber, dass man in aller Vorsicht und mit geeigneten Hinweisen auf denkbare ungute Entwicklungen in der Einrichtung voran kommen müsste.
Wenn der Arbeitgebervertreter sich zurück hält, muss im Zweifel die Zivilcourage der Arbeitnehmerseite überwiegen. Alles mit Bedacht und vorsichtig in der Argumentation.
Viele Grüße
Werner Schell
wenn die Führung kein "Rückgrat" hat und Probleme aussitzen will, ist das nicht gut. Ich denke aber, dass man in aller Vorsicht und mit geeigneten Hinweisen auf denkbare ungute Entwicklungen in der Einrichtung voran kommen müsste.
Wenn der Arbeitgebervertreter sich zurück hält, muss im Zweifel die Zivilcourage der Arbeitnehmerseite überwiegen. Alles mit Bedacht und vorsichtig in der Argumentation.
Viele Grüße
Werner Schell
Re: Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Das Thema wurde heute mittag mit Chef besprochen.
Er bekräftigte, dass ein aktives Mitwirken des Pflegeteams mittels eines offenen Briefes ihm als Chef "helfen" würde, unser Anliegen (???) bei der Geschäftsführung ein offenes Ohr finden und seine eigene Position argumentativ stärken würden, da er nun mal nicht aktiv werden könnte ohne einen solchen Auftrag.
Ich habe das Gefühl, dass das Team in der Tat ein Verbleiben der Kollegin "mittragen" würden für den Fall, dass sie sich helfen lässt.
Wir sind jetzt so verblieben, dass dieser Brief geschrieben werden soll. Möglichst von mehrern Kollegen gemeinsam, dann dem Team vorgestellt und zur Unterschrift bereitgelegt.
Ob ich unterschreibe, weiss ich noch nicht. Wenn sie die Unterschriften sieht - ich weiss nicht was dann passiert.
Ich war schon so oft im Leben mutig und habe mir in vielen Jahren als Mitarbeitervertretung blutige Nasen geholt - sinnbildlich!
Momentan würde ich eher zur Enthaltung neigen.
Er bekräftigte, dass ein aktives Mitwirken des Pflegeteams mittels eines offenen Briefes ihm als Chef "helfen" würde, unser Anliegen (???) bei der Geschäftsführung ein offenes Ohr finden und seine eigene Position argumentativ stärken würden, da er nun mal nicht aktiv werden könnte ohne einen solchen Auftrag.
Ich habe das Gefühl, dass das Team in der Tat ein Verbleiben der Kollegin "mittragen" würden für den Fall, dass sie sich helfen lässt.
Wir sind jetzt so verblieben, dass dieser Brief geschrieben werden soll. Möglichst von mehrern Kollegen gemeinsam, dann dem Team vorgestellt und zur Unterschrift bereitgelegt.
Ob ich unterschreibe, weiss ich noch nicht. Wenn sie die Unterschriften sieht - ich weiss nicht was dann passiert.
Ich war schon so oft im Leben mutig und habe mir in vielen Jahren als Mitarbeitervertretung blutige Nasen geholt - sinnbildlich!
Momentan würde ich eher zur Enthaltung neigen.

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Schweigepflicht des Arbeitgebers & Sorgfaltsgebot
Man kann im Zweifel auch einen Brief verfassen mit der Schlussformel:
Namens und im Auftrag zahlreicher Kolleginnen und Kollegen
... und jetzt zeichnen alle, die ihren Namen hergeben wollen ...
Namens und im Auftrag zahlreicher Kolleginnen und Kollegen
... und jetzt zeichnen alle, die ihren Namen hergeben wollen ...