Fristlose Kündigung - Diebstahl "geringwertiger" Sachen
Die Klägerin ist seit 1990 in dem Warenhaus der Beklagten als Verkäuferin tätig. Am 11. Januar 2002 war sie mit Aufräumarbeiten in der Spirituosenabteilung beschäftigt. Noch vor der Öffnung des Betriebs brachte sie eine Tragetasche mit 62 Minifläschchen Alkoholika und zwei angebrochenen Rollen Küchenpapier in die Telefonzentrale des Betriebs. Dabei handelte es sich um abgeschriebene Waren. Die von einer anderen Arbeitnehmerin informierte Teamleiterin untersuchte die Tasche gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden, wartete jedoch das weitere Verhalten der Klägerin ab. Als diese zum Schichtende den Betrieb mit der gefüllten Tasche verlassen wollte, wurde sie mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Die Flaschen und das Küchenpapier seien zur Entsorgung vorgesehen gewesen. Wegen eines bevorstehenden Betriebsleiterwechsels habe sie den Verkaufsbereich in einen tadellosen Zustand versetzen wollen. Ihr sei damals nicht bewußt gewesen, daß sie zur Mitnahme abgeschriebener Ware um Erlaubnis hätte nachsuchen müssen. Die Beklagte macht geltend, unverkäufliche Ware werde, wenn sie noch brauchbar oder genußfähig sei, gemeinnützigen karitativen Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder für Betriebsfeste verwendet. Das Küchenpapier hätte noch für weitere Reinigungsarbeiten im Betrieb verwendet werden können. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
Die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist nicht nur - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - "unter Umständen", sondern stets als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet. Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, kann zur Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung führen. Die Entscheidung, zu welchem Zweck abgeschriebene Ware noch verwendet werden kann, ist Sache des Betriebsinhabers. Selbst wenn er grundsätzlich bereit ist, derartige Waren an die Betriebsangehörigen zu verschenken, handeln diese grob vertragswidrig, wenn sie sie ohne Genehmigung einfach wegnehmen. Ein Arbeitnehmer in einem Warenhausbetrieb muß normalerweise davon ausgehen, daß er mit einem (versuchten) Diebstahl oder einer Unterschlagung auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Eine Abmahnung ist bei derartigen Pflichtverstößen regelmäßig nicht erforderlich. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden, damit eine diese Grundsätze berücksichtigende Interessenabwägung nachgeholt werden kann.
BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13. März 2002 - 14 Sa 1731/01 -
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2004
Diebstahl "geringwertiger" Sachen
Moderator: WernerSchell
Diebstahl "geringwertiger" Sachen
Der Diebstahl geringwertiger Sachen am Arbeitsplatz rechtfertigt nicht immer eine Kündigung des Arbeitnehmers
Das geht aus einem am 22.8.2005 bekannt gewordenen Urteil des Frankfurter Arbeitsgerichts mit dem Aktenzeichen 18 Ca 1687/05 hervor. Das Arbeitsgericht gab damit der Klage einer Fleischverkäuferin gegen eine Supermarktkette statt und erklärte sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung der Frau für gegenstandslos. Die Arbeitnehmerin hatte sich in der Mittagspause Weintrauben genommen und davon rund 120 Gramm gegessen, ohne sie zuvor an der Kasse bezahlt zu haben. Eine Kollegin beobachtete sie beim Verzehr der Früchte und informierte die Geschäftsleitung, die die beiden Kündigungen aussprach.
Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt ist das ausdrücklich verbotene Verspeisen unbezahlter Lebensmittel zwar ein "schwerer Vertragsverstoß", in Anbetracht der rund 17-jährigen beanstandungsfreien Beschäftigung und des vorangeschrittenen Alters der Arbeitnehmerin von 56 Jahren müsse die notwendige Interessenabwägung zu deren Gunsten ausgehen. Darüber hinaus habe die Klägerin als Witwe für zwei Kinder Unterhaltsverpflichtungen.
Das geht aus einem am 22.8.2005 bekannt gewordenen Urteil des Frankfurter Arbeitsgerichts mit dem Aktenzeichen 18 Ca 1687/05 hervor. Das Arbeitsgericht gab damit der Klage einer Fleischverkäuferin gegen eine Supermarktkette statt und erklärte sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung der Frau für gegenstandslos. Die Arbeitnehmerin hatte sich in der Mittagspause Weintrauben genommen und davon rund 120 Gramm gegessen, ohne sie zuvor an der Kasse bezahlt zu haben. Eine Kollegin beobachtete sie beim Verzehr der Früchte und informierte die Geschäftsleitung, die die beiden Kündigungen aussprach.
Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt ist das ausdrücklich verbotene Verspeisen unbezahlter Lebensmittel zwar ein "schwerer Vertragsverstoß", in Anbetracht der rund 17-jährigen beanstandungsfreien Beschäftigung und des vorangeschrittenen Alters der Arbeitnehmerin von 56 Jahren müsse die notwendige Interessenabwägung zu deren Gunsten ausgehen. Darüber hinaus habe die Klägerin als Witwe für zwei Kinder Unterhaltsverpflichtungen.
Einnahme von übrig gebliebenem Essen zulässig?
In Einrichtungen des Gesundheitswesens ist es nicht selten üblich, dass Mitarbeiter übrig gebliebene Mahlzeiten, die an sich für die Patienten / Pflegebedürftigen bestimmt waren, einnehmen (z.B. geschlossen verpackte Nachtische). Dies wird - zumindest teilweise - vom Arbeitgeber gebilligt / toleriert.
Man muss allerdings aufpassen: Schnell kann eine solche Essenseinnahme auch als Diebstahl eingeordnet werden. Nach den vorgestellten Entscheidungen wäre dann eine Kündigung möglich. Grund genug, die Praktiken der beschriebenen Essenseinnahme zu problematisieren. d.h. konkret genehmigen zu lassen.
L.H.
Man muss allerdings aufpassen: Schnell kann eine solche Essenseinnahme auch als Diebstahl eingeordnet werden. Nach den vorgestellten Entscheidungen wäre dann eine Kündigung möglich. Grund genug, die Praktiken der beschriebenen Essenseinnahme zu problematisieren. d.h. konkret genehmigen zu lassen.
L.H.
Einnahme von übrig gebliebenem Essen - bitte nicht!
Guten Morgen allerseits,L.H. hat geschrieben:In Einrichtungen des Gesundheitswesens ist es nicht selten üblich, dass Mitarbeiter übrig gebliebene Mahlzeiten, die an sich für die Patienten / Pflegebedürftigen bestimmt waren, einnehmen (z.B. geschlossen verpackte Nachtische). Dies wird - zumindest teilweise - vom Arbeitgeber gebilligt / toleriert.
ich denke, dass solche Praktiken abgestellt gehören. Welchen Eindruck sollen denn die Patienten davon bekommen, wenn sie ggf. beobachten, dass Personal von dem übrig gebliebenen Essen profitiert?
Hochachtungsvoll
Marie-Luise Dehnhardt