Schädel-Hirn-Verletzung - Die Sorge um die Versorgung

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Antworten
Presse
phpBB God
Beiträge: 14249
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Schädel-Hirn-Verletzung - Die Sorge um die Versorgung

Beitrag von Presse » 05.02.2014, 12:15

Schädel-Hirn-Verletzung - Die Sorge um die Versorgung

270.000 Deutsche erleiden jedes Jahr eine Schädel-Hirn-Verletzung, meist durch Stürze oder Verkehrsunfälle. Jüngstes prominentestes Beispiel: Michael Schumacher. Während sich der ehemalige Formel-1-Profi und seine Familie keine Sorgen um eine optimale medizinische Versorgung machen müssen, sieht die Realität für Menschen in Nordrhein- Westfalen vielfach anders aus.

Nümbrecht. Gerade Kopfverletzungen, meist durch Unfälle oder Stürze verursacht, können gravierende Folgen für die Betroffenen haben. Blutergüsse und Schwellungen, die im Gehirn durch diese äußere Gewalteinwirkung entstehen, sorgen über einen Druckanstieg für Quetschungen und Durchblutungsstörungen. Ist das Gewebe zu lange unterversorgt, stellt es seine Funktion ein – bestimmte Denk und Sprachfunktionen, die Koordination von Bewegung und Gleichgewicht können erheblich beeinträchtigt sein.
Um bleibende Schäden so gering wie möglich zu halten, ist eine optimale medizinische Versorgung vom Unfallort über die Intensivstation bis hin zur Rehabilitation entscheidend. Während im Krankenhaus Notfall- wie Intensivmediziner, Neurologen und Neurochirurgen Hand in Hand arbeiten, um den Patienten zu stabilisieren, ist der frühzeitige Beginn der neurologischen Frührehabilitation entscheidend, um beeinträchtigte Fähigkeiten wiederherzustellen und bleibende Schäden zu vermeiden.

Wieder schlucken und atmen
Es sind dabei ganz basale Funktionen, die in der neurologischen Frührehabilitation zunächst trainiert werden müssen. Lag der Patient beispielsweise länger im Koma, kann es sein, dass sich seine Muskulatur soweit zurückgebildet hat, dass er nicht mehr selbstständig schlucken und atmen kann. Physiotherapeuten und Logopäden arbeiten frühstmöglich nach dem Trauma mit ihm daran, die Muskulatur wieder aufzubauen. Spricht der Patient gut auf die Therapie an, kommen in einer späteren Phase Behandlungen wie die Spiegeltherapie zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe können bestimmte Areale im Gehirn darauf trainiert werden, Aufgaben von beeinträchtigten Hirnregionen mit zu übernehmen. Bewegungs- und Empfindungsstörungen können so weiter kompensiert werden. Das alles braucht Zeit, manchmal bis zu zwei Jahren.

Behandlung in NRW nicht gesichert
Es ist gerade diese Phase der Behandlung, die in Nordrhein-Westfalen nicht für alle Patienten gesichert ist, sagen führende Experten auf dem Gebiet der Schädel-Hirntrauma-Patienten. Während die intensivmedizinische Erstversorgung von sogenannten Polytraumata mit Hirnverletzungen als vorbildlich in Nordrhein-Westfalen bezeichnet werden kann, gibt es danach erhebliche Probleme in NRW ein Bett zur Frührehabilitation zu bekommen. Rund 700 Betten fehlen in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland laut einer Studie, die die Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation Nordrhein-Westfalen (LAG) 2012 in Auftrag gegeben hatte. „Die notwendige medizinische Versorgung von neurologisch schwerstbetroffenen Patienten zum Beispiel nach einem Schädel-Hirn-Trauma ist in NRW nicht sichergestellt“, beschreibt Dr. Markus Ebke, Chefarzt der neurologischen Abteilung der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik und Gründungsmitglied der LAG, seine Einschätzung der Lage. „In NRW kommt auf 55.000 Einwohner gerade mal ein neurologisches Frührehabett. In Thüringen ist es ein Bett pro 12.000 Einwohner. Damit bilden wir das absolute Schlusslicht im Ländervergleich. Hier muss in nächster Zeit dringend etwas passieren.“

Hinweis auf Zwei-Klassen-Medizin
Besonders schwierig sei die Versorgungssituation für Patienten, die sich ein Schädel-Hirn-Trauma während der Freizeit zuzögen, etwa beim Ski- oder Fahrradfahren. Diese müssten in der Regel verstärkt um ihre optimale Versorgung kämpfen, wohingegen die Berufsgenossenschaften, welche Kostenträger bei Berufsunfällen sind, die Behandlung für ihre Patienten optimal organisierten. Es ist nicht nur dieser Hinweis auf eine Zwei-Klassen-Medizin, der Dr. Markus Ebke dringenden Handlungsbedarf erkennen lässt: „Uns liegen Studien vor, die belegen, dass in Nordrhein-Westfalen 47% der schwerstbetroffenen neurologischen Patienten ohne weiterführende Reha direkt in eine Pflegeversorgung, zumeist ein Pflegeheim gehen. Das ist, wie mir auch ein Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung bestätigte, eine ungewöhnlich hohe Zahl im Ländervergleich. In der neurologischen Frührehalandschaft in NRW muss sich also dringend etwas tun.“

Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation Nordrhein-Westfalen
Die Landesarbeitsgemeinschaft Neurorehabilitation Nordrhein-Westfalen (LAG) hat sich im Juli 2012 gegründet. Die Initiative, die sich aus Klinikbetreibern, neurochirurgisch-neurologische Chefärzten und weiteren Vertretern der Gesundheitsbranche aus Nordrhein-Westfalen zusammensetzt, will in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Minderversorgung in NRW von Patienten mit schweren Hirnschädigungen schaffen. Dafür hatte sie 2012 ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass für NRW 700 fehlende Betten in der neurologischen Frührehabilitation konstatiert. Mehr Informationen unter: http://neuroreha-nrw.de/

------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Quelle: Mitteilung vom 05.02.2014
Rebecca Jung
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Becker Klinikgesellschaft mbH & Co. KG

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25268
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Bessere Versorgung für schwerstbetroffene Patienten in NRW

Beitrag von WernerSchell » 15.04.2016, 06:53

Bessere Versorgung für schwerstbetroffene Patienten in NRW

Gute Nachrichten für Schwerst-Schädel-Hirnverletzte in NRW:

Die Versorgung von Patienten mit neurologischen und neurochirurgischen Erkrankungen wird in NRW deutlich verbessert. Führende Vertreter von Selbsthilfeorganisationen danken Ministerin Barbara Steffens und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den ersten richtungsweisenden Schritt.

In den letzten Jahren fand eine lebhafte Diskussion über die Versorgung von Schwerst-Schädel-Hirnverletzten statt. Das Problem: Der Bedarf an Behandlungsplätzen in der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (NNCHFR) überschreitet die vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten deutlich. Im Zentrum der Diskussionen stand deshalb die Forderung nach einer besseren Versorgung dieser Menschen.

Betroffen sind Menschen, die sich aufgrund eines Unfalls- oder einer sonstigen Erkrankung mit viel Energie und Ressourceneinsatz wieder zurück ins Leben kämpfen. Prominente Beispiele sind die Fernsehmoderatorin Monica Lierhaus und die Komikerin Gaby Köster, die nach einer Zeit im Koma / Wachkoma wieder in der Öffentlichkeit stehen, sowie der ehemalige Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher, der allem Anschein nach auch zu dieser Patientengruppe gehört. Seine Unfallgeschichte machte die Diskussion um die medizinische Versorgung Schwerst-Schädel-Hirnverletzter für viele Menschen greifbar.

Ein erster richtungsweisender Schritt

Ein Gutachten des renommierten Berliner IGES Instituts hatte belegt, dass in NRW aktuell rund 1600 Betten für die Versorgung schwerstbetroffener Patienten fehlen.

Nun ist die Landesregierung einen ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Situation gegangen. Sie hat für den Großraum Bonn 40 Betten für die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation genehmigt.

„Wir danken dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalens für diesen wichtigen Schritt. Insbesondere danken wir der Ministerin Barbara Steffens, dass sie sich dieser Patientengruppe annimmt und die Versorgung dieser schwerstbetroffenen Patienten in NRW zukunftsweisend gestaltet“, so Manfred Ernst vom Netzwerk Schädel-Hirnverletzter in NRW. Das Netzwerk vertritt die verschiedensten Selbsthilfegruppen des Bundeslands und fordert seit langem, dass im Rahmen der Umsetzung des Krankenhausplans die Versorgungssituation schwerstbetroffener Patienten verbessert wird. „Die Zulassung dieser ersten Betten ist sicher nur ein erster Schritt“, so Ernst weiter. „Auch in anderen Städten gibt es großen Bedarf, der schnell in die Versorgung einbezogen werden muss. Dieser erste Schritt ist jedoch absolut richtig und richtungsweisend. Denn jeden Tag kommen neue Betroffene hinzu…“

Quelle: Pressemitteilung vom 14.04.2016
Kontakt für Nachfragen:
Netzwerk Schädel-Hirnverletzer in NRW
c/o
Manfred Ernst, Rembrandtweg 22, 46539 Dinslaken
Tel.: 0176 - 42140490
E-Mail: m.u.m.ernst@gmx.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Antworten