Altenhilfe - Die Zukunft liegt im Quartier
Verfasst: 14.02.2013, 18:16
Die Zukunft liegt im Quartier
Die Radikalität des demographischen Wandels erfordert von den gesellschaftlichen Gestaltern Mut für einen weitergehenden Kurswechsel im Altenhilfesystem, als er im bisherigen Pflegeweiterentwicklungsgesetz beschlossen wurde. Die soziale Infrastruktur für die Stützung und Versorgung von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, muss in der Hand lokaler Verantwortungsgemeinschaften liegen und darf nicht das Ergebnis spekulativer Investition sein. Der weitere, wildwüchsige Neubau isolierter Pflegeheime muss verhindert werden. Stattdessen sind lokale, gemeinwesenorientierte Versorgungsangebote notwendig, die generationenübergreifend zu kleinräumigen Unterstützungsstrukturen führen und die Eigenverantwortung und Solidarität der Menschen vor Ort stärken.
Diesem Grundsatz folgend haben sich vier große, gestaltungsstarke Sozialunternehmen, die Bertelsmann Stiftung und die Bank für Sozialwirtschaft zum "Netzwerk: Soziales neu gestalten" (SONG) zusammengeschlossen und das Positionspapier "Zukunft Quartier - Lebensräume zum älter werden" verabschiedet.
In diesem Positionspapier werden zentrale Handlungsempfehlungen an die seniorenpolitisch bedeutsamen Akteure in der Freien Wohlfahrtspflege, in den Kommunen sowie in Bund und Ländern gegeben.
Vernetzter Sozialraum - das Quartier
Wie könnte ein funktionierendes Quartier aussehen? Die ganze Palette der ambulanten Pflege mit teilstationären Angeboten, betreuten Pflegewohngruppen wie Wohngemeinschaften, aber auch stationären Einrichtungen sollte wohnortnah organisiert sein und zusammenarbeiten. Das kann nur gelingen, wenn nicht weiterhin große, mit dem Sozialraum nicht vernetzte Pflegeeinrichtungen geplant werden. Zudem müssen die Bürger aktiv in die Stadtteilentwicklung eingebunden werden.
Mit einer Netzwerkstrategie kann das Nebeneinander verschiedener Akteure aufgelöst und Zusammenarbeit gefördert werden. Kooperationen auf örtlicher Ebene, wie beispielsweise Produktionsküchen für Kindertagesheime, Schulen sowie Alteneinrichtungen, Bürger- und Mehrgenerationenhäuser sowie Sport- und Familientreffs, können wirtschaftliche Effizienzvorteile bringen und das soziale Miteinander stärken. Die Wohnungen müssen baulich angepasst, Neubauten barrierefrei errichtet werden. In den Quartieren sollten zudem unterschiedliche Wohnungsgrößen bereitgestellt werden.
Für die Entwicklung neuer Wohnangebote ist eine enge Kooperation zwischen Wohlfahrtspflege, Wohnungsunternehmen, Kommunen und lokalen Initiativen notwendig - und zwar so früh wie möglich. Die Angebote der Seniorenbetreuung, besonders zur sozialen Integration, gesundheitlichen Vorsorge, Pflege und Betreuung, sowie die absehbar notwendigen infrastrukturellen Investitionen in den anderen sozialen Aufgabenfeldern müssen auf Stadtteilebene besser vernetzt werden. Die Netzwerkpartner sehen in dieser Ausrichtung ein herausragendes Qualitätsmerkmal der Angebote der Freien Wohlfahrtspflege.
Vielfalt ist wichtig
Selbstbestimmung und Teilhabe für hilfebedürftige Menschen werden vor allem dann realisierbar, wenn möglichst viel Wahlfreiheit unter den Hilfsangeboten und die Möglichkeit zur Mitgestaltung der individuellen Hilfearrangements besteht. Diese Anforderungen sind nur mit einer Pluralität des Dienstleistungsangebotes erfüllbar, das eine ausreichende unternehmerische Handlungsfreiheit der Leistungserbringer erfordert. Als Dienstleistungsunternehmen müssen diese selbst und auf eigenes Risiko entscheiden, welche Dienste sie in welcher Art und Weise wo anbieten und ob und mit wem sie gegebenenfalls kooperieren.
Damit diese Ansätze gelingen können, ist ein Paradigmenwechsel an mehreren Stellen erforderlich. Da sind zunächst die Träger der Wohlfahrtspflege. Sie müssen weg von ihrer Investoren- und Dienstleisterrolle und sich zu gemeinwesenorientierten Akteuren entwickeln. Die Akteure vor Ort müssen lernen, dass sie nicht gegeneinander sondern im Netzwerk miteinander arbeiten. Das heißt konkret: Konkurrenzen abbauen und Kooperationen leben, den Hilfe-Mix professionell moderieren und managen, neue Schulungskonzepte für die Mitarbeiter entwickeln, akzeptieren, dass die Quartiersbewohner die Dienstleistung bestimmen und an deren Erbringung mitwirken und auch die Freiwilligenarbeit anerkennen.
Kommunen sind gefragt
Auch die Kommunen sind gefordert. Nur wenn das Zusammenspiel der Kommunen mit den anderen Akteuren wie sozialen Dienstleistungsunternehmen, öffentlichen Leistungsträgern und den Bürgern funktioniert, hat das Altenhilfe-, Gesundheits- und Pflegesystem des Quartiers eine Zukunft. Mit folgenden Instrumenten können Kommunen den Prozess fördern: Sie sollten eine integrierte Sozialraumanalyse mit Indikatoren für gemeinwesenorientiertes Handeln etablieren, ämter- und ressortübergreifende Kooperation ermöglichen, Entscheidungsbefugnisse der Akteure auf Quartiersebene gewährleisten, Gemeinschaftsräume und Gemeinwesenarbeit in Quartiersprojekten bereitstellen und finanzieren, Initiativen bei der Standortsuche unterstützen, Kooperationen der Akteure vor Ort durch Investitionen fördern, Runde Tische zu "Wohnen und Betreuung" einrichten und einen überregionalen Austausch zwischen projekterfahrenen Kommunen organisieren.
Gemeinwesenarbeit finanzieren
Was den Bund und die Länder angeht, so sieht das Netzwerk SONG in drei Bereichen Veränderungsbedarf. Zum einen sollten neue soziale Netzwerke durch Gemeinwesenarbeit finanziell unterstützt und das Quartiersmanagement gefördert werden. Weiterhin sollte ein aktivierendes und flexibles Leistungsrecht geschaffen werden, zum Beispiel indem Leistungsbereiche durchlässig gestaltet und Leistungen modularisiert werden. Eine Entkopplung von Wohnen und Hilfe einerseits sowie die Honorierung von Gemeinwesen-Orientierung und Kooperation durch das Pflegesatzsystem andererseits sind eine weitere Finanzierungsoption. Nicht zuletzt sollten Bund und Länder den ordnungsrechtlichen Rahmen flexibel gestalten. Im Heimrecht könnten beispielweise Abgrenzungskriterien für neue Wohnformen festgelegt werden. Außerdem müssten die Kommunen fachlich unterstützt werden. Auch Steuerungsmöglichkeiten über baurechtliche Genehmigung und Investitionsförderung könnten genutzt werden.
Quelle: Bertelsmann-Stiftung - Mitteilung vom 03.04.2008
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ ... _85953.htm
Siehe auch unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ ... /72947.htm
http://www.zukunft-quartier.de
Die Radikalität des demographischen Wandels erfordert von den gesellschaftlichen Gestaltern Mut für einen weitergehenden Kurswechsel im Altenhilfesystem, als er im bisherigen Pflegeweiterentwicklungsgesetz beschlossen wurde. Die soziale Infrastruktur für die Stützung und Versorgung von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, muss in der Hand lokaler Verantwortungsgemeinschaften liegen und darf nicht das Ergebnis spekulativer Investition sein. Der weitere, wildwüchsige Neubau isolierter Pflegeheime muss verhindert werden. Stattdessen sind lokale, gemeinwesenorientierte Versorgungsangebote notwendig, die generationenübergreifend zu kleinräumigen Unterstützungsstrukturen führen und die Eigenverantwortung und Solidarität der Menschen vor Ort stärken.
Diesem Grundsatz folgend haben sich vier große, gestaltungsstarke Sozialunternehmen, die Bertelsmann Stiftung und die Bank für Sozialwirtschaft zum "Netzwerk: Soziales neu gestalten" (SONG) zusammengeschlossen und das Positionspapier "Zukunft Quartier - Lebensräume zum älter werden" verabschiedet.
In diesem Positionspapier werden zentrale Handlungsempfehlungen an die seniorenpolitisch bedeutsamen Akteure in der Freien Wohlfahrtspflege, in den Kommunen sowie in Bund und Ländern gegeben.
Vernetzter Sozialraum - das Quartier
Wie könnte ein funktionierendes Quartier aussehen? Die ganze Palette der ambulanten Pflege mit teilstationären Angeboten, betreuten Pflegewohngruppen wie Wohngemeinschaften, aber auch stationären Einrichtungen sollte wohnortnah organisiert sein und zusammenarbeiten. Das kann nur gelingen, wenn nicht weiterhin große, mit dem Sozialraum nicht vernetzte Pflegeeinrichtungen geplant werden. Zudem müssen die Bürger aktiv in die Stadtteilentwicklung eingebunden werden.
Mit einer Netzwerkstrategie kann das Nebeneinander verschiedener Akteure aufgelöst und Zusammenarbeit gefördert werden. Kooperationen auf örtlicher Ebene, wie beispielsweise Produktionsküchen für Kindertagesheime, Schulen sowie Alteneinrichtungen, Bürger- und Mehrgenerationenhäuser sowie Sport- und Familientreffs, können wirtschaftliche Effizienzvorteile bringen und das soziale Miteinander stärken. Die Wohnungen müssen baulich angepasst, Neubauten barrierefrei errichtet werden. In den Quartieren sollten zudem unterschiedliche Wohnungsgrößen bereitgestellt werden.
Für die Entwicklung neuer Wohnangebote ist eine enge Kooperation zwischen Wohlfahrtspflege, Wohnungsunternehmen, Kommunen und lokalen Initiativen notwendig - und zwar so früh wie möglich. Die Angebote der Seniorenbetreuung, besonders zur sozialen Integration, gesundheitlichen Vorsorge, Pflege und Betreuung, sowie die absehbar notwendigen infrastrukturellen Investitionen in den anderen sozialen Aufgabenfeldern müssen auf Stadtteilebene besser vernetzt werden. Die Netzwerkpartner sehen in dieser Ausrichtung ein herausragendes Qualitätsmerkmal der Angebote der Freien Wohlfahrtspflege.
Vielfalt ist wichtig
Selbstbestimmung und Teilhabe für hilfebedürftige Menschen werden vor allem dann realisierbar, wenn möglichst viel Wahlfreiheit unter den Hilfsangeboten und die Möglichkeit zur Mitgestaltung der individuellen Hilfearrangements besteht. Diese Anforderungen sind nur mit einer Pluralität des Dienstleistungsangebotes erfüllbar, das eine ausreichende unternehmerische Handlungsfreiheit der Leistungserbringer erfordert. Als Dienstleistungsunternehmen müssen diese selbst und auf eigenes Risiko entscheiden, welche Dienste sie in welcher Art und Weise wo anbieten und ob und mit wem sie gegebenenfalls kooperieren.
Damit diese Ansätze gelingen können, ist ein Paradigmenwechsel an mehreren Stellen erforderlich. Da sind zunächst die Träger der Wohlfahrtspflege. Sie müssen weg von ihrer Investoren- und Dienstleisterrolle und sich zu gemeinwesenorientierten Akteuren entwickeln. Die Akteure vor Ort müssen lernen, dass sie nicht gegeneinander sondern im Netzwerk miteinander arbeiten. Das heißt konkret: Konkurrenzen abbauen und Kooperationen leben, den Hilfe-Mix professionell moderieren und managen, neue Schulungskonzepte für die Mitarbeiter entwickeln, akzeptieren, dass die Quartiersbewohner die Dienstleistung bestimmen und an deren Erbringung mitwirken und auch die Freiwilligenarbeit anerkennen.
Kommunen sind gefragt
Auch die Kommunen sind gefordert. Nur wenn das Zusammenspiel der Kommunen mit den anderen Akteuren wie sozialen Dienstleistungsunternehmen, öffentlichen Leistungsträgern und den Bürgern funktioniert, hat das Altenhilfe-, Gesundheits- und Pflegesystem des Quartiers eine Zukunft. Mit folgenden Instrumenten können Kommunen den Prozess fördern: Sie sollten eine integrierte Sozialraumanalyse mit Indikatoren für gemeinwesenorientiertes Handeln etablieren, ämter- und ressortübergreifende Kooperation ermöglichen, Entscheidungsbefugnisse der Akteure auf Quartiersebene gewährleisten, Gemeinschaftsräume und Gemeinwesenarbeit in Quartiersprojekten bereitstellen und finanzieren, Initiativen bei der Standortsuche unterstützen, Kooperationen der Akteure vor Ort durch Investitionen fördern, Runde Tische zu "Wohnen und Betreuung" einrichten und einen überregionalen Austausch zwischen projekterfahrenen Kommunen organisieren.
Gemeinwesenarbeit finanzieren
Was den Bund und die Länder angeht, so sieht das Netzwerk SONG in drei Bereichen Veränderungsbedarf. Zum einen sollten neue soziale Netzwerke durch Gemeinwesenarbeit finanziell unterstützt und das Quartiersmanagement gefördert werden. Weiterhin sollte ein aktivierendes und flexibles Leistungsrecht geschaffen werden, zum Beispiel indem Leistungsbereiche durchlässig gestaltet und Leistungen modularisiert werden. Eine Entkopplung von Wohnen und Hilfe einerseits sowie die Honorierung von Gemeinwesen-Orientierung und Kooperation durch das Pflegesatzsystem andererseits sind eine weitere Finanzierungsoption. Nicht zuletzt sollten Bund und Länder den ordnungsrechtlichen Rahmen flexibel gestalten. Im Heimrecht könnten beispielweise Abgrenzungskriterien für neue Wohnformen festgelegt werden. Außerdem müssten die Kommunen fachlich unterstützt werden. Auch Steuerungsmöglichkeiten über baurechtliche Genehmigung und Investitionsförderung könnten genutzt werden.
Quelle: Bertelsmann-Stiftung - Mitteilung vom 03.04.2008
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ ... _85953.htm
Siehe auch unter http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/ ... /72947.htm
http://www.zukunft-quartier.de