Sterbehilfe: BGH spricht Rechtsanwalt frei
Verfasst: 25.06.2010, 22:01
Rechtsanwalt riet Mandantin zu Sterbehilfe
Darf man Todkranken helfen zu sterben? Eine Frage, die spaltet, eine Frage, die ethische Grundsätze auf den Prüfstand stellt. Vor allem: Eine Grundsatzfrage. Darüber hat heute der Bundesgerichtshof geurteilt und einen wegen versuchten Totschlags angeklagten Rechtsanwalt freigesprochen.
Der Abbruch einer lebenserhaltenden ärztlichen Behandlung ist demnach nicht strafbar, wenn sie dem Willen des Patienten entspricht. Ärzte, Betreuer und Pflegeheime müssten eine lebenserhaltende Maßnahme abbrechen, wenn dies dem Willen des Patienten entspreche, heißt es in dem Urteil.
Der auf Medizinrecht spezialisierte Münchener Rechtsanwalt Wolfgang Putz hatte seiner Mandantin Elke Gloor geraten, den Ernährungsschlauch durchzuschneiden, über den ihre seit Jahren im Wachkoma liegende Mutter versorgt wurde. Die Patientin hatte ihrer Tochter gesagt, dass sie in einem solchen Fall nicht künstlich ernährt werden wolle. Das Pflegeheim weigerte sich jedoch, die Ernährung zu beenden. Der inzwischen verstorbenen Patientin war nach der Tat eine neue Magensonde gelegt worden, so dass sie zunächst überlebte. Allerdings starb die Frau kurze Zeit später.
Das Heim habe "kein Recht, sich über das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinwegzusetzen" sagte die Vorsitzende Richterin Ruth Rissing-van Saan in der Urteilsbegründung. Bei der Frage, ob lebensverlängende Maßnahmen abgebrochen werden dürfen, komme es nicht darauf an, "ob die Grunderkrankung einen irreversibel tödlichen Verlauf genommen hat". Entscheidend sei allein der Wille des Patienten. Hierbei zählten nicht nur schriftliche Patientenverfügungen, sondern auch mündlich geäußerte Wünsche.
Positive Reaktionen auf das Urteil
Bei der Abgrenzung zwischen erlaubter Sterbehilfe und verbotener Tötung auf Verlangen - auch als 'aktive Sterbehilfe' bezeichnet - kommt es dem BGH zufolge nicht darauf an, ob nach dem äußeren Anschein eine aktive Handlung vorliegt. "Eine nur an Äußerlichkeiten orientierte Abgrenzung wird dem Unterschied nicht gerecht", sagte Rissing-van Saan. Der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen könne eine Vielzahl aktiver Maßnahmen umfassen, etwa das Abschalten eines Beatmungsgeräts. "Ein zulässiger Behandlungsabbruch kann nicht nur durch Unterlassen, sondern auch durch aktives Tun vorgenommen werden."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger hat das Urteil begrüßt. Damit werde dem Selbstbestimmungsrecht zu Recht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt, erklärte die FDP-Politikerin. Das Urteil stelle klar: "Der freiverantwortlich gefasste Wille des Menschen muss in allen Lebenslagen beachtet werden."
Auch die Evangelische Kirche begrüßt das Urteil. Nach Auffassung der christlichen Ethik gebe es keine Verpflichtung des Menschen zur Lebensverlängerung um jeden Preis und auch kein ethisches Gebot, die therapeutischen Möglichkeiten der Medizin bis zum Letzten auszuschöpfen, erklärte die Kirche.
Die katholische Kirche hingegen hält nichts von der Entscheidung der Richter. Für die sie sei die grundlegende Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbhilfe maßgebend, hieß es in einer Erklärung der Bischofskonferenz. "Sie ist eine unentbehrliche ethische Entscheidungshilfe und scheint uns in dem Urteil nicht genügend berücksichtigt zu sein. Wir fürchten durch diese Verunklarung sensible ethische Folgeprobleme." Diese Grundbedenken, die im Fall einer Wachkoma-Patientin zu zusätzlichen Problemen führten, sollen in der Glaubenskommission der Bischofskonferenz analysiert werden. Zugleich kündigte das Gremium eine genau Analyse der Urteilsbegründung an.
Quelle: RTL
http://www.rtl.de/cms/information/rtlak ... t_id=49936
Darf man Todkranken helfen zu sterben? Eine Frage, die spaltet, eine Frage, die ethische Grundsätze auf den Prüfstand stellt. Vor allem: Eine Grundsatzfrage. Darüber hat heute der Bundesgerichtshof geurteilt und einen wegen versuchten Totschlags angeklagten Rechtsanwalt freigesprochen.
Der Abbruch einer lebenserhaltenden ärztlichen Behandlung ist demnach nicht strafbar, wenn sie dem Willen des Patienten entspricht. Ärzte, Betreuer und Pflegeheime müssten eine lebenserhaltende Maßnahme abbrechen, wenn dies dem Willen des Patienten entspreche, heißt es in dem Urteil.
Der auf Medizinrecht spezialisierte Münchener Rechtsanwalt Wolfgang Putz hatte seiner Mandantin Elke Gloor geraten, den Ernährungsschlauch durchzuschneiden, über den ihre seit Jahren im Wachkoma liegende Mutter versorgt wurde. Die Patientin hatte ihrer Tochter gesagt, dass sie in einem solchen Fall nicht künstlich ernährt werden wolle. Das Pflegeheim weigerte sich jedoch, die Ernährung zu beenden. Der inzwischen verstorbenen Patientin war nach der Tat eine neue Magensonde gelegt worden, so dass sie zunächst überlebte. Allerdings starb die Frau kurze Zeit später.
Das Heim habe "kein Recht, sich über das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinwegzusetzen" sagte die Vorsitzende Richterin Ruth Rissing-van Saan in der Urteilsbegründung. Bei der Frage, ob lebensverlängende Maßnahmen abgebrochen werden dürfen, komme es nicht darauf an, "ob die Grunderkrankung einen irreversibel tödlichen Verlauf genommen hat". Entscheidend sei allein der Wille des Patienten. Hierbei zählten nicht nur schriftliche Patientenverfügungen, sondern auch mündlich geäußerte Wünsche.
Positive Reaktionen auf das Urteil
Bei der Abgrenzung zwischen erlaubter Sterbehilfe und verbotener Tötung auf Verlangen - auch als 'aktive Sterbehilfe' bezeichnet - kommt es dem BGH zufolge nicht darauf an, ob nach dem äußeren Anschein eine aktive Handlung vorliegt. "Eine nur an Äußerlichkeiten orientierte Abgrenzung wird dem Unterschied nicht gerecht", sagte Rissing-van Saan. Der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen könne eine Vielzahl aktiver Maßnahmen umfassen, etwa das Abschalten eines Beatmungsgeräts. "Ein zulässiger Behandlungsabbruch kann nicht nur durch Unterlassen, sondern auch durch aktives Tun vorgenommen werden."
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger hat das Urteil begrüßt. Damit werde dem Selbstbestimmungsrecht zu Recht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt, erklärte die FDP-Politikerin. Das Urteil stelle klar: "Der freiverantwortlich gefasste Wille des Menschen muss in allen Lebenslagen beachtet werden."
Auch die Evangelische Kirche begrüßt das Urteil. Nach Auffassung der christlichen Ethik gebe es keine Verpflichtung des Menschen zur Lebensverlängerung um jeden Preis und auch kein ethisches Gebot, die therapeutischen Möglichkeiten der Medizin bis zum Letzten auszuschöpfen, erklärte die Kirche.
Die katholische Kirche hingegen hält nichts von der Entscheidung der Richter. Für die sie sei die grundlegende Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbhilfe maßgebend, hieß es in einer Erklärung der Bischofskonferenz. "Sie ist eine unentbehrliche ethische Entscheidungshilfe und scheint uns in dem Urteil nicht genügend berücksichtigt zu sein. Wir fürchten durch diese Verunklarung sensible ethische Folgeprobleme." Diese Grundbedenken, die im Fall einer Wachkoma-Patientin zu zusätzlichen Problemen führten, sollen in der Glaubenskommission der Bischofskonferenz analysiert werden. Zugleich kündigte das Gremium eine genau Analyse der Urteilsbegründung an.
Quelle: RTL
http://www.rtl.de/cms/information/rtlak ... t_id=49936