Mitteilung vom 17.04.2009:
Tagespflege – Eine Frage der Existenz?
Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz hat der Gesetzgeber die Ambulantisierung weiter vorangetrieben, ganz explizit durch die zusätzliche Sachleistung für die Inanspruchnahme von Tagespflegeangeboten. Was bedeutet das jedoch für die Zukunft der Pflegelandschaft in Deutschland?
Aufgrund dieser zusätzlichen Anreize werden entsprechende Begierlichkeiten auf Seiten der Pflegebedürftigen und vor allem deren Angehörigen geweckt werden, denn die Tagespflege scheint die adäquateste Möglichkeit, pflegende Angehörige dauerhaft und nachhaltig so zu entlasten, dass der vollstationäre Aufenthalt komplett, zumindest sehr lange verhindert werden kann. Das Entspricht in vollem Umfang dem Wunsch und somit dem Bedarf der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.
Bisher ist den wenigsten Versicherten der Leistungsanspruch bewusst. Dies wird sich jedoch im Laufe der nächsten Monate und Jahre extrem verändern. Zum Einen durch die mehr und mehr entstehenden Tagespflegeangebote und der damit verbundenen Werbung und Beratung, zum Anderen durch die bald schon tätigen Pflegeberater nach § 7a SGB XI sowie durch die entstehenden Pflegestützpunkte. Sobald der Leistungsanspruch der breiten Öffentlichkeit bekannt wird, wird es eine enorme Nachfrage nach Tagespflegeplätzen geben. So wie Mitte der 90’er Jahre die ambulanten Pflegedienste entstanden, so werden nun die Tagespflegeeinrichtungen entstehen.
Tagespflege wird somit zum Boom- und Wachstumsbereich Nummer 1 im Pflegemarkt der nächsten Jahre.
Als ambulanter Pflegedienst ist grundsätzlich zu überlegen, ob eine Anbindung an oder der Betrieb einer „eigenen“ Tagespflege nicht nur sinnvoll sondern auch notwendig wird. Denn neben den Vorteilen durch die zusätzliche Sachleistung für die Versicherten birgt dieses System auch enorme Gefahren für Pflegedienste. Die zusätzlichen 50% Sachleistung für die Nutzung der Tagespflege können bis zu 100% beliebig vom Versicherten aufgestockt werden, gleichzeitig reduziert sich jedoch die ambulante Sachleistung entsprechend. Würde also ein Pflegebedürftiger eines Pflegedienstes die Tagespflege eines anderen Trägers nutzen, so bestünde permanent die Gefahr, dass ihm das Tagespflegeangebot so gut gefällt, dem Angehörigen so entgegen kommt, dass sich der Versicherte dazu entschließt die Sachleistung zu Gunsten der Tagespflege zu verschieben. Dem Pflegedienst blieben dann nur noch 50% der Sachleistung.
Hinzu kommt die Tatsache, dass sich der Pflegebedürftige alle ihm mit der Nutzung der Tagespflege anfallenden Kosten (Verpflegung, evtl. Investitionskosten) im Rahmen der Betreuungsleistungen (§ 45 a,b) von seiner Kasse erstatten lassen kann. Davon wird sicher ein Großteil der Leistungsberechtigten auch Gebrauch machen.
Auch die Ersatzpflege (Verhinderungspflege) kann in vollem Umfang durch die Tagespflegeeinrichtung erbracht werden. Viele Pflegebedürftige werden diesen Topf für zusätzliche Besuchstage nutzen wollen. Die Tagespflege dürfte auch in den allermeisten Fällen einer mehrstündigen Ersatzpflege deutlich günstiger sein als die Einzelersatzpflege durch einen Pflegedienst.
Bis hier hin hat der Pflegedienst also im Extremfall die Hälfte der Sachleistung, die zusätzlichen Betreuungsleistungen und die Ersatzpflege an die Tagespflege verloren. Schlimmer kann es dann nicht mehr kommen?
Viele Tagespflegeeinrichtungen werden von Pflegediensten gegründet und betrieben werden. Da der Pflegekunde nun zum Großteil durch den Träger der Tagespflege versorgt und betreut wird, ist der Schritt sich komplett durch einen Leistungsanbieter versorgen zu lassen nicht mehr groß, vor allem wenn der Kunde mit dem jetzigen Pflegedienst nicht vollumfänglich zufrieden ist.
Auch die vollstationären Pflegeeinrichtungen müssen dem „Mitbewerber“ Tagespflege ins Auge blicken, da wie schon zuvor erwähnt, die Tagespflege den Heimaufenthalt weiter hinauszögern oder verhindert wird.
Hier ist es sicherlich sinnvoll darüber nachzudenken, ebenfalls Tagespflegeangebote zu schaffen, zum Beispiel gemeinsam mit bestehenden Pflegediensten, zumindest in Kooperation mit Pflegediensten, denn diese haben die besten Kontakte zur Kundengruppe. Ohne Kooperation mit einem Pflegedienst wird der Betrieb einer Tagespflege durch den Heimträger enorm schwierig, ein „eigener“ Pflegedienst des Heimträgers wird somit nahezu unumgänglich.
Tagespflege ist also ein Thema, an dem kein Pflegeanbieter auf Dauer wirklich vorbeikommt, es lohnt sich also, sich mit dem Thema sehr eingehend zu beschäftigen.
Wir stehen jeder interessierten Einrichtung gerne mit Rat und Tat zur Verfügung, denn auch der Betreib einer Tagespflegeeinrichtung ist alles andere als gerade auch betriebwirtschaftlich trivial.
Bei Fragen zum Thema steht Ihnen der Autor zur Verfügung unter:
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Viele Grüße aus der Südheide
Ralph Wißgott
Unternehmensberatung Wißgott
Fachberatung für die ambulante Pflege
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Tagespflege – Eine Frage der Existenz?
Moderator: WernerSchell