Krankenhauspflegebedürftigkeit - Kassen entscheiden mit

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Antworten
Ärztliche Praxis
Full Member
Beiträge: 165
Registriert: 19.03.2007, 17:36

Krankenhauspflegebedürftigkeit - Kassen entscheiden mit

Beitrag von Ärztliche Praxis » 12.11.2007, 17:38

Bundessozialgericht spricht Krankenkassen Prüfrechte zu
Über stationäre Therapie entscheiden Ärzte nicht mehr allein
Behandelnde Ärzte dürfen künftig nicht mehr allein entscheiden, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Diese Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) spielt den Krankenkassen in die Hände.

12.11.07 - Das BSG in Kassel hat den Krankenkassen deutlich mehr Macht bei Entscheidungen über Krankenhausbehandlungen gegeben. Nach dem Beschluss des Großen Senats dürfen die behandelnden Ärzte nicht mehr allein darüber befinden, ob Krankenhausbehandlung notwendig ist. Vielmehr sollen die Kassen die Notwendigkeit überprüfen und gegebenenfalls ihre Zahlungen verweigern (Az.: GS 1/06).

Konkret ging es um einen Versicherten, der wegen einer psychischen Krankheit unter Betreuung steht und Heimunterbringung benötigt. Wegen eines akuten Krankheitsschubs wurde der Patient seit 1996 stationär in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt.

Ab Juli 1998 hatte sich nach Auffassung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sein Zustand so weit stabilisiert, dass eine Behandlung in der Klinik nicht mehr erforderlich war. Vielmehr sollte die weitere ärztliche Behandlung ambulant erfolgen.

Das Krankenhaus hielt jedoch eine Fortführung der stationären Behandlung für notwendig. Deshalb blieb der Patient in der Klinik. Die Krankenkasse des Versicherten weigerte sich jedoch, die ab Juli 1998 durch die Unterbringung im Krankenhaus entstandenen Kosten zu tragen. Daraufhin übernahm der Sozialhilfeträger die Kosten und verlangte nunmehr mit der Klage deren Erstattung.

Rückwirkende Einzelfall-Prüfung bleibt den Kassen verwehrt

Die BSG-Richter entschieden, dass dem Krankenhausarzt eine sogenannte Einschätzungsprärogative nicht zukomme. Er könne daher auch nicht immer allein entscheiden, ob der Patient im Krankenhaus bleiben muss oder nicht. In der Konsequenz bedeutet das: Der BSG-Senat spricht den Krankenkassen Prüfrechte zu.

Eine klare Absage erteilten die Richter dagegen dem Bestreben der Kassen, noch mehr Rechte für sich zu beanspruchen. Rückwirkend Einzelfälle zu prüfen, wurde den Kassen von den BSG-Richtern ausdrücklich untersagt.

Isabel Clages

Fundstelle:
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 865232.htm
Zeitung "Ärztliche Praxis"
http://www.aerztlichepraxis.de

Presse
phpBB God
Beiträge: 14249
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Leistungspflicht bei stationärer Krankenhausbehandlung

Beitrag von Presse » 22.12.2007, 16:58

Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts zur Krankenhausbehandlung

Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Sitzung am 25. September 2007 über eine Vorlage des 1. Senats zur Leistungspflicht der Krankenkasse bei stationärer Krankenhausbehandlung entschieden.

Der Große Senat, der sich aus (derzeit) zwölf Berufsrichtern und sechs ehrenamtlichen Richtern zu­sammensetzt, ist zur Entscheidung berufen, wenn ein Senat des Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senates abweichen will. Seine Zuständigkeit beschränkt sich auf die Beantwortung der ihm unterbreiteten Rechtsfrage(n). Konkreter Anlass für den Zusammentritt des Gremiums war eine Vorlage des 1. Senats, der in einem zur Entscheidung anstehenden Fall in zwei Punkten von der Rechtsprechung des 3. Senats abzuweichen beabsichtigt.

Das Verfahren des 1. Senats betrifft einen Versicherten, der wegen einer psychischen Krankheit unter Betreuung steht und eine Heimunterbringung benötigt. Wegen eines akuten Krankheitsschubs wurde der Patient seit 1996 stationär in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt. Ab Juli 1998 war nach Auffassung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sein Zustand so weit stabilisiert, dass eine Behandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses nicht mehr erforderlich war, sondern die weitere ärztliche Behandlung ambulant erfolgen konnte. Da das Krankenhaus anderer Auffassung war und eine Fortführung der stationären Behandlung für notwendig hielt, verblieb der Patient in der Klinik. Die Krankenkasse des Versicherten weigert sich, die ab Juli 1998 durch die Unterbringung im Krankenhaus entstandenen Kosten zu tragen. An ihrer Stelle hat der Sozialhilfe­träger diese Kosten übernommen und verlangt nunmehr mit der Klage deren Erstattung.

Der 1. Senat will die Leistungspflicht der Krankenkasse verneinen, weil nach dem gerichtlichen Beweisergebnis eine Krankenhausbehandlung in der streitigen Zeit nicht (mehr) erforderlich gewesen sei. Er sieht sich daran aber durch Rechtsprechung des 3. Senats gehindert. Dieser hat in der Ver­gangenheit einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse auch dann bejaht, wenn der Patient an sich ambulant versorgt werden konnte, dazu aber, wie der Versicherte im vorliegenden Fall, eine spezielle Unterbringung und Betreuung in einer geschützten Umgebung benötigte und die Krankenkasse ihm eine geeignete Einrichtung nicht konkret benannt hatte. Außerdem billigt der 3. Senat dem Krankenhausarzt - nach Auffassung des 1. Senats zu Unrecht - bei der Beurteilung der (medizinischen) Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung einen bei gericht­licher Überprüfung nicht oder nur eingeschränkt zugänglichen Entscheidungsspielraum zu.

Der 1. Senat hatte deshalb dem Großen Senat folgende Rechtsfragen vorgelegt:

Setzt der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus voraus, dass allein aus medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht erreicht werden kann?

Hat das Gericht die Voraussetzungen gemäß Frage 1 voll zu überprüfen?

Durch Beschluss vom 25. September 2007 hat der Große Senat die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich nach medizinischen Erfordernissen. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eines Krankenhausaufenthalts auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen des Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben muss.

Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine "Einschätzungsprärogative" kommt dem Krankenhausarzt nicht zu.


Az.: GS 1/06

Quelle: Pressemitteilung vom 26.9.2007
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... =17&anz=47

Antworten