Heilkunde muss in ärztlicher Hand und Verantwortung bleiben

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Heilkunde muss in ärztlicher Hand und Verantwortung bleiben

Beitrag von Presse » 03.05.2008, 07:34

Text aus Forum:
Krankenhaus: Neuordnung von Aufgaben des Ärztlichen Dienstes
viewtopic.php?p=34125#34125

AWMF:
Ausübung der Heilkunde muss in ärztlicher Hand und Verantwortung bleiben

Die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten muss auch zukünftig in der Hand und Verantwortung der Ärzte bleiben. Hierauf weist die AWMF in einer aktuellen Stellungnahme hin. Die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften der AWMF begrüßen die von der Bundesregierung mit der jüngst verabschiedeten Pflegereform vorgesehenen Kompetenzerweiterungen der Pflegeberufe und eine damit verbundene stärkere Einbindung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Notwendigkeit der Entlastung der Ärzte in Klinik und Praxis von administrativen und anderen nicht-ärztlichen Aufgaben lasse eine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten des nicht-ärztlichen Personals sinnvoll erscheinen. Eine solche auch vom Sachverständigenrat geforderte multiprofessionelle Teamarbeit zähle weitestgehend auch heute schon zum klinischen Alltag im Sinne eines qualifikationsorientierten Personaleinsatzes, bei dem die Leitungsverantwortung stets beim Arzt verbleibe.

Eine Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe mit Übertragung ärztlicher und juristischer Verantwortung für deren ordnungsgemäße Durchführung wird von den medizinischen Fachgesellschaften demgegenüber strikt abgelehnt. Nach den Neuregelungen im Pflegeweiterentwicklungsgesetz (§ 63 Abs. 3 c SGB V) können Modellvorhaben der GKV eine Übertragung ärztlicher Tätigkeiten im Sinne einer Substitution auf nicht-ärztliches Personal vorsehen. Eine solche Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe führe nach Ansicht der AWMF zu schwierigen tatsächlichen Abgrenzungs- und daraus resultierenden Haftungsfragen. Es sei daher an einer einheitlichen Heilkundeausübung durch approbierte Ärzte festzuhalten.

Wesentlich für den Umfang einer zulässigen und unter gebotenen medizinischen Gesichtspunkten verantwortbaren Delegation ärztlicher Leistungen sei die Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals. Dabei müsse es dem einzelnen ärztlichen Fachgebiet vorbehalten sein, die erforderliche fachliche Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals für die jeweils zu delegierenden Aufgaben zu definieren. Dasselbe gelte für die Definition der einzelnen fachspezifischen delegierbaren Leistungen und den Bereich derjenigen Leistungen, die in der eigenen Verantwortung und Hand des jeweiligen Facharztes verbleiben müssten. Entsprechende Kataloge einzelner Fachgesellschaften lägen bereits vor.

Bei der Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliches Personal seien der Facharztstandard und die von den medizinisch-wissenschaftlichen Standards geprägte Qualität der Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Die Delegation dürfe in keinem Fall zu einer Risikoerhöhung für den jeweiligen Patienten führen. Verrichtungen, die wegen ihrer Schwierigkeiten, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzten, seien nicht delegationsfähig, erst recht nicht substitutionsfähig.


Hier der vollständige Text der Stellungnahme:

Der Deutsche Ärztetag wird sich im Mai 2008 mit dem Leitthema "Das Arztbild der Zukunft und die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen" befassen. Dies ist Anlass für die AWMF, zu den derzeit vielfältigen Bestrebungen einer stärkeren Einbindung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe in die Patientenversorgung und die damit einhergehenden Veränderungen der ärztlichen Aufgaben und Zuständigkeiten Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme soll gleichzeitig die Beratungen und Beschlussfassungen anlässlich des Deutschen Ärztetages unterstützen.

Die von der Bundesregierung im Pflegeweiterentwicklungsgesetz vorgesehenen Kompetenzerweiterungen der Pflegeberufe und eine damit verbundene stärkere Einbindung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird von den in der AWMF zusammengeschlossenen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften grundsätzlich begrüßt. Auch die zum Teil regional unterschiedlich ausgeprägte ärztliche Versorgungsstruktur in Deutschland und die Notwendigkeit der Entlastung der Ärzte in Klinik und Praxis von administrativen und anderen nicht-ärztlichen Aufgaben lässt eine Ausweitung der Delegationsmöglichkeiten von Leistungen auf nicht-ärztliches Personal sinnvoll erscheinen. Eine solche auch vom Sachverständigenrat geforderte multiprofessionelle Teamarbeit zählt weitestgehend auch heute schon zum klinischen Alltag im Sinne eines qualifikationsorientierten Personaleinsatzes, bei dem die Leitungsverantwortung stets beim Arzt verbleibt.

Wesentlich für den Umfang einer zulässigen und unter gebotenen medizinischen Gesichtspunkten verantwortbaren Delegation ist die Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals. Dabei muss es dem einzelnen ärztlichen Fachgebiet vorbehalten sein, die erforderliche fachliche Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals für die jeweils zu delegierenden Aufgaben zu definieren. Das Selbe gilt für die Definition der einzelnen fachspezifischen delegierbaren Leistungen und den Bereich derjenigen Leistungen, die aus fachspezifischer Sicht in der eigenen Verantwortung und Hand des jeweiligen Facharztes verbleiben müssen. Einige medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften haben hierzu in jüngster Zeit maßgebliche Stellungnahmen abgegeben, auf welche bei der Bestimmung delegationsspezifischer Tätigkeiten zurückgegriffen werden kann.

Auch bei den so erweiterten Delegationsmöglichkeiten bleibt die unmittelbare Verfügbarkeit und die Verantwortung des jeweiligen delegierenden Arztes Voraussetzung der Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliches Personal. Nur im Einzelfall, abhängig von der jeweiligen fachlichen Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals, können Leistungen delegiert werden, ohne eine sofortige Verfügbarkeit und Zugriffsmöglichkeit eines Arztes (Facharztes) vorzuhalten. Insbesondere im hausärztlichen Bereich bei bestehender hausärztlicher Unterversorgung können im Ausnahmefall ärztliche Leistungen auf nicht-ärztliches, entsprechend geschultes Personal delegiert werden, ohne eine unmittelbare Eingriffsbereitschaft des delegierenden Arztes zu gewährleisten. Die (haus-)ärztliche Gesamtverantwortung bleibt in solchen Fällen uneingeschränkt bestehen.

Bei der Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliches Personal ist auch zukünftig der Facharztstandard und die von den medizinisch-wissenschaftlichen Standards geprägte Qualität der Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Ärztliche Leistungen dürfen demnach nicht an nicht-ärztliches Personal delegiert werden, soweit die betreffende Maßnahme "gerade dem (Fach-) Arzt eigene Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt" (BGH, Urteil vom 24.06.1975 - VI ZR 72/74 -). Die Delegation ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliches Personal darf in keinem Fall zu einer Risikoerhöhung für den jeweiligen Patienten führen. Verrichtungen, die wegen ihrer Schwierigkeiten, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzen und deshalb vom Arzt persönlich durchzuführen sind, sind nicht delegationsfähig.

Eine Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe wird demgegenüber von den in der AWMF zusammengeschlossenen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften abgelehnt. Die Substitution ärztlicher Leistungen durch Leistungen nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe führt zu schwierigen tatsächlichen Abgrenzungs- und daraus resultierenden Haftungsfragen. Zudem steht die grundgesetzliche Verpflichtung des Staates zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit einer Heilkundeausübung entgegen, die von nicht-approbierten Personen ohne die spezifische ärztliche Ausbildung erbracht werden soll. Es ist daher an einer einheitlichen Heilkundeausübung durch approbierte Ärzte festzuhalten. Ärztliche Leistungen, die nicht delegationsfähig sind, sind im Übrigen erst recht nicht substitutionsfähig.

Trotz dieser bereits in der Vergangenheit mehrfach geäußerten Bedenken hat der Gesetzgeber im Pflegeweiterentwicklungsgesetz eine auch für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung wegweisende Neuregelung vorgesehen. Danach (§ 63 Abs. 3 c SGB V) können Modellvorhaben eine Übertragung ärztlicher Tätigkeiten im Sinne einer Substitution auf nicht-ärztliches Personal vorsehen. Bei solchen in Modellvorhaben näher beschriebenen Tätigkeiten soll es sich um die selbständige Ausübung von Heilkunde handeln. Die Übertragung solcher ärztlichen Tätigkeiten soll für die Angehörigen der im Kranken- und Altenpflegegesetz geregelten Berufe gelten, die auf Grund einer Ausbildung nach dem Kranken- und Altenpflegegesetz besonders qualifiziert sind.

Die im Gesetzgebungsverfahren eingeführte Richtlinienkompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bestimmung übertragbarer Tätigkeiten wird von den Fachgesellschaften der AWMF grundsätzlich begrüßt; eine Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf nicht-ärztliches Personal im Sinne einer Substitution lehnt die AWMF aber auch unter den vom Gesetzgeber beschriebenen Voraussetzungen ab.

Ungeachtet dessen ist der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung gehalten, vor Verabschiedung entsprechender Richtlinien fachspezifische Stellungnahmen bei der Bundesärztekammer und den einzelnen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften einzuholen und diese in die Richtlinienentscheidung mit einzubeziehen. Nur auf diese Weise ist jedenfalls gewährleistet, dass auch im Rahmen der Ausübung ehemals originär ärztlicher Tätigkeiten durch nicht-ärztliches Personal die vom Patienten bei der Gesundheitsversorgung zu Recht erwarteten medizinischen Standards eingehalten werden können. Gleichzeitig besteht durch die Einbeziehung der Bundesärztekammer und der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in den Entscheidungsprozess Anlass zu der Annahme, dass eine Risikoerhöhung für die Patienten im Rahmen der Durchführung ärztlicher Tätigkeiten durch nicht-ärztliches Personal weitestgehend vermieden wird.

Für die AWMF
Univ. Prof. Dr. med. A. Encke
Der Präsident

Glossar:

Delegation im ärztlichen und medizinischen Sinne bedeutet die Übertragung bestimmter Tätigkeitsbereiche oder Einzelaufgaben an ärztliche und nicht-ärztliche Mitarbeiter - entsprechend ihrem beruflichen Bildungsstand, ihren Fähigkeiten und Erfahrungen - zur selbständigen Erledigung, soweit nicht die Art und Schwere der Tätigkeit oder die Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen der jeweiligen Maßnahme gerade die dem delegierenden Arzt eigenen Kenntnisse und Kunstfertigkeiten voraussetzt.

Der Arzt muss auch bei der Durchführung von an nicht-ärztliche Mitarbeiter delegierter Leistungen anwesend sein. Nur im Einzelfall dürfen bereits vom Arzt zuvor angeordnete Leistungen bei vorübergehender Abwesenheit des Arztes von entsprechend qualifiziertem nicht-ärztlichem Personal durchgeführt werden. Eine spezifische Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber hierzu nun mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz geschaffen. So können ärztlich angeordnete Hilfeleistungen von nicht-ärztlichen Mitarbeitern in der Häuslichkeit der Patienten in Abwesenheit des Arztes erbracht werden (Schwester Agnes).

Bei der Delegation behält der Arzt stets die ärztliche und juristische Verantwortung für die sach- und fachgerechte Durchführung der delegierten ärztlichen Leistung in Bezug auf die angeordnete Maßnahme an sich und in Bezug auf die Auswahl und Qualifizierung des nicht-ärztlichen Mitarbeiters.

Ärztliche Leistungen, deren Durchführung und Abrechnung an persönliche Ermächtigungen und Zulassungen des Arztes oder spezifische gebührenrechtliche Voraussetzungen geknüpft sind, dürfen nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen an ärztliche und nicht-ärztliche Mitarbeiter delegiert werden (z.B. bei pers. Ermächtigungen nach § 116 SGB V).

Delegation ist abzugrenzen zur Substitution, dem Ersetzen des Arztes durch einen nicht-ärztlichen Mitarbeiter bei der Durchführung von Leistungen, bei denen es sich um die selbständige Ausübung von Heilkunde handelt.

Bei der Substitution geht die ärztliche und juristische Verantwortung für die Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Maßnahme (Heilkunde) vom Arzt auf den nicht-ärztlichen Mitarbeiter über.

Weitere Informationen:
http://www.awmf.org/res/stn-0805.pdf PDF-Version des Volltextes der Stellungnahme

Quelle: Pressemitteilung vom 2.5.2008
Wolfgang Müller M.A., AWMF Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

Lutz Barth
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Neuordnung des ärztlichen Dienstes!?

Beitrag von Lutz Barth » 03.05.2008, 20:04

In ungewöhnlicher Schärfe hat der renommierte Pflegerechtler Robert Roßbruch in seinem Editorial zur April-Ausgabe der Zeitschrift PflegeRecht die Pflegeverbände und an deren Spitze den Deutschen Pflegerat kritisiert.

R. Roßbruch weist zu Recht darauf hin, dass die Pflegeberufsverbände es im Zuge der Debatte um das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz es verabsäumt haben, einen nachhaltigen Beitrag zu den berufsrechtlichen Voraussetzungen in Form eindeutig definierter resp. konkret beschriebener behandlungspflegerischer Kompetenzen zu schaffen. Als Beweis für diese Kritik verweist Roßbruch auf die Stellungnahmen des DPR, aber auch auf die Expertisen des DBfK und des DPV und er bringt seine harsche Kritik dadurch zum Ausdruck, dass die Verbandsvertreter der Pflegeberufsverbände den Gesundheitspolitikern „im Produzieren von inhaltsleeren und unverbindlichen Sprechblasen“ nicht nachstehen.

Das Editorial ist lesenswert und ergänzend hierzu ist auszuführen, dass es nicht ausreichend sein dürfte, gebetsmühlenartig dass letzte Gutachten des Sachverständigenrats zur Neuordnung der Gesundheitsfachberufe als „Meilenstein“ für die Pflegeberufe zu bezeichnen, so wie es wohl auch nicht ausreichend ist, die aktuelle Studie des DKI zur „Neuordnung des ärztlichen Dienstes“ als längst überfällig zu bewerten. Entscheidend ist vielmehr, welche konkrete Schlüsse aus diesen Studien resp. Gutachten zu ziehen sind, wobei gerade mit Blick auf die DKI – Studie der Studienauftrag selbst zu einer gewissen Ernüchterung beitragen dürfte. Nun wollen wir hier nicht der Interessenjurisprudenz das Wort reden, aber es liegt freilich auf der Hand, dass nach dem Studienauftrag sich bestimmte rechtliche Folgerungen geradezu aufdrängen. Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass mit der Delegation resp. der gewünschten Substitution ärztlicher Leistungen Rechtsfragen angesprochen sind, die auch gegenwärtig höchst umstritten sind.

Die Debatte zeichnet vielmehr nur das auf, was im Zweifel noch klärungsbedürftig ist und hier hat R. Roßbruch durchaus Recht mit seiner Kritik, wonach im Kern eine fundierte und differenzierte Auseinandersetzung mit den rechtlichen Fragen einer Neuorientierung anzumahnen ist. Nach diesseitiger Auffassung gilt dies insbesondere auch im Hinblick auf die Neuordnung der einzelnen Aufgaben in den verschiedenen Versorgungssektoren. Es ist könnte sich für den älteren Patienten, der in einer Pflegeeinrichtung betreut wird, als ein Damoklesschwert für seine Patientensicherheit erweisen, wenn etwa scheinbar unproblematische Dauermedikationen bei chronischen Erkrankungen vom Pflegepersonal eigenverantwortlich verordnet werden sollen. Hier bleibt das Pflegepersonal insbesondere in der Verpflichtung, über die Behauptung „wir können das“ hinaus auch den Beweis dafür anzutreten, dass diese für eine polypharmakologische Therapie eines multimorbiden geriatrischen Patienten hinreichend formell und materiell qualifiziert sind. Die Bedeutung der Pflegeberufe erschöpft sich nicht in dem gelegentlichen „Ausstellen eines Rezepts“ und die so „definierte“ Professionalisierung und Emanzipation der Pflegeberufe rückt in ein „Licht“, dass eher den Anschein erwecken könnte, als dass hier manche Funktionärsvertreter der Pflegeberufsverbände ihren eigentlichen Berufswunsch nicht haben umsetzen können.

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Kevin Bednarz
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Neuordnung der Aufgaben im Krankenhaus

Beitrag von Kevin Bednarz » 04.05.2008, 06:51

Eine Neuordnung der Aufgaben im Krankenhaus aus Sicht der Kostenminimierung wäre fatal, so aber sieht es wohl im Moment aus. Weil die Ärztestellen immer teurer werden, will man Aufgaben auf das Personal verlagern, das wohl (noch) billiger zu haben. Das wären im Zweifel in erster Linie die Pflegekräfte.
Das kann nicht der richtige Weg sein. Die Aufgaben müssen so zugeordnet sein (bleiben), wie es der jeweiligen Qualifizierung entspricht. Alles andere wäre ein Übel, auch nicht im Patienteninteresse liegend. Pflegekräfte sollen sich auf das konzentrieren, was sie gelernt haben und in aller Regel gut kennen: Pflege!

Gruß
Kevin

Lutz Barth
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Neuordnung der Dienste im Krankenhaus

Beitrag von Lutz Barth » 04.05.2008, 07:47

Ich kann mich nur der Auffassung von Herrn Bednarz anschließen. Auch er geht davon aus, dass sicherlich Rationalisierungsmaßnahmen mit Blick auf die Kostensituation in den Kliniken sinnvoll wären. Dies darf aber nicht dazu führen, dass hier ggf. die „Gunst der Stunde“ genutzt wird, in dem die Verantwortlichen den Emanzipationswillen zumindest der der Funktionäre von den Pflegeberufsverbänden dankbar aufnehmen, um so vermehrt ärztliche Aufgaben an diese übertragen zu können. Es ist keine Frage, dass dies die Kostensituation erträglicher gestalten würde, da insoweit die Pflegekräfte „billiger“ zu haben sind, wie Herr Bednarz zu Bedenken gibt.

Der Gutachtenauftrag der DKI-Studie zur Neuordnung des ärztlichen Dienstes offenbart die Prämissen, unter denen die Studie erstellt worden ist: Neben dem steigenden Bedarf an Ärzten (die Nachfrage nach Ärztinnen und Ärzten wird sich in den nächsten Jahren erheblich schwieriger gestalten) ist zugleich die wirtschaftliche Entwicklung mit einzubeziehen, so dass eine Neuordnung zwingend geboten erscheint.

Hierbei dominieren allerdings die wirtschaftlichen Überlegungen, denn freilich ist auch nachzufragen, warum das Interesse an einer ärztlichen Tätigkeit im Klinikbereich seit Jahren schwindet.

Die Antwort drängt sich geradezu auf und in diesem Sinne wäre es fatal, dem Pflegepersonal mehr Aufgaben übertragen zu wollen. Warum allerdings die Pflegeberufsverbände mit unvermindertem Engagement hierfür leidenschaftlich werben, bleibt ihr Geheimnis. Dies stimmt muss um so mehr nachdenklich stimmen, als dass die Berufsverbände eine zwingend gebotene Differenzierung zwischen den Versorgungssektoren vermissen lassen.

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thorstein
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Beitrag von thorstein » 05.05.2008, 08:24

Sehr geehrter Herr Barth,
leider ist aus ihrem Profil nicht zu entnehmen, ob sie einer pflegerischen Tätigkeit nachgehen oder Erfahrung in der stationären Pflege haben.
Grundsätzlich setzt sich Pflege immer aus Grund-und Behandlungspflege zusammen. In der stationären Altenpflege kann dabei nicht von einer ärztlichen Delegation an das Peronal ausgegangen werden, wenn damit gemeint sein sollte, dass sich ein Arzt von der fachgerechten Durchführung durch das Peronal überzeugt. In eine mittelgroßen Einrichtung treffen da locker 20 Ärzte auf etwa 50 Fachkräfte.
Was wir also brauchen, ist ein Berufsrecht, was die Pflegekräfte ausdrücklich für bestimmte Tätigkeiten authorisiert und alle damit verbundenen haftungsrechtlichen Probleme absichert.
Das man je nach Einstellung zu diesem Thema bestimmte Beispiele heranzieht, um seine Meinung zu unterstützen, finde ich nicht sehr hilfreich.
Es gibt aber doch ein paar grundsätzliche Überlegungen, die sich meiner Ansicht nach aber nicht ausschließen.
1.Zumindest in der stationären Altenpflege werden ärztliche Tätigkeiten in einem größeren Ausmaß ohne nennenswerte ärztliche Kontrolle durchgeführt. Hinter diesen status quo gibt es kein Zurück mehr, außer wir schaffen eine ärztliche Präsens rund um die Uhr.
2. Kostengründe dürfen nicht der einzige Grund sein, ärztliche Tätigkeiten an andere Berufsgruppen zu übertragen. Aber das ist kein Totschlagargument gegen solche Übertragungen.
3.In der stationären Altenfplege gibt es längst Spezialisten, die in ihren Gebieten Hausärzten überlegen sind. Das wird auch meistens anerkannt, d.h die Ärzte übernehmen die Therapievorschläge des Pflegepersonals. Beispiele wären etwa Wundbehandlung oder Schmerztherapie.
4. Bei den sogenannten ärztlichen Tätigkeiten geht es um Macht, um Pretige, um Geld. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine zielführende Diskussion im Interesse der BewohnerInnen/PatientInnen.
Grüße

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Kooperationsvereinbarungen abschließen

Beitrag von Cicero » 05.05.2008, 17:40

thorstein hat geschrieben: . ... Grundsätzlich setzt sich Pflege immer aus Grund-und Behandlungspflege zusammen. In der stationären Altenpflege kann dabei nicht von einer ärztlichen Delegation an das Peronal ausgegangen werden, wenn damit gemeint sein sollte, dass sich ein Arzt von der fachgerechten Durchführung durch das Peronal überzeugt. In eine mittelgroßen Einrichtung treffen da locker 20 Ärzte auf etwa 50 Fachkräfte. ...
Zunächst muss man einmal feststellen, dass das, was praktisch so abläuft nicht zwangsläufig rechtens ist. Ärzte können in Richtung HeimbewohnerInnen behandlungspflegerische Maßnahmen verordnen und erwarten, dass sie vom tätig werdenden Personal ordnungsgemäß ausgeführt werden. Die Auswahl und Überwachung des insoweit geeigneten Personals obliegt dem Heimträger bzw. den verantwortlichen Pflegefachkräften. Um im allseitigen Interesse korrekt vorzugehen, wird angeraten, dass mit den Ärzten Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden. Dabei können die infrage kommenden Fragen beantwortet werden. Es besteht dann Klarheit und Sicherheit für die Beteiligten.

Cicero
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Lutz Barth
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Delegationsproblematik in der stationären Altenpflege!

Beitrag von Lutz Barth » 05.05.2008, 19:39

Allein die „faktische Übernahme“ ärztlicher Tätigkeiten durch das Altenpflegepersonal ist kein Beleg dafür, dass dies regelmäßig rechtens ist. Vielmehr besteht hier ein Regelungsbedürfnis, dass nur vom Gesetzgeber entsprechend wahrgenommen werden kann und prinzipiell auch mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz umgesetzt werden soll. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung ist es allerdings rechtsirrig anzunehmen, dass die Rechtsfragen geklärt sind. Die Überwachung des Pflegepersonals – auch in einer stationären Alteneinrichtung – obliegt dem Arzt resp. der Ärztin, mag dies auch insbesondere der Pflegerechtler Thomas Klie in seinem Lehrbuch anders sehen. Hier verkennt Klie insbesondere den Umstand, dass die Überwachung des Pflegepersonals keiner Delegation zugänglich ist und im Übrigen sich das Altenpflegepersonal als Erfüllungsgehilfen der ärztlichen Therapeuten erweist. Da in aller Regel der Träger resp. das von ihm beauftragte Fachpersonal nicht über die derzeit nach wie vor erforderliche Approbation verfügt, sind selbständige „medizinische Tätigkeiten“ selbstverständlich ausgeschlossen, so dass es bei der Anordnungs- und Überwachungsverantwortung des delegierenden Arztes verbleibt und im Übrigen dem ärztlichen Therapeuten auch ein Weisungsrecht zusteht (was freilich von Klie ebenfalls verneint wird).

Siehe dazu im weiterführend meine Argumentation in der diesseitigen Standortbestimmung zur Pflege in Zeitschrift PflegeRecht

"Standortbestimmung Pflege – zugleich eine Stellungnahme zum gleichnamigen Beitrag von H. Böhme und M. Hasseler in „Die Schwester/Der Pfleger 08/2006“
v. Lutz Barth (2007), ein Beitrag in drei Teilen
Teil 1, in PflR 06/2007, S. 253 ff.
Teil 2, in PflR 07/2007, S. 307 ff.
Teil 3, in PflR 06/2007, S. 356 ff.

Ferner M. Barth und L. Barth
>>> http://www.iqb-info.de/831BGB_RA_MB.pdf

Die Rechtsfragen der Substitution, aber auch der Delegationsproblematik sind nach wie vor umstritten und es bleibt abzuwarten, inwieweit auf Grund der Modellklausel im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz das Berufs- und Haftungsrecht eine Änderung erfährt, dass im Zweifel zu mehr Rechtssicherheit für die speziell in der Altenpflege Tätigen führt.

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Delegationsproblematik in der stationären Altenpflege!

Beitrag von Cicero » 06.05.2008, 06:36

Lutz Barth hat geschrieben: ... Allein die „faktische Übernahme“ ärztlicher Tätigkeiten durch das Altenpflegepersonal ist kein Beleg dafür, dass dies regelmäßig rechtens ist. Vielmehr besteht hier ein Regelungsbedürfnis, ... ... so dass es bei der Anordnungs- und Überwachungsverantwortung des delegierenden Arztes verbleibt und im Übrigen dem ärztlichen Therapeuten auch ein Weisungsrecht zusteht ...
Ich sehe auch Regelungsbedürfnisse. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass der Gesetzgeber wirklich für klare Verhältnisse sorgen wird (die Probleme bestehen seit Jahrzehnten!). Daher plädiere ich - mit vielen anderen - dafür, dass die Heime mit den Ärzten Kooperationsvereinbarungen schließen und darin die beidseitigen Rechte und Pflichten exakt beschreiben. Ärzte können nicht als weisungsberechtigte Vorgesetzte gegenüber dem Heimpersonal auftreten, das bedarf einer gesonderten Vereinbarung.
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Lutz Barth
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Weisungsrechte?!

Beitrag von Lutz Barth » 06.05.2008, 07:36

Nun – in der Tat bestehen die „Probleme seit Jahrzehnten“. Ein solches liegt aber weniger daran, dass der Gesetzgeber nicht seinen Aufgaben nachgekommen ist, sondern an der Interpretation des geltenden Rechts durch einige Pflegerechtler. Die Rechtslage war bis dato durchaus klar: der ärztliche Therapeut trägt die Gesamtverantwortung für seinen Patienten und ein solches gilt freilich auch den Hausarzt/die Hausärztin, die ihre Patienten in einer stationären Einrichtung betreuen.
Der Auffassung von Cicero, wonach Ärzte keine Vorgesetzten des Heimpersonals sind, ist durchaus korrekt, wenngleich hierdurch keine (!) Weisungsrechte gegenüber dem fremden Pflegepersonal ausgeschlossen sind. Das Weisungsrecht bezieht sich lediglich auf die vom Arzt getroffene therapeutische Entscheidung und sofern ein freiberuflich tätiger Arzt Personal für seine Zwecke einbindet, trägt er auch die Überwachungspflichten, die nicht der Delegation fähig sind. Die rechtliche Stellung des Belegarztes (im Krankenhaus) könnte hier Impulse für die Pflegerechtler bieten, die ansonsten auch dazu neigen, einschlägige Rechtsfragen und deren Lösungen in der Krankenpflege im Verhältnis 1:1 auf die Altenpflege zu übertragen.

Freilich sind mit den möglichen Kooperationsvereinbarungen echte Handlungsoptionen verbunden, die es im Einzelnen auszuloten gilt.

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thorstein
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Beitrag von thorstein » 06.05.2008, 08:49

Sehr geehrter Herr Barth,
dass es auch außerhalb der akademischen Approbation rechtlich abgesicherte Möglichkeiten der Behandlung gibt, zeigt doch wohl das Heilpraktikergesetz. Wie sichert sich ein Heilpraktiker gegen Behandlungsfehler ab?
Zwischenzeitlich gibt es auch ein bundeseinheitliches Gesetz zur Ausbildung in der Altenpflege. Was spräche zum Beispiel dagegen, die behandlungspfegerischen Kompetenzen bei Pflegekräften durch Amtsärzte überprüfen zu lassen, und damit die Farce der angeblichen Delegation zu beenden. Zur Durchführung dieser Tätigkeiten genügt dann die ärztliche Anordnung.
Allerdings können wir auch die nächsten 20 Jahre das hohe Lied der Approbation singen, an der Praxis wird es nichts ändern. Bisher gibt es ja auch keine Rechtssprechung, die diese Praxis verhindert. Offensichtlich hat doch kein Hausarzt Angst davor, Behandlungspflege anzuorden, ohne diese im Sinner einer Delegation zu überwachen. Da diese Überwachung praktisch sowieso unmöglich ist, müßten Hausärzte konsequenterweise die Versorgung von Heimbewohnern einstellen. Umgekehrt gilt das Gleiche: als Pflegekraft müßte ich konsequenterweise bei jeder Behandlungspflege auf eine Einweisung oder Kontrolle durch den jeweiligen Hauarzt bestehen, um rechtlich abgesichert zu sein.
Grüße

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Delegation ärztlicher Leistungen

Beitrag von Presse » 16.05.2008, 05:57

Kammer Westfalen-Lippe:
„Bei der Delegation ärztlicher Leistungen nicht über das Ziel hinaus schießen“

Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, hat im Vorfeld des 111. Deutschen Ärztetages davor gewarnt, bei der Delegation ärztlicher Leistungen „über das Ziel hinauszuschießen“. Laut Windhorst müssen in der heutigen modernen und komplexen Medizin zwar auch die nicht ärztlichen Gesundheitsberufe in die Versorgungskonzepte einbezogen werden. Die Koalitionsvereinbarung vom November 2005, das Sachverständigenrats-Gutachten von Juli 2007 [...]
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=32366

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