Neusser Heimaufsicht schönt die Pflegesituation !
Verfasst: 24.06.2007, 07:30
Neusser Heimaufsicht schönt die Pflegesituation !
Bericht der Heimaufsicht des Kreises zur Versorgungsqualität
Petrauschke: „Heimbewohner können sich im Kreis sicher fühlen“
Rhein-Kreis Neuss. “Bis auf die Knochen wund“, “Falsche Pflege führte zum Tod“, “Gebadet wurde nur einmal im Monat“. So oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen zahlreicher Zeitungsberichte, mit denen über immer neue Skandale in Pflegeheimen berichtet wurde. Ein anderes Bild ergibt sich im Rhein-Kreis Neuss. Die Ergebnisse einer Qualitätsanalyse zur Versorgungssituation in Altenpflegeheimen und Behindertenwohnhäusern für die Jahre 2005/2006 hat die Heimaufsicht des Rhein-Kreises Neuss jetzt in einem Bericht zusammengefasst.
“Die Pflege- und Versorgungssituation der rund 3.700 Menschen, die im Rhein-Kreis Neuss in Heimen leben, ist insgesamt gut.“ Zu diesem Schluss kommt Dr. Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Landrat und Vorsitzender des Sozial- und Gesundheitsausschusses im Kreistag, der zusammen mit Kreisdirektor Hans-Jürgen Petrauschke, Kreisgesundheitsdezernent Karsten Mankowsky und der Heimaufsicht die Ergebnisse des Berichtes im Kreishaus Grevenbroich vorstellten.
Im Rhein-Kreis Neuss hat sich der Sozial- und Gesundheitsausschuss bereits seit den 80er Jahren mit diesem Thema beschäftigt und Leitlinien unter anderem im “Silbernen Plan³ aufgestellt. Ein wichtiges Instrument zur Qualitätskontrolle stellt die Heimaufsicht des Kreises dar, die beim Sozialamt angesiedelt ist. Sie hat den Auftrag, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner zu schützen. Der Gesetzgeber ihr gab dazu weitreichende Kompetenzen in die Hand, um Gefahren für die Bewohner abzuwenden. “Die unangemeldeten Kontrollbesuche, die zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Heimen durchgeführt werden, aber auch die vielen präventiven Beratungsgespräche mit Heimleitungen und Leitungskräften haben sich im Rhein-Kreis Neuss bewährt“, betonte Kreisdirektor Petrauschke. Er wies aber auch auf veränderte Aufgabenstellungen in den Pflegeheimen hin: “Während früher viele ältere Menschen noch ohne Pflegebedarf die Sicherheit eines Altenheimes suchten, ist heute fast jeder Bewohner ein Pflegefall. Das erfordert größeren Pflegeaufwand und damit mehr geschultes Personal, das erhöht aber auch den Kostendruck auf die Heimträger. Beschwerden sind daher oft unvermeidlich und werden von unserer Heimaufsicht in jedem Einzelfall geprüft.“ Dass dennoch die Heimaufsicht lediglich in 14 Fällen Beschwerden nachgehen mussten, - allerdings zum Teil auch mit weitreichenden Konsequenzen, wie beispielsweise die Entlassung einer Pflegekraft -, wertet Petrauschke als positives Zeichen im Hinblick auf die Versorgungsqualität der Heime. “ Bei uns im Rhein-Kreis Neuss können sich die Heimbewohner sicher fühlen.“
Um der gewachsenen Aufgabenstellung gerecht zu werden, hat der Kreis die Heimaufsicht um eine weitere Kraft verstärkt. Im Team mit jeweils einem Gesundheitsaufseher des Kreisgesundheitsamtes führte die Heimaufsicht in den Jahren 2005/2006 mehr als 100 Kontrollen in 30 Altenpflegeheimen, 3 Einrichtungen der ambulanten Pflege, 2 Hospizen sowie 42 Wohnhäusern für Menschen mit Behinderungen durch. “Wir legen bei unseren Kontrollen großen Wert darauf, nicht nur die Pflegedokumentation einzusehen, sondern auch mit dem Personal und den Bewohnern zu sprechen, um uns ein besseres Bild von der Gesamtsituation zu verschaffen“, erläutert Marcus Mertens von der Heimaufsicht. Als wertvoll haben sich auch das von der Heimaufsicht organisierte Fortbildungsprogramm für Pflegekräfte und der Unterricht am Fachseminar für Altenpflege erwiesen. “Wir wollen nicht nur mit erhobenem Zeigefinger kommen, sondern bereits präventiv bei der Aus- und Fortbildung der Altenpflegekräfte ansetzen, um Pflegefehler frühzeitig zu vermeiden“, so Mertens weiter.
Sorgen bereiten Kreisgesundheitsdezernent Karsten Mankowsky derzeit die Ausbreitung von Noroviren-Infektionen in den Heimen, die zu schweren Durchfallerkrankungen führen. “In diesem Jahr sind bereits 13 Gruppen mit über 370 Menschen im Kreisgebiet betroffen. Damit sind bereits Mitte 2007 die Fallzahlen des Vorjahres überschritten. Ein Phänomen, das leider bundesweit zu beobachten ist“, sagte Mankowsky. Das Kreisgesundheitsamt hat deshalb einen 24-Stunden-Meldedienst eingerichtet, um möglichst schnell zusammen mit den Heimleitungen erforderliche Hygienemaßnahmen zu ergreifen. In zahlreichen vom Kreisgesundheitsamt angebotenen Fortbildungsveranstaltungen wird versucht, die Pflegekräfte für die besonderen Hygieneschutzmaßnahmen zu sensibilisieren.
Statement des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. – nochmals für die Medien zusammengestellt am 28.6.2007:
Heime - Die Pflege-Rahmenbedingungen stimmen nicht!
In dem Bericht über die Vorlage des Heimprüfberichtes für die Jahre 2005 und 2006 wird schlicht behauptet, die alten und behinderten Menschen, die im Rhein-Kreis Neuss in Heimen leben, würden allesamt ordnungsgemäß gepflegt und betreut. Dass dies für viele Pflegesituationen zutreffen mag, soll nicht bestritten werden.
Gleichwohl gehört zu einer korrekten und wahrheitsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit aber auch, dass die Pflege-Rahmenbedingungen eine angemessene Pflege, Betreuung und Versorgung der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen oftmals nicht zulassen.
Wie kann es sonst z.B. sein, dass zahlreiche Pflegekräfte über unzulängliche Arbeitsbedingungen klagen. Insoweit hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege am 19.3.2007 u.a. erklärt:
„Die Belastungen in der Pflege sind vielfältig. Die Zahl der dementen oder hochbetagten und mehrfach chronisch kranken Menschen steigt und der Zeitdruck verstärkt sich. Als Folgen dieser körperlichen und psychischen Belastungen treten bei den Beschäftigten häufig psychosomatisch bedingte Rücken- und Hauterkrankungen, Burn-out und Depressionen auf. Am Ende steht bei Pflegekräften oftmals der vorzeitige Ausstieg aus dem Beruf, in vielen Fällen schon nach weniger als zehn Jahren.“
Ein kritischer Prüfbericht der Heimaufsicht muss sich mit solchen Fakten auseinandersetzen und nicht die Öffentlichkeit dadurch in die Irre führen, es sei einfach alles in Ordnung. Die Heimaufsicht muss sich im Übrigen auf die ihr zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben (der Gefahrenabwehr) beschränken und kann über eine Heim-Ergebnisqualität in Wirklichkeit nur ungenügende Aussagen machen.
Dass der Neusser Heimaufsicht in zwei Jahren nur 14 Beschwerden zugegangen sein sollen, zeigt eigentlich auf, dass die pflegebedürftigen Menschen bzw. die Angehörigen von der Heimaufsicht eher weniger Hilfe erwarten. Tatsache ist nämlich, dass allein bei mir in einem vierwöchigen Zeitraum mehr als 14 Hilfeanfragen eingehen. Problematisch ist dabei, dass sich die klageführenden Personen, meist Pflegekräfte und Angehörige, nicht ohne Schutz trauen, „Ross und Reiter“ zu nennen. Pflegekräfte befürchten bei der Bekanntgabe ihres Namens eine Kündigung, andere Beschwerdeführer gehen von Nachteilen für die Angehörigen aus. Hier liegt ein entscheidender Schwachpunkt in der Heimbeurteilung und Mängelbenennung. Zu diesen Gegebenheiten, die übrigens bundesweit Gültigkeit haben, äußert sich der Prüfbericht offensichtlich nicht und ignoriert solche entscheidenden Fakten.
Für zumindest ungeschickt halte ich es, dass lediglich ein einziger eine Pflegekraft betreffender Beschwerdefall, sozusagen als Musterbeispiel, vorgestellt wird. Dabei ging es um eine Pflegekraft, die sich einer Pflichtwidrigkeit schuldig gemacht hat. Dass insoweit zurecht Konsequenzen gezogen wurden, bedarf keiner langen Erörterung. Ich hätte mir aber gewünscht, andere – eher strukturelle - Missstände angeprangert zu sehen. Der jetzt vorgestellte Einzelfall suggeriert, Beschwerdenotwendigkeiten seien allein in Richtung Personal gegeben. Gerade das Personal ist aber für die mangelhaften Rahmenbedingungen am Wenigsten verantwortlich!
Der Pflege-Selbsthilfeverband e.V. wird in allernächster Zeit ein Konzept vorlegen, das sicherstellt, dass die Ergebnisqualität in den stationären Pflegeeinrichtungen offen gelegt wird. Die Vergabe einer "Auszeichnung menschenwürdige Pflege" wird vorbereitet. Heime, die nach Gütekriterien eine gute Ergebnisqualität gewährleisten und mit dem Pflege-Selbsthilfeverband e.V. eine Vereinbarung treffen, mit der die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" sowie ein gesondertes Beschwerdemanagement anerkannt werden, dürfen diese Auszeichnung führen und damit auch am Markt werben. Wir werden damit den guten Heimen einen Vorteil verschaffen und so "Spreu vom Weizen trennen" helfen.
Leider decken sich die beim Pflege-Selbsthilfeverband e.V. bisher eingegangen Mitteilungen von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen bzw. Hinweise angestellter Pflegefachkräfte nicht mit den positiven Einschätzungen der Heimaufsicht im Rhein-Kreis Neuss. Unabhängig von diesen Einzelbeschwerden ist allgemein bekannt, dass mindestens 20% zu wenig Personal in der Heimpflege beschäftigt wird. Dies kann überwiegend mit den gesetzlich bzw. vertraglich vorgegebenen Rahmenbedingungen erklärt werden. Aus der Sicht der betroffenen Menschen kann man sich damit aber nicht zufrieden geben. Behörden sollten auch den Eindruck vermeiden, es sei alles in Ordnung. M.E. dürfte seitens der Heimaufsicht nur bestätigt werden, dass den Anforderungen der geltenden (reformbedürftigen) Vorschriften weitgehend entsprochen sei. Eine schlechthin gute Pflege kann doch ernstlich nicht quittiert werden. Spricht man mit führenden Pflegekräften geben sie unumwunden zu, dass es hinten und vorn an Personal mangele. Ein Caritasvertreter aus dem Kölner Raum erklärte im vergangenen Jahr frank und frei, dass sogar bis zu 30% Personal fehle.
Diesen Gegebenheiten müssen auch die Unterrichtungen der Heimaufsicht gerecht werden. Dies Ansprüchen ist der Rhein-Kreis Neuss mit seinen jüngsten Erklärungen nicht gerecht geworden.
Werner Schell, 2. Vorsitzender des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. - Internet: http://www.pflege-shv.de
Siehe auch die bisherigen Medienberichte:
Ohne Angst ins Heim – Bericht der NGZ vom 21.06.2007 über die Vorlage des Heim-Prüfberichtes für den Rhein-Kreis Neuss für die Jahre 2005 - 2006
http://www.wernerschell.de/images/ohne_ ... s_heim.jpg
Bericht der NGZ „Ohne Angst ins Heim“ vom 21.6.2007 – Leserzuschrift von Werner Schell vom 21.06.2007
http://www.wernerschell.de/Medizin-Info ... s_heim.htm
Bericht der Heimaufsicht des Kreises zur Versorgungsqualität
Petrauschke: „Heimbewohner können sich im Kreis sicher fühlen“
Rhein-Kreis Neuss. “Bis auf die Knochen wund“, “Falsche Pflege führte zum Tod“, “Gebadet wurde nur einmal im Monat“. So oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen zahlreicher Zeitungsberichte, mit denen über immer neue Skandale in Pflegeheimen berichtet wurde. Ein anderes Bild ergibt sich im Rhein-Kreis Neuss. Die Ergebnisse einer Qualitätsanalyse zur Versorgungssituation in Altenpflegeheimen und Behindertenwohnhäusern für die Jahre 2005/2006 hat die Heimaufsicht des Rhein-Kreises Neuss jetzt in einem Bericht zusammengefasst.
“Die Pflege- und Versorgungssituation der rund 3.700 Menschen, die im Rhein-Kreis Neuss in Heimen leben, ist insgesamt gut.“ Zu diesem Schluss kommt Dr. Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Landrat und Vorsitzender des Sozial- und Gesundheitsausschusses im Kreistag, der zusammen mit Kreisdirektor Hans-Jürgen Petrauschke, Kreisgesundheitsdezernent Karsten Mankowsky und der Heimaufsicht die Ergebnisse des Berichtes im Kreishaus Grevenbroich vorstellten.
Im Rhein-Kreis Neuss hat sich der Sozial- und Gesundheitsausschuss bereits seit den 80er Jahren mit diesem Thema beschäftigt und Leitlinien unter anderem im “Silbernen Plan³ aufgestellt. Ein wichtiges Instrument zur Qualitätskontrolle stellt die Heimaufsicht des Kreises dar, die beim Sozialamt angesiedelt ist. Sie hat den Auftrag, die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner zu schützen. Der Gesetzgeber ihr gab dazu weitreichende Kompetenzen in die Hand, um Gefahren für die Bewohner abzuwenden. “Die unangemeldeten Kontrollbesuche, die zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Heimen durchgeführt werden, aber auch die vielen präventiven Beratungsgespräche mit Heimleitungen und Leitungskräften haben sich im Rhein-Kreis Neuss bewährt“, betonte Kreisdirektor Petrauschke. Er wies aber auch auf veränderte Aufgabenstellungen in den Pflegeheimen hin: “Während früher viele ältere Menschen noch ohne Pflegebedarf die Sicherheit eines Altenheimes suchten, ist heute fast jeder Bewohner ein Pflegefall. Das erfordert größeren Pflegeaufwand und damit mehr geschultes Personal, das erhöht aber auch den Kostendruck auf die Heimträger. Beschwerden sind daher oft unvermeidlich und werden von unserer Heimaufsicht in jedem Einzelfall geprüft.“ Dass dennoch die Heimaufsicht lediglich in 14 Fällen Beschwerden nachgehen mussten, - allerdings zum Teil auch mit weitreichenden Konsequenzen, wie beispielsweise die Entlassung einer Pflegekraft -, wertet Petrauschke als positives Zeichen im Hinblick auf die Versorgungsqualität der Heime. “ Bei uns im Rhein-Kreis Neuss können sich die Heimbewohner sicher fühlen.“
Um der gewachsenen Aufgabenstellung gerecht zu werden, hat der Kreis die Heimaufsicht um eine weitere Kraft verstärkt. Im Team mit jeweils einem Gesundheitsaufseher des Kreisgesundheitsamtes führte die Heimaufsicht in den Jahren 2005/2006 mehr als 100 Kontrollen in 30 Altenpflegeheimen, 3 Einrichtungen der ambulanten Pflege, 2 Hospizen sowie 42 Wohnhäusern für Menschen mit Behinderungen durch. “Wir legen bei unseren Kontrollen großen Wert darauf, nicht nur die Pflegedokumentation einzusehen, sondern auch mit dem Personal und den Bewohnern zu sprechen, um uns ein besseres Bild von der Gesamtsituation zu verschaffen“, erläutert Marcus Mertens von der Heimaufsicht. Als wertvoll haben sich auch das von der Heimaufsicht organisierte Fortbildungsprogramm für Pflegekräfte und der Unterricht am Fachseminar für Altenpflege erwiesen. “Wir wollen nicht nur mit erhobenem Zeigefinger kommen, sondern bereits präventiv bei der Aus- und Fortbildung der Altenpflegekräfte ansetzen, um Pflegefehler frühzeitig zu vermeiden“, so Mertens weiter.
Sorgen bereiten Kreisgesundheitsdezernent Karsten Mankowsky derzeit die Ausbreitung von Noroviren-Infektionen in den Heimen, die zu schweren Durchfallerkrankungen führen. “In diesem Jahr sind bereits 13 Gruppen mit über 370 Menschen im Kreisgebiet betroffen. Damit sind bereits Mitte 2007 die Fallzahlen des Vorjahres überschritten. Ein Phänomen, das leider bundesweit zu beobachten ist“, sagte Mankowsky. Das Kreisgesundheitsamt hat deshalb einen 24-Stunden-Meldedienst eingerichtet, um möglichst schnell zusammen mit den Heimleitungen erforderliche Hygienemaßnahmen zu ergreifen. In zahlreichen vom Kreisgesundheitsamt angebotenen Fortbildungsveranstaltungen wird versucht, die Pflegekräfte für die besonderen Hygieneschutzmaßnahmen zu sensibilisieren.
Statement des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. – nochmals für die Medien zusammengestellt am 28.6.2007:
Heime - Die Pflege-Rahmenbedingungen stimmen nicht!
In dem Bericht über die Vorlage des Heimprüfberichtes für die Jahre 2005 und 2006 wird schlicht behauptet, die alten und behinderten Menschen, die im Rhein-Kreis Neuss in Heimen leben, würden allesamt ordnungsgemäß gepflegt und betreut. Dass dies für viele Pflegesituationen zutreffen mag, soll nicht bestritten werden.
Gleichwohl gehört zu einer korrekten und wahrheitsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit aber auch, dass die Pflege-Rahmenbedingungen eine angemessene Pflege, Betreuung und Versorgung der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen oftmals nicht zulassen.
Wie kann es sonst z.B. sein, dass zahlreiche Pflegekräfte über unzulängliche Arbeitsbedingungen klagen. Insoweit hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege am 19.3.2007 u.a. erklärt:
„Die Belastungen in der Pflege sind vielfältig. Die Zahl der dementen oder hochbetagten und mehrfach chronisch kranken Menschen steigt und der Zeitdruck verstärkt sich. Als Folgen dieser körperlichen und psychischen Belastungen treten bei den Beschäftigten häufig psychosomatisch bedingte Rücken- und Hauterkrankungen, Burn-out und Depressionen auf. Am Ende steht bei Pflegekräften oftmals der vorzeitige Ausstieg aus dem Beruf, in vielen Fällen schon nach weniger als zehn Jahren.“
Ein kritischer Prüfbericht der Heimaufsicht muss sich mit solchen Fakten auseinandersetzen und nicht die Öffentlichkeit dadurch in die Irre führen, es sei einfach alles in Ordnung. Die Heimaufsicht muss sich im Übrigen auf die ihr zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben (der Gefahrenabwehr) beschränken und kann über eine Heim-Ergebnisqualität in Wirklichkeit nur ungenügende Aussagen machen.
Dass der Neusser Heimaufsicht in zwei Jahren nur 14 Beschwerden zugegangen sein sollen, zeigt eigentlich auf, dass die pflegebedürftigen Menschen bzw. die Angehörigen von der Heimaufsicht eher weniger Hilfe erwarten. Tatsache ist nämlich, dass allein bei mir in einem vierwöchigen Zeitraum mehr als 14 Hilfeanfragen eingehen. Problematisch ist dabei, dass sich die klageführenden Personen, meist Pflegekräfte und Angehörige, nicht ohne Schutz trauen, „Ross und Reiter“ zu nennen. Pflegekräfte befürchten bei der Bekanntgabe ihres Namens eine Kündigung, andere Beschwerdeführer gehen von Nachteilen für die Angehörigen aus. Hier liegt ein entscheidender Schwachpunkt in der Heimbeurteilung und Mängelbenennung. Zu diesen Gegebenheiten, die übrigens bundesweit Gültigkeit haben, äußert sich der Prüfbericht offensichtlich nicht und ignoriert solche entscheidenden Fakten.
Für zumindest ungeschickt halte ich es, dass lediglich ein einziger eine Pflegekraft betreffender Beschwerdefall, sozusagen als Musterbeispiel, vorgestellt wird. Dabei ging es um eine Pflegekraft, die sich einer Pflichtwidrigkeit schuldig gemacht hat. Dass insoweit zurecht Konsequenzen gezogen wurden, bedarf keiner langen Erörterung. Ich hätte mir aber gewünscht, andere – eher strukturelle - Missstände angeprangert zu sehen. Der jetzt vorgestellte Einzelfall suggeriert, Beschwerdenotwendigkeiten seien allein in Richtung Personal gegeben. Gerade das Personal ist aber für die mangelhaften Rahmenbedingungen am Wenigsten verantwortlich!
Der Pflege-Selbsthilfeverband e.V. wird in allernächster Zeit ein Konzept vorlegen, das sicherstellt, dass die Ergebnisqualität in den stationären Pflegeeinrichtungen offen gelegt wird. Die Vergabe einer "Auszeichnung menschenwürdige Pflege" wird vorbereitet. Heime, die nach Gütekriterien eine gute Ergebnisqualität gewährleisten und mit dem Pflege-Selbsthilfeverband e.V. eine Vereinbarung treffen, mit der die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" sowie ein gesondertes Beschwerdemanagement anerkannt werden, dürfen diese Auszeichnung führen und damit auch am Markt werben. Wir werden damit den guten Heimen einen Vorteil verschaffen und so "Spreu vom Weizen trennen" helfen.
Leider decken sich die beim Pflege-Selbsthilfeverband e.V. bisher eingegangen Mitteilungen von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen bzw. Hinweise angestellter Pflegefachkräfte nicht mit den positiven Einschätzungen der Heimaufsicht im Rhein-Kreis Neuss. Unabhängig von diesen Einzelbeschwerden ist allgemein bekannt, dass mindestens 20% zu wenig Personal in der Heimpflege beschäftigt wird. Dies kann überwiegend mit den gesetzlich bzw. vertraglich vorgegebenen Rahmenbedingungen erklärt werden. Aus der Sicht der betroffenen Menschen kann man sich damit aber nicht zufrieden geben. Behörden sollten auch den Eindruck vermeiden, es sei alles in Ordnung. M.E. dürfte seitens der Heimaufsicht nur bestätigt werden, dass den Anforderungen der geltenden (reformbedürftigen) Vorschriften weitgehend entsprochen sei. Eine schlechthin gute Pflege kann doch ernstlich nicht quittiert werden. Spricht man mit führenden Pflegekräften geben sie unumwunden zu, dass es hinten und vorn an Personal mangele. Ein Caritasvertreter aus dem Kölner Raum erklärte im vergangenen Jahr frank und frei, dass sogar bis zu 30% Personal fehle.
Diesen Gegebenheiten müssen auch die Unterrichtungen der Heimaufsicht gerecht werden. Dies Ansprüchen ist der Rhein-Kreis Neuss mit seinen jüngsten Erklärungen nicht gerecht geworden.
Werner Schell, 2. Vorsitzender des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. - Internet: http://www.pflege-shv.de
Siehe auch die bisherigen Medienberichte:
Ohne Angst ins Heim – Bericht der NGZ vom 21.06.2007 über die Vorlage des Heim-Prüfberichtes für den Rhein-Kreis Neuss für die Jahre 2005 - 2006
http://www.wernerschell.de/images/ohne_ ... s_heim.jpg
Bericht der NGZ „Ohne Angst ins Heim“ vom 21.6.2007 – Leserzuschrift von Werner Schell vom 21.06.2007
http://www.wernerschell.de/Medizin-Info ... s_heim.htm