RHEIN-KREIS NEUSS - Bedrohlich viele Pflegeplätze
Verfasst: 04.05.2006, 06:44
RHEIN-KREIS NEUSS - Bedrohlich viele Pflegeplätze
Autor: Von Frank Kirschstein
Rhein-Kreis Neuss Die Gesellschaft altert, immer mehr Menschen werden immer älter, da müssten mehr Betten in mehr Pflegeheimen doch eigentlich eine tolle Sache sein - müssten, sind es aber nicht.
Der Rhein-Kreis Neuss fürchtet Überkapazitäten in der Altenpflege, die den Kreis und seine Kommunen teuer zu stehen kommen könnte. Auch für die Betreuungsqualität befürchtet Sozialdezernent Stefan Stelten Nachteile, sollte es nicht gelingen, den Neubau von Pflegeheimen dem tatsächlichen Bedarf anzupassen.
Bis zum Jahr 2010 rechnet Stelten im Rhein-Kreis mit fast 300 Betten zu viel. „Das ist nicht allein das unternehmerische Risiko der Investoren, die Pflegeheime bauen oder erweitern. Als Sozialhilfeträger könnte auch der Rhein-Kreis Neuss betroffen sein“, erklärt Stelten.
Die Bedarfsprognose des „Silbernen Plans“ ging für 2005 von 2777 zu betreuenden Menschen im Rhein-Kreis aus. Dem standen insgesamt 2790 Heimpflegeplätze gegenüber. Eine Umfrage bei den Heimbetreibern ergab, dass deren Einrichtungen bis auf wenige Ausnahmen voll ausgelastet sind. Allerdings gestaltet sich die Neubelegung frei werdender Betten bereits heute immer schwieriger.
Für das Jahr 2010 geht die Prognose von 3093 zu betreuenden Menschen aus. Mit der Schaffung neuer, teils bereits geplanter oder im Bau befindlicher Heimplätze werden bereits Ende 2006 2930 Betten zur Verfügung stehen.
Mittelfristig bis 2010 wird sich diese Zahl nach Schätzungen des Rhein-Kreises auf 3250 erhöhen, wenn alle derzeitigen Planungen umgesetzt werden. Damit stünden 157 Plätze mehr zur Verfügung als benötigt.
Dies entspreche, so Stelten, fast zwei vollstationären Heimen mit je 80 Plätzen. „Dabei ist noch nicht bekannt, wie viele Neubauprojekte bis dahin noch geplant und begonnen werden“, heißt es in einem Bericht der Kreisverwaltung an den Sozialausschuss des Kreistages.
Unberücksichtigt ist bei diesem Szanario zudem noch, dass ambulante und teilstationäre Pflege ausgebaut wird, neue Formen des betreuten Wohnens klassische Pflegeplätze teilweise ersetzen und zunehmend ausländische Pflegekräfte für vergleichsweise geringen Lohn in der Familie eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung übernehmen. Die Folge: Der Bedarf an stationärer Pflege wird möglicherweise noch deutlich geringer ausfallen als geplant.
Die Folgen aus der Sicht des Kreises, der selbst auch Heimträger ist: Mit sinkender Auslastung der Heime leidet auch die Wirtschaftlichkeit. Dies betrifft die Personalkosten ebenso wie die Sachkosten. Auch wird die Refinanzierung der Investitionen für Bau, Kauf oder Miete eines Pflegeheimes bei verminderter Auslastung zum Problem.
Das bislang partnerschaftliche Zusammenwirken der Heime, so die Befürchtung, könnte durch einen stärkeren Kampf um die Kunden leiden. Dabei drohe der Preis und nicht die Leistung zum entscheidenden Wettbewerbsargument zu werden. Die Folge: Unterbringung und Betreuung des einzelnen verschlechtern sich.
Zudem drohen dem Kreis direkte Mehrbelastungen: Bereits jetzt sind rund 15 Millionen Euro im Kreishaushalt für Pflegewohngeld und Hilfe zur Pflege eingestellt. Mit neueren - und teureren - Heimen könnten diese Ausgaben steigen.
Mehrbelstungen wären auch zu erwarten, wenn zum Beispiel ein Heim dem Wettbewerbsdruck nicht mehr standhalten kann und Insolvenz anmeldet. Im Zuge der Gefahrenabwehr wäre der Kreis dann möglicherweise gezwungen, für eine Zeit kommissarisch den Heimbetrieb weiterzuführen.
Das Problem: Dem Rhein-Kreis fehlt es an Steuerungsmöglichkeiten. Nach einer Novellierung des Landespflegegesetzes haben die Kommunen keinen Einfluss mehr darauf, ob Investoren, seien es privatwirtschaftliche oder gemeinnützige, in ihrem Gebiet Pflegeeinrichtungen bauen oder nicht.
Die Kreisverwaltung befürchtet eine „explosionsartige“ Erweiterung der Angebots an Heimplätzen: „Damit sind die Kommunen zum Zuschauer eines sich entwickelnden Marktes geworden, dessen finanzielle Auswirkungen sie jedoch unmittelbar zu tragen haben.“
Auf Vorschlag Steltens sprach der Sozialausschuss deshalb einstimmig eine Beschlussempfehlung an den Kreisausschuss aus: Die Fraktionen sollen an die Kommunen appellieren, damit diese über ihre Planungshoheit und mit der Wirtschaftsförderung Einfluss nehmen, um Überkapazitäten an Vollzeitpflegeplätzen zu vermeiden.
Mit einer alternden Gesellschaft werden mehr Pflegeplätze gebraucht. Im Kreis droht jedoch ein Überangebot , das die öffentliche Hand finanziell belasten würde.
INFO
Heimplätze in Planung
Derzeit ist der Um- oder Neubau folgender Pflegeheime im Rhein-Kreis Neuss geplant (in Klammern die Zahl der neu geschaffenen Betten): Kloster Immaculata in Neuss (40), Caritasverband in Rommerskirchen (80), Altenheim St. Josef in Neuss (10), Altenheim St. Aldegundis in Büttgen (10), Diakonie Rhein-Kreis Neuss in Dormagen (80), Marsaille-Kliniken in Meerbusch (zwei Mal 80), Sunrise in Meerbusch (80).
Dies sind insgesamt 460 zusätzliche Pflegeplätze.
Quelle: Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 3.5.2006
http://www.ngz-online.de/public/article ... uss/330067
Autor: Von Frank Kirschstein
Rhein-Kreis Neuss Die Gesellschaft altert, immer mehr Menschen werden immer älter, da müssten mehr Betten in mehr Pflegeheimen doch eigentlich eine tolle Sache sein - müssten, sind es aber nicht.
Der Rhein-Kreis Neuss fürchtet Überkapazitäten in der Altenpflege, die den Kreis und seine Kommunen teuer zu stehen kommen könnte. Auch für die Betreuungsqualität befürchtet Sozialdezernent Stefan Stelten Nachteile, sollte es nicht gelingen, den Neubau von Pflegeheimen dem tatsächlichen Bedarf anzupassen.
Bis zum Jahr 2010 rechnet Stelten im Rhein-Kreis mit fast 300 Betten zu viel. „Das ist nicht allein das unternehmerische Risiko der Investoren, die Pflegeheime bauen oder erweitern. Als Sozialhilfeträger könnte auch der Rhein-Kreis Neuss betroffen sein“, erklärt Stelten.
Die Bedarfsprognose des „Silbernen Plans“ ging für 2005 von 2777 zu betreuenden Menschen im Rhein-Kreis aus. Dem standen insgesamt 2790 Heimpflegeplätze gegenüber. Eine Umfrage bei den Heimbetreibern ergab, dass deren Einrichtungen bis auf wenige Ausnahmen voll ausgelastet sind. Allerdings gestaltet sich die Neubelegung frei werdender Betten bereits heute immer schwieriger.
Für das Jahr 2010 geht die Prognose von 3093 zu betreuenden Menschen aus. Mit der Schaffung neuer, teils bereits geplanter oder im Bau befindlicher Heimplätze werden bereits Ende 2006 2930 Betten zur Verfügung stehen.
Mittelfristig bis 2010 wird sich diese Zahl nach Schätzungen des Rhein-Kreises auf 3250 erhöhen, wenn alle derzeitigen Planungen umgesetzt werden. Damit stünden 157 Plätze mehr zur Verfügung als benötigt.
Dies entspreche, so Stelten, fast zwei vollstationären Heimen mit je 80 Plätzen. „Dabei ist noch nicht bekannt, wie viele Neubauprojekte bis dahin noch geplant und begonnen werden“, heißt es in einem Bericht der Kreisverwaltung an den Sozialausschuss des Kreistages.
Unberücksichtigt ist bei diesem Szanario zudem noch, dass ambulante und teilstationäre Pflege ausgebaut wird, neue Formen des betreuten Wohnens klassische Pflegeplätze teilweise ersetzen und zunehmend ausländische Pflegekräfte für vergleichsweise geringen Lohn in der Familie eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung übernehmen. Die Folge: Der Bedarf an stationärer Pflege wird möglicherweise noch deutlich geringer ausfallen als geplant.
Die Folgen aus der Sicht des Kreises, der selbst auch Heimträger ist: Mit sinkender Auslastung der Heime leidet auch die Wirtschaftlichkeit. Dies betrifft die Personalkosten ebenso wie die Sachkosten. Auch wird die Refinanzierung der Investitionen für Bau, Kauf oder Miete eines Pflegeheimes bei verminderter Auslastung zum Problem.
Das bislang partnerschaftliche Zusammenwirken der Heime, so die Befürchtung, könnte durch einen stärkeren Kampf um die Kunden leiden. Dabei drohe der Preis und nicht die Leistung zum entscheidenden Wettbewerbsargument zu werden. Die Folge: Unterbringung und Betreuung des einzelnen verschlechtern sich.
Zudem drohen dem Kreis direkte Mehrbelastungen: Bereits jetzt sind rund 15 Millionen Euro im Kreishaushalt für Pflegewohngeld und Hilfe zur Pflege eingestellt. Mit neueren - und teureren - Heimen könnten diese Ausgaben steigen.
Mehrbelstungen wären auch zu erwarten, wenn zum Beispiel ein Heim dem Wettbewerbsdruck nicht mehr standhalten kann und Insolvenz anmeldet. Im Zuge der Gefahrenabwehr wäre der Kreis dann möglicherweise gezwungen, für eine Zeit kommissarisch den Heimbetrieb weiterzuführen.
Das Problem: Dem Rhein-Kreis fehlt es an Steuerungsmöglichkeiten. Nach einer Novellierung des Landespflegegesetzes haben die Kommunen keinen Einfluss mehr darauf, ob Investoren, seien es privatwirtschaftliche oder gemeinnützige, in ihrem Gebiet Pflegeeinrichtungen bauen oder nicht.
Die Kreisverwaltung befürchtet eine „explosionsartige“ Erweiterung der Angebots an Heimplätzen: „Damit sind die Kommunen zum Zuschauer eines sich entwickelnden Marktes geworden, dessen finanzielle Auswirkungen sie jedoch unmittelbar zu tragen haben.“
Auf Vorschlag Steltens sprach der Sozialausschuss deshalb einstimmig eine Beschlussempfehlung an den Kreisausschuss aus: Die Fraktionen sollen an die Kommunen appellieren, damit diese über ihre Planungshoheit und mit der Wirtschaftsförderung Einfluss nehmen, um Überkapazitäten an Vollzeitpflegeplätzen zu vermeiden.
Mit einer alternden Gesellschaft werden mehr Pflegeplätze gebraucht. Im Kreis droht jedoch ein Überangebot , das die öffentliche Hand finanziell belasten würde.
INFO
Heimplätze in Planung
Derzeit ist der Um- oder Neubau folgender Pflegeheime im Rhein-Kreis Neuss geplant (in Klammern die Zahl der neu geschaffenen Betten): Kloster Immaculata in Neuss (40), Caritasverband in Rommerskirchen (80), Altenheim St. Josef in Neuss (10), Altenheim St. Aldegundis in Büttgen (10), Diakonie Rhein-Kreis Neuss in Dormagen (80), Marsaille-Kliniken in Meerbusch (zwei Mal 80), Sunrise in Meerbusch (80).
Dies sind insgesamt 460 zusätzliche Pflegeplätze.
Quelle: Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 3.5.2006
http://www.ngz-online.de/public/article ... uss/330067