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3,8 Liter Windel - gibt´s sowas wirklich?
Verfasst: 18.02.2006, 08:05
von Johannes Kemper
3,8 Liter Windel - gibt´s sowas wirklich?
Hallo, guten Morgen Forum,
ich hörte nun wiederholt, dass es eine sog. pflegeerleichternde Maßnahme gibt, die in der Form einer 3,8 Liter Windel besteht. Gibt es solche Windeln wirklich? Wenn ja, wäre das ungeheuerlich und ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde!
Für Antworten danke ich sehr!
MfG
Johannes Kemper
3,8 Liter Windel – menschenverachtend!
Verfasst: 19.02.2006, 10:11
von Herbert Kunst
Hallo Johannes,
solche Windeln gibt es offensichtlich wirklich. Zum Thema hat sich Claus Fussek vielfach geäußert und ein treffendes Statement abgegeben; er kennt sich ja in der Szene besonders gut aus und erhält täglich Einblick in den Pflegealltag – wie er wirklich ist. Claus Fussek beschreibt eindruckswoll, wie er die Windelpraxis einschätzt.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Kunst
Statement:
Stellen Sie sich bitte vor, sie müssen ganz dringend zur Toilette, sie läuten, sie rufen und eine überlastete Pflegekraft ruft Ihnen zu: "Machen Sie bitte in ihre Windel, ich mache sie später sauber!" Würden Sie freiwillig in die Hose machen und dann Besuch empfangen?
(...)
Einrichtungsträger erliegen in zunehmendem Maße den Verheißungen der Inkontinenzmittelhersteller und bringen immer großvolumigere Inkontinenzeinlagen zum Einsatz, die oft unangemessen lang nicht gewechselt werden ("Fassungsvermögen bis zu 3,8 Liter"). Menschenverachtend, menschenunwürdig und erniedrigend! Wie pervers ist eine Gesellschaft, die auf den Pflegenotstand mit Turbo-Windeln reagiert! Vielleicht sollte man die Idee einmal auf dem Oktoberfest oder auf dem Arbeitsplatz anwenden. Ich empfehle unbedingt den Selbstversuch!!! Auch die Deutsche Bundesbahn könnte solche Windeln anbieten, da es immer wieder zu Problemen wegen besetzter oder defekter Toiletten in den Zügen kommt.
- Claus Fussek: Lebensqualität und Würde pflegebedürftiger Menschen in Zeiten der Minutenpflege - Wenn man einem Menschen seine Würde nimmt, dann hört er auf zu leben!
Aus der Sicht pflegebedürftiger Menschen ist die Situation in den meisten Pflegeheimen unerträglich!...
Allein in den letzten fünf Jahren konnte ich nur in München über 80 (in Worten achtzig) Aktenordner mit tausenden von Briefen, Faxen, und Telephonnotizen zusammenstellen. Ca 70 Prozent der "Informanten" sind inzwischen Pflegekräfte. Die meisten anonym, aus Angst vor Repressalien, aber immer mehr gehen auch mit ihrem Namen an die Öffentlichkeit.
(...)
...verhungern und verdursten pflegebedürftige Menschen.
(...)
Jeder zweite Heimbewohner wird medikamentös ruhig gestellt.
(...)
Mir wird immer wieder geschildert, dass es offensichtlich immer noch genügend Pflegekräfte gibt, die stolz darauf sind, dass sie es ohne Probleme alleine schaffen in der Nacht für 70 pflegebedürftige Menschen verantwortlich zu sein, in der Früh um vier Uhr mit dem Waschen beginnen, "um den Frühdienst zu entlasten" und wie viele "Patienten sie in kürzester Zeit fertig machen können!"
(...)
Pflegeheime sind offensichtlich zu rechtsfreien Räumen geworden. Dies wurde mir auch in zahlreichen vertraulichen Gesprächen mit Kriminalbeamten, Staatsanwälten und Rechtsmedizinern bestätigt. Man muss sich das vorstellen: Wir brauchen inzwischen die Rechtsmedizin, um die Grundrechte, um eine menschenwürdige Pflege und Versorgung in bundesdeutschen Pflegeheimen durchzusetzen!(...)
... da verfaulen pflegebedürftige Menschen bei lebendigem Leib unter unsäglichen Schmerzen.
.... niemand interessiert sich, wenn ca. 10 000 Menschen (Dunkelziffer) jährlich an den Folgen dieser Vernachlässigung sterben.
(...)
"Um 17 Uhr wird meine Mutter und die anderen Bewohner ins Bett gepackt. Dann die letzte Windel ...egal ob draußen die Sonne noch scheint. Dann starrt sie an die Decke. Das hat meine Mutter nicht verdient, das ist unmenschlich. Das sind hier Friedhöfe für Lebende."
Im Übrigen:
Häufig ist die Versorgung auf den verschiedensten Ebenen menschenunwürdig. Beispielsweise werden in Alten- und Pflegeheimen Magensonden und Dauerkatheter ohne medizinische Notwendigkeit als "pflegeerleichternde Maßnahmen" eingesetzt.