Klare Mängel in der Heimversorgung meiner Mutter

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Gast

Klare Mängel in der Heimversorgung meiner Mutter

Beitrag von Gast » 07.01.2005, 11:54

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zur Sachlage:
1. Meine Mutter ist seit mehreren Jahren bettlägerig und deshalb in einem Pflegeheim untergebracht (Stufe II). Im letzten Jahr hat sich ihr Zustand permanent verschlechtert. Bereits im vergangenen November wurde sie kurzzeitig in eine Nervenklinik eingewiesen. Ich wurde damals durch das Pflegepersonal mit den Worten informiert, es handle sich wahrscheinlich um einen Schlaganfall. Im Krankenhaus wurde jedoch ein massiver Wassermangel, eine akute Harnwegsentzündung und eine Übermedikamentierung mit Beruhigungsmitteln festgestellt.

Nach der Rückführung in das Pflegeheim war ihr Notrufsystem regelmäßig ausgesteckt, weil "die Schwestern sonst ständig zu ihr gerufen werden".

2. Am 05.01.2005 wurde ich gegen 9.50 Uhr von der verantwortlichen Pflegeschwester informiert, der Gesundheitszustand meiner Mutter habe sich in den Morgenstunden so dramatisch verschlechtert (Erbrechen; Ringen nach Luft; blassblaue Lippenfarbe), dass mit dem Schlimmsten zu rechnen sei. Der Arzt sei bereits um 8.00 Uhr informiert worden und werde "gegen Mittag vorbeisehen" um ggf. eine Überweisung in die Klinik anzuordnen. Die Einlieferung ins Krankenhaus erfolgte kurz nach 13.20 Uhr (Arztuntersuchung ca. 1 min.).
Die Untersuchungen in der Klinik ergaben wieder einen Wassermangel; evtl. hat sie am frühen Morgen einen Herzinfarkt erlitten.

Nun meine Fragen:
1. Ist es erlaubt, das Notrufsystem bei manchen Heiminsassen zu deaktivieren?
2. Dürfen vom Pflegepersonal grundsätzlich keine Infusionen gelegt werden?
3. Muss das Pflegepersonal (nach Auskunft der verantwortlichen Schwester) tatsächlich auf einen Arztbesuch warten, um eine Überweisung in eine Klinik zu veranlassen?
4. Muss ich es hinnehmen, dass mir gegen 10.00 Uhr mitgeteilt wird, ich müsse mit dem Schlimmsten rechnen, dass aber weder von der Heimleitung, den Pflegeschwestern noch von ärztlicher Seite bis 13.15 Uhr irgendein Versuch unternommen wird, das Versorgungsverfahren erkennbar in Gang zu setzen?

Für Ihre Bemühungen im Vorraus bereits herzlichsten Dank.

Mit freundlichen Grüßen
Hugo Berger

WernerSchell
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Registriert: 18.05.2003, 23:13

Pflegemängel ?

Beitrag von WernerSchell » 07.01.2005, 18:19

Sehr geehrter Herr Berger,

nachfolgend der Versuch einer kurzen Einschätzung (Rechtsberatung ist hier nicht möglich):

Frage 1. Ist es erlaubt, das Notrufsystem bei manchen Heiminsassen zu deaktivieren? --- Insoweit müsste rückgefragt werden: Was ist das für ein System? Wer ist daran angeschlossen, aufgrund welcher Anordnung (Arzt, Heimleitung usw.)? Ich denke, dass eine Deaktivierung dann vertretbar ist, wenn es z.B. zu missbräuchlicher Anwendung kommt bzw. die Patientensicherheit in anderer Form geregelt / gesichert ist.

Frage 2. Dürfen vom Pflegepersonal grundsätzlich keine Infusionen gelegt werden? ---- Das Pflegepersonal kann weitgehend behandlungspflegerische bzw. bestimmte ärztliche Aufgaben übernehmen. Dies muss aber angeordnet sein bzw. muss im Einzelfall beim Personal das erforderliche Wissen und Können vorhanden sein.
Siehe hierzu in dieser Homepage unter
- Die Mitwirkung des Pflegepersonals bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... erapie.htm
Wenn also die Betreuung eines Infusionssystems beherrscht wird und insoweit eine klare Grundentscheidung vorliegt, kann nichtärztliches Personal zum Einsatz kommen. Siehe hierzu im Forum zahlreiche Beiträge, z.B. unter Injektionstätigkeit. Dort wird auch auf eine Buchveröffentlichung zum Thema aufmerksam gemacht: Schell, Werner „Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht“, Kunz Verlag (Schlütersche Buchreihe, Hannover).
Siehe hierzu unter
http://www.wernerschell.de/html/page11.htm

Frage 3. Muss das Pflegepersonal (nach Auskunft der verantwortlichen Schwester) tatsächlich auf einen Arztbesuch warten, um eine Überweisung in eine Klinik zu veranlassen? ---- Grundsätzlich bedarf es zu einer Krankenhauseinweisung einer ärztlichen Diagnose bzw. Einweisung. Allerdings sind im Notfall geeignete Maßnahmen zu treffen, wie sie üblicherweise im Rettungswesen angewandt werden (auch von Laien). Also, notfalls muss der Rettungsdienst angefordert werden. U.U. ist ein Zuwarten, bis der Hausarzt erscheint, nicht vertretbar.

Frage 4. Muss ich es hinnehmen, dass mir gegen 10.00 Uhr mitgeteilt wird, ich müsse mit dem Schlimmsten rechnen, dass aber weder von der Heimleitung, den Pflegeschwestern noch von ärztlicher Seite bis 13.15 Uhr irgendein Versuch unternommen wird, das Versorgungsverfahren erkennbar in Gang zu setzen? ---- Werden geeignete Notmaßnahmen (siehe auch 3) versäumt, kann dies ggf. als Pflichtwidrigkeit eingestuft werden (unterlassene Hilfeleistung bzw. Verletzung der Garantenstellung). Allerdings müsste man für eine Bewertung die genauen Einzelumstände kennen. War im Heim die geeignete Patientenversorgung (noch) gewährleistet oder hätte sofortige Krankenhauseinlieferung erfolgen müssen?
Siehe hierzu auch die Homepage http://www.pflegerechtportal.de. Hier wird das Haftungsrecht in Grundzügen vorgestellt und durch rd. 280 Gerichtsentscheidungen verdeutlicht.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gast

Pflegemängel ? Sachverhalt weiter aufhellen !

Beitrag von Gast » 08.01.2005, 20:28

Hallo Hugo,
den Hinweisen vom Team Werner Schell ist eigentlich nichts hinzuzufügen - eine umfassende Einschätzung.
Ich würde an deiner Stelle den vermuteten Fehlleistungen weiter nachgehen und zunächst einmal die Dokumentation einsehen (ggf. in Kopie herausverlangen). Dann hast du alles "schwarz auf weiß" und kannst über weitere Folgerungen entscheiden. Was übrigens nicht in der Kopie steht, gilt als nicht geschehen / gemacht! Vielleicht muss man sogar die Heimaufsicht oder den MKD (Pflegekasse) mobilisieren.
Wenn die Mutter nicht mehr im Vollbesitz der geistigen Kräfte ist, wird sie einen Rechtlichen Betreuer haben. Dieser Betreuer muss dann als gesetzlicher Vertreter alles Weiteres veranlassen.
Bitte melde ich ggf. wieder!
Herzliche Grüße
Heinz-Josef Viethen

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