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Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
Neuss, den 24.08.2015
Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in Pflegeeinrichtungen muss schnellstmöglich eingeführt werden. Insoweit gibt es keine Erkenntnisprobleme. Es fehlte bislang allein der politische Gestaltungswille
Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk, erklärt zur geplanten Einführung eines § 113c im SGB XI:
Seit mindestens 20 Jahren wird von hier auf die Erfordernisse von Personalbemessungssystemen für die Pflege in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern aufmerksam gemacht. Diesbezügliche Forderungen wurden folgerichtig auch immer wieder von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk formuliert und u.a. an das Bundesgesundheitsministerium bzw. die Abgeordneten des Deutschen Bundestages herangetragen.
Es ist zu begrüßen, wenn diese Forderungen nun auch von anderen Institutionen, Einzelpersonen und den politisch Verantwortlichen aufgegriffen und unterstützt werden.
Im hiesigen Statement vom 13.5.2014, dem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe beim Neusser Pflegetreff übergeben, sind die Erfordernisse zur Auflösung des Pflegenotstandes und zur Gestaltung einer einheitlichen und angemessenen Personalbemessung umfänglich näher beschrieben und begründet:
> http://www.pro-pflege-selbsthilfenetz-w ... se2014.pdf
Nun sieht die Gesetzesinitiative der Bundesregierung für ein Pflegestärkungsgesetz (PSG) II in einem geplanten § 113c SGB XI die Schaffung eines wissenschaftlich fundierten Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen vor. Allerdings soll erst einmal ein Expertengremium ein solches Verfahren bis zum Jahre 2020 entwickeln und erproben. Erst danach wird politisch zu entscheiden sein, ob und inwieweit irgendwelche Personalbemessungserkenntnisse umzusetzen sind. Die eigentliche Problemlösung ist damit auf den „Sankt Nimmerleinstag“ verschoben.
Die jetzt gefundene Regelung ist völlig inakzeptabel, weil die Pflegeeinrichtungen schon seit langer Zeit deutliche Personalaufstockungen benötigen und Verzögerungen anhand der insoweit vorliegenden Erkenntnisse keine Lösung sein können. Man darf mutmaßen, dass die Handlungsgebote grundsätzlich erkannt worden sind, aber kein politischer Wille besteht, schnellstmöglich im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und der professionell Pflegenden zu handeln.
Wenn erklärt werden sollte, mehr Pflegekräfte seien zur Zeit nicht finanzierbar, ergibt sich: Das PSG I und das geplante PSG II sieht vielfältige Leistungsausweitungen vor, zum Teil mehr als kompliziert gestaltet und auch nicht immer vordringlich. Zwingend geboten ist aber auf jeden Fall, diejenigen pflegebedürftigen Menschen stärker zu unterstützen, die sich aufgrund der Schwere ihrer Beeinträchtigungen in stationären Einrichtungen befinden. Und das ist nur mit Regelungen möglich, die eine deutliche Aufstockung des Pflegepersonals ermöglichen. Die Finanzierung von niedrigschwellig qualifizierten Betreuungskräften hat in diesem Zusammenhang nachrangige Bedeutung. Diese Betreuungskräfte können gerne zusätzlich bewilligt werden, Vorrang muss aber den Pflegekräften eingeräumt werden! – Und das ist alternativlos.
Helmut Wallrafen-Dreisow, Geschäftsführer der Sozial-Holding in Mönchengladbach kritisiert die gefundenen Regelungen und formuliert deutlich "Ich bin maßlos enttäuscht - die Ergebnisse sind erschütternd" (Quelle: Zeitschrift "CAREkonkret" vom 21.08.2015).
"Dass der Arbeitsalltag in der Pflege seit langem von großer Belastung, Zeitdruck und wenig motivierenden Bedingungen geprägt ist, wissen die politisch Verantwortlichen sehr wohl. Die deutsche Pflegezukunft wird düster werden, wenn hier nicht schnellstens – und spürbar – eine Verbesserung herbeigeführt wird" (Quelle: Presseinfo des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe e.V. - DBfK - vom 14.07.2015). In einer ergänzenden Pressemitteilung des DBfK vom 12.08.2015 wird herausgestellt, dass die geplante Erprobungsregelung in § 113c SGB XI zu spät greifen wird. Daher sei rasch ein Zwischenschritt erforderlich. Durch weniger Teilzeitarbeit und Rückkehrer in den Beruf ließen sich jetzt über Nacht zehntausende Stellen besetzen.
Diesen Anmerkungen kann sich Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nur uneingeschränkt anschließen.
Die verantwortlichen Entscheidungsträger werden daher erneut aufgefordert, die vorliegenden Erkenntnisse hinsichtlich des Pflegenotstandes so im PSG II umzusetzen, dass spätestens 2016 bzw. 2017 im gesamten Bundesgebiet deutlich verbesserte einheitliche Stellenschlüssel die Basis für gute Pflegeangebote in den Einrichtungen sein können, und zwar ohne regionale Unterschiede. Dies könnte als Zwischenlösung gestaltet werden, so dass die angestrebte Erprobungsregelung in aller Ruhe abgewartet und umgesetzt werden kann.
Unabhängig von der jetzt in Aussicht genommenen Personalbemessung für die Pflegeeinrichtungen sind natürlich auch entsprechende Regelungen für die Pflege in den Krankenhäusern geboten. Notfallmäßig geschaffene Pflegestellenprogramme helfen insoweit nicht weiter.
Werner Schell,
Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk und Dozent für Pflegerecht
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei "Runder Tisch Demenz" (Neuss).
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Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen – PSG II
(Gesetzentwurf: Stand 12.08.2015)
§ 113c SGB XI - Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen
(1) Die Vertragsparteien nach § 113 stellen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben sicher. Sie beauftragen zur Sicherstellung der Wissenschaftlichkeit des Verfahrens fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen oder Sachverständige.
(2) Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. und die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene sind zu beteiligen.
(3) Die Vertragsparteien nach § 113 haben die Umsetzung der Aufgabe nach Absatz 1 bis zum 30. Juni 2020 sicherzustellen. Sollten sie sich bis zum 31. Dezember 2016 nicht über die Beauftragung gemäß Absatz 1 Satz 2 geeinigt haben, bestimmen das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend innerhalb von vier Monaten das Verfahren und die Inhalte der Beauftragung.
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Die Medien berichten u.a. wie folgt:
http://www.presseanzeiger.de/pa/Verfahr ... -in-797338
http://www.openbroadcast.de/article/408 ... erden.html
http://www.ak-gewerkschafter.de/2015/08 ... personals/
http://www.openpr.de/news/867332.html
http://www.apotheken-anzeiger.de/verfah ... in_797338/
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Bei der Livesendung des Deutschlandfunks am 11.09.2015 habe ich u.a. angemerkt:
viewtopic.php?f=7&t=21222
Auf 100 zu pflegende Personen über 80 Jahre kommen nach OECD-Berechnungen in der Langzeitpflege in Schweden 33,2 Vollzeitstellen, in Norwegen 22, in den Niederlanden 19, in der Schweiz 16,5 und in Deutschland lediglich 11,2. - Quelle: Zeitschrift "change", Das Magazin der Bertelsmann Stiftung, 3/2013 (Seite 46). Titel der Ausgabe "Pflege - Ganz nah bei den Menschen - Große Herausforderungen und neue Wege in der Pflege". - Offensichtlich hat sich die Pflege-Personalausstattung in den deutschen Pflegeeinrichtungen weiter negativ entwickelt. Damit ist eindrucksvoll bestätigt, warum wir in Deutschland von einem Pflegenotstand sprechen müssen. … Und dieser Pflegenotstand muss schnellstens aufgelöst werden. Die politischen Entscheidungsträger sind gefordert - jetzt!
viewtopic.php?f=3&t=21218
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Betreuungs-Assistenten: Billige Arbeitskräfte?
Filmbericht von Plusminus, ARD, vom 16.09.2015 | 07:14 Min. | Verfügbar bis 15.09.2016. Pflegeheime und -dienste suchen händeringend Arbeitskräfte. Auch schlecht bezahlte Betreuungs-Assistenten, darunter Quereinsteiger ohne fachliche Qualifikation, werden für Tätigkeiten eingesetzt, die sie eigentlich nicht übernehmen dürfen (Quelle: http://mediathek.daserste.de/Plusminus/ ... tId=432744 ). - Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk macht bereits seit vielen Jahren auf den rechtsmissbräuchlichen und gefahrenträchtigen Einsatz von gering qualifizierten Betreuungskräften aufmerksam und fordert stattdessen eine deutliche Verbesserung der Stellenschlüssel (vgl. u.a. Pressemitteilung vom 16.08.201008 - nachlesbar unter > http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php ). Dort heißt es u.a.: "Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang die Feststellung der Ärzteschaft auf dem kürzlich durchgeführten 111. Deutschen Ärztetag, dass die Pflegebudgets um mindestens 30% verbessert werden müssen. Damit geht die organisierte Ärzteschaft noch weit über das hinaus, was diesseits seit Jahren eingefordert wird, nämlich eine personelle Verstärkung um rd. 20%. Die jetzt mögliche Anstellung von Betreuungsassistenten löst die beklagte Pflegenot in den Heimen nicht auf, so dass die Forderung nach mehr Pflege(fach)personal aufrecht erhalten bleiben muss." - Werner Schell