Statt Ersatzfreiheitsstrafe Tätigkeit in der Pflege?
Verfasst: 21.07.2012, 07:21

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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
Pro Pflege - Selbsthilfetzwerk ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
Neuss, den 03.07.2012
Statt Ersatzfreiheitsstrafe Tätigkeit in der Pflege?
NRW-Justiz auf Abwegen!
Die „Welt am Sonntag“ berichtete am 01.07.2012 darüber, dass der NRW Justizminister Thomas Kutschaty vorgesehen hat, den Strafvollzug zu verändern und titelt: „Neue Wege in der Pflege“. Ein Motto lautet dabei: „Ersatzfreiheitsstrafen künftig weitestgehend verhindern“: Wer seine Geldstrafe nicht zahlt, soll in der Regel zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. … Vor allem „im gärtnerischen Bereich oder in der Pflege“ möchte der Minister Straftäter einsetzen. Gerade nach dem Wegfall der Zivildienstleistenden gebe es „im Wohlfahrtsbereich“ genug Einsatzmöglichkeiten, vermutet er. Bei der Opposition spitzt man ob dieser Töne die Ohren. Denn: Zu den nicht zahlenden Straftätern gehören neben Betrügern und Ladendieben auch Gewalttäter und obendrein Wiederholungstäter. ….
Quelle: http://www.welt.de/print/wams/nrw/artic ... flege.html
Zu dem o.a. Bericht erklärt Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk:
Es ist unglaublich, dass man nach einer misslungenen „Neuausrichtung der Pflegeversicherung“ (Beschluss des Deutschen Bundestages vom 29.06.2012 - viewtopic.php?t=17124 ) nunmehr in Nordrhein-Westfalen daran denkt, den Strafvollzug zu Lasten der Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen zu reformieren.
In den Pflegesystemen muss es darum gehen, den seit Jahren bestehenden Pflegenotstand durch verbesserte Stellenschlüssel aufzulösen und damit die Qualifizierung und Einstellung von weiteren Pflegefachkräften zu ermöglichen. Es ist fatal anzunehmen, in der Pflege könnte einfach jeder tätig werden. Nein, pflegerisch arbeiten erfordert eine gute Ausbildung und ist eine anstrengende Arbeit. Sie verdient nicht nur in Sprechblasen, sondern durch auskömmliche Dotierung der Stellenpläne und durch angemessene Vergütungen unsere Wertschätzung und Anerkennung. Was der nordrhein-westfälische Justizminister angedacht hat, ist abwegig und verdient die „rote Karte“!
Werner Schell. Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
Die Pressemitteilung ist auch als pdf-Datei abrufbar unter
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 072012.pdf
Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei
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Die Medien berichten u.a. wie folgt:
http://www.presseanzeiger.de/pa/Statt-E ... ege-604879
http://www.openbroadcast.de/article/216 ... flege.html
http://www.openpr.de/news/645487/Statt- ... flege.html
http://www.pflegen-online.de/nachrichte ... 4ccd7f6f33
http://www.mg-heute.de/?p=7902
http://www.heide-bote.de/index.php?name ... &sid=22562
http://www.ak-gewerkschafter.de/2012/07 ... er-pflege/
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Es gab ungewöhnlich viele zustimmende Rückmeldung zur o.a. Pressemitteilung - tefonisch und auch per E-Mail.
Einige Zuschriften sollen wie folgt musterhaft zitiert werden:
"Warum müssen wir professionelle Fachpflegekräfte eigentlich ein amtliches Führungszeugnis bringen, wenn doch auch rechtskräftig verurteilte Straftäter mit Bewohnern und Patienten hantieren können?
Kann mir das der Herr Justizminister (geschätztes Monatseinkommen mindestens 5-mnal so hoch wie das eines Abteilungsleiters Pflege, genannt "Pflegedienstleitung", mit akademischem Abschluss)?!
Ich fasse es nicht!
Mit entsetzten und eigentlich doch nicht mehr ungläubigen, sondern nur völlig desillusionierten Grüßen ..."
Ein anderer Text beschreibt es kurz und bündig wie folgt:
... das ist wirklich derart abstrus, da bin ich voll bei Ihnen .....
Eine Lehrerin für Pflegeberufe schrieb: ".... das ist wirklich unglaublich. Pflege scheint ein Auffangbecken für alles und alle zu sein, die man nicht unterbringen kann. Wir haben das Thema in der Schule diskutiert. Soweit ich weiß, hat eine Kollegin einen Brief an den Justizminister geschrieben."
Und weiter:
... ein Minister, der in der Pflege Straftäter einsetzt sehen will, gehört eigentlich entlassen. Wo bleiben eigentlich die Erklärungen dazu von Frau Kraft, Ministerpräsidentin, oder Frau Steffens, Gesundheits- und Pflegeministerin .... ?
... Auch unsere Pflegebedürftigen haben ein Anrecht auf menschenwürdiges Behandeln durch geschultes Fachpersonal! Sie in die Hände von Straftätern zu geben, die ihre Strafe nicht bezahlen können oder wollen(?), dürfen in keiner Weise auf unsere Pflegefälle losgelassen werden! ...
... wenn es auch Sinn machen kann, Straftäter gelegentlich soziale Dienste verrichten zu lassen, so muss doch eine Tätigkeit bei pflegebedürftigen Menschen ausscheiden. Hauptsächlich kritikwürdig sind die Ministerbemerkungen für mich deshalb, weil hierdurch wieder einmal die Pflegetätigkeit herabgesetzt wird nach dem Motto: Pflegen kann jeder!. ....
Eine Pressemitteilung des ASB vom 06.07.2012:
Altenpflege ist kein Verschiebebahnhof
Köln, 6. Juli 2012 - Der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland verwahrt sich energisch gegen den Vorschlag von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD), Verurteilte, die ihre Geldstrafen nicht zahlen können, in der Altenpflege einzusetzen, statt sie in Haft zu nehmen.
„Immer dann, wenn Menschen in unseren Sozialsystemen Kosten verursachen, ob als Arbeitslose oder als potenzielle Gefängnisinsassen, denken Politiker, man könne mit ihnen den Fachkräftemangel in den sozialen Berufen beheben", kritisiert ASB-Bundesgeschäftsführer Christian Reuter. „Altenpflege ist aber kein Verschiebebahnhof."
Für die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen sind Beständigkeit, Professionalität und fachliche Kenntnisse unverzichtbar. Es ist Angehörigen und Pflegebedürftigen nicht vermittelbar, warum ausgerechnet in diesem Bereich ungelernte Menschen tageweise eingesetzt werden sollten. Ein Vergleich mit ehemaligen Zivildienstleistenden bzw.
Bundesfreiwilligen ist auch nicht passend, da diese sich bewusst für diesen Einsatz entscheiden, darauf intensiv vorbereitet werden und zumindest ein Jahr im Einsatz sind. Minister Kutschaty beachtet außerdem nicht, welch negatives Signal er an die potenziellen Berufsanfänger in der Altenpflege aussendet. „Altenpflege ist keine Aushilfstätigkeit, sondern ein verantwortungsvoller Beruf. Er bedarf einer fundierten Ausbildung und eines ausgeprägten Engagements für Menschen. Die Politik darf nicht immer wieder Vorschläge machen, die signalisieren, dass jeder diesen Beruf ausüben könnte", sagt Gabriele Osing, Leiterin Soziale Dienste im ASB. „Das wird den Fachkräften nicht gerecht und erzeugt auch kein großes Interesse, sich in diesem Bereich zu engagieren."
Der ASB-Bundesverband hatte zuletzt am 6. Juni 2012 die Geringschätzung der sozialen Berufe kritisiert. Anlass waren die Pläne der Bundesregierung, Arbeitslose zu Erziehern umzuschulen. Der neue Vorschlag aus NRW geht nach Meinung des ASB in dieselbe Richtung, ist genauso wenig hinnehmbar und sozialpolitisch gefährlich.
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Am 09.07.2012 wurden sämtliche Landtagsabgeordnete in NRW per E-Mail über die o.a. Pressemitteilung informiert !
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"CAREkonkret", Die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege, hat das Thema in ihrer Ausgabe vom 20.07.2012 aufgegriffen und getitelt:
Gedankenspiele aus NRW: Straftäter statt in den Knast in die Pflege? Aufreger im Sommerloch" - siehe auch unter
viewtopic.php?t=17511
Die Redaktion der Zeitung hat dazu animiert, eine Meinungsäußerung abzugeben, und zwar zu folgender Adresse: carekonkret@vincentz.net
+++ Stand: 21.07.2012 +++