Wir haben momentan eine unübersichtliche Situation ohne klare Perspektive.
Das liegt auch daran, dass weder der Arbeitgeber meiner Frau, noch die Pflegekasse folgende Fragen beantworten können.
Meine Frau ist angestellt bei einem AG mit deutlich über 15 Mitarbeitern. Ihr Vater (80)hatte vor gut einer Woche eine Not-Amputations-OP und liegt seitdem in der Klinik, hat inzwischen Pflegestufe 1 und soll in wenigen Tagen ins Pflegeheim, womit er auch einverstanden ist.
Seine Frau (77) war bisher, solange er die Betreuung und Beaufsichtigung übernommen hatte, im Alltag "tragbar". Sie ist deutlich dement (sehr vergesslich, zeitlich nicht orientiert, immer wieder ausfallend werdend und emotional labil). Deshalb ist meine Frau seit vier Wochen (360 km entfernt) im Haushalt ihrer Mutter und beaufsichtigt sie rund um die Uhr. Die Schwiegermutter ist aber in keiner Weise auch nur ansatzweise gewillt eine Überprüfung der Pflegebedürftigkeit über sich ergehen zu lassen, ist absolut uneinsichtig und meint, alles geregelt zu bekommen.
Nach längerer Erklärung und Argumentation hat der Arbeitgeber meiner Frau (eine Klinik mit geriatrischer Fachabteilung !!!) erstmals davon erfahren, dass es einen gesetzlichen Anspruch auf eine kurzfristige Pflegeauszeit gibt. Diese hat er ihr nun gewährt, zusätzlich Urlaubs- und Überstundenausgleichstage. Nun geht es um die Frage, ob auch eine noch längere Pflegezeit gewährt werden kann (bzw. muss).
Aus meiner Sicht müsste für meine Schwiegermutter mindestens Pflegestufe 0 zutreffen, da sie in ihrer Alltagskompetenz deutlich eingeschränkt ist.
Nun meine erste Frage: Kann Pflegezeit auch zur Beaufsichtigung einer Person gewährt werden, die "nur" Pflegestufe 0 bescheinigt bekommt?
Oder ist sogar auch eine Bescheinigung eines Arztes ausreichend, der eine Pflegebedürftigkeit generell bereits attestiert hat ?
Oder gibt es in dieser verzwickten Situation noch andere Möglichkeiten vorzugehen ?
Dann noch die Frage zum Begriff der "häuslichen Umgebung". Der AG meiner Frau steht auf dem (in meinen Augen völlig irrigen) Standpunkt, dass Pflegezeit nur genommen werden könne, wenn Pflegender und zu Pflegender in derselben Wohnung gemeldet seien. Im Gesetz steht nur "häusliche Umgebung". Das wird doch i.d.R. die Wohnung des zu Pflegenden sein. Also erfüllt meine Frau doch diese Anforderung, wenn sie ihre Mutter in deren (360 km entfernten) Wohnung betreut und pflegt.
Oder liege ich da falsch ?
Bitte um schnelle Beantwortung.
Es ist wirklich unglaublich, dass selbst die Pflegekasse solche Fragen nicht unmittelbar beantworten kann.
Danke schon mal.
Pflegezeit auch bei Pflegestufe 0 ?
Moderator: WernerSchell
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Pflegezeitgesetz und die Pflegebedürftigkeit
Hallo,
ich versuche hiermit eine Antwort:
Das Pflegezeitgesetz ist nachlesbar unter
http://www.gesetze-im-internet.de/pflegezg/index.html
Darin ist ausdrücklich ausgeführt, dass die 10tägige bzw. 6monatige Pflegezeit Pflegebedürftigkeit voraussetzt, die eine Einstufung nach den Vorschriften des §§ 14 und 15 SGB XI ermöglicht. Die sogenannte Stufe 0 ist damit nicht gemeint, denn insoweit handelt es sich nur um eine Zuordnung unterhalb der Stufe 1, soweit Sozialhilfeleistungen geboten sind.
Das Problem erscheint aber lösbar, wenn sich der Arbeitgeber mit einer ´(haus)ärztlichen Bescheinigung nach § 2 Pflegezeitgesetz zufrieden gibt, mit der eine Pflegebedürftigkeit "im Sinne des Pflegezeitgesetzes" bestätigt wird. Wo wer wohnt, spielt bei der Anwendung des Pflegezeitgesetzes m.E. überhaupt keine Rolle.
Wenn sich der Arbeitgeber quer stellt, wird es schwierig. Denn die Pflegezeitfrage kann, da es keine klare Einstufung der Kasse gibt, unterschiedlich bewertet werden. Das wäre dann ein Arbeitsrechtsstreit.
Es wäre noch zu bedenken, ob denn die Mutter noch im Vollbesetz der geistigen Kräfte ist und ob hier eine Betreuung angeregt werden soll (mit Eilerwägungen). Dann könnte auch ohne die Mitwirkung der Mutter eine Einstufung angestrebt werden. Die Kasse müsste ein solches Verfahren dann ebenfalls unter Eilerwägungen durchführen. Wenn der Mutter geholfen werden soll, dann müssen auch ggf. mit den gebotenen Mitteln die Voraussetzungen dafür geschaffen werden (dürfen).
Soweit für den Augenblick.
Gruß
Herbert Kunst
ich versuche hiermit eine Antwort:
Das Pflegezeitgesetz ist nachlesbar unter
http://www.gesetze-im-internet.de/pflegezg/index.html
Darin ist ausdrücklich ausgeführt, dass die 10tägige bzw. 6monatige Pflegezeit Pflegebedürftigkeit voraussetzt, die eine Einstufung nach den Vorschriften des §§ 14 und 15 SGB XI ermöglicht. Die sogenannte Stufe 0 ist damit nicht gemeint, denn insoweit handelt es sich nur um eine Zuordnung unterhalb der Stufe 1, soweit Sozialhilfeleistungen geboten sind.
Das Problem erscheint aber lösbar, wenn sich der Arbeitgeber mit einer ´(haus)ärztlichen Bescheinigung nach § 2 Pflegezeitgesetz zufrieden gibt, mit der eine Pflegebedürftigkeit "im Sinne des Pflegezeitgesetzes" bestätigt wird. Wo wer wohnt, spielt bei der Anwendung des Pflegezeitgesetzes m.E. überhaupt keine Rolle.
Wenn sich der Arbeitgeber quer stellt, wird es schwierig. Denn die Pflegezeitfrage kann, da es keine klare Einstufung der Kasse gibt, unterschiedlich bewertet werden. Das wäre dann ein Arbeitsrechtsstreit.
Es wäre noch zu bedenken, ob denn die Mutter noch im Vollbesetz der geistigen Kräfte ist und ob hier eine Betreuung angeregt werden soll (mit Eilerwägungen). Dann könnte auch ohne die Mitwirkung der Mutter eine Einstufung angestrebt werden. Die Kasse müsste ein solches Verfahren dann ebenfalls unter Eilerwägungen durchführen. Wenn der Mutter geholfen werden soll, dann müssen auch ggf. mit den gebotenen Mitteln die Voraussetzungen dafür geschaffen werden (dürfen).
Soweit für den Augenblick.
Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de
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Pflegebedürftigkeit und Pflegezeit
Hallo,
die Ausführungen von Herbert scheinen mir plausibel. Allerdings möchte ich anfügen:
Pflegekassen sind nach dem SGB XI und SGB I zur umfassenden Beratung verpflichtet. Es ist daher unverständlich, warum diese Institutionen anscheinend allzu oft versagen. Vielleicht kann man insoweit noch einmal Druck machen; zumindest wegen einer Hilfe bei der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit.
MfG Rauel
die Ausführungen von Herbert scheinen mir plausibel. Allerdings möchte ich anfügen:
Pflegekassen sind nach dem SGB XI und SGB I zur umfassenden Beratung verpflichtet. Es ist daher unverständlich, warum diese Institutionen anscheinend allzu oft versagen. Vielleicht kann man insoweit noch einmal Druck machen; zumindest wegen einer Hilfe bei der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit.
MfG Rauel
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Schönen Dank für die schnellen und interessanten Antworten.
Noch eine Rückfrage an Herbert:
wenn eine ärztliche Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit vorliegt und der AG diese für die Gewährung einer Pflegezeit akzeptieren kann, heißt das im Umkehrschluss, dass der AG über die Erfüllung der Kriterien zur Gewährung der Pflegezeit entscheiden kann mit allen Konsequenzen, also auch ggf. der Ansprüche an die Pflegekasse zur (Teil-)Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen des Betreuenden ?
Warum Pflegestufe 0, die ja i.d.R. mehr Aufwand an Betreuung und Beaufsichtigung notwendig macht als jede andere Stufe, nicht zur Gewährung eines Pflegezeitanspruchs führt ist doch m.E. fachlich und sachlich nicht zu begründen.
Wo steht denn explizit, dass Pflegestufe 0 nicht reicht ? Die Pflegekasse sagte mir, dass für den Pflegezeitanspruch eine bloße bescheinigte Pflegebedürftigkeit und eben keine Stufeneinordnung nötig wäre. Die Stufen seien nur wichtig bei der Frage der Höhe der Sach- oder Pflegegeldleistungen. Beides wäre getrennt zu sehen.
Zu Rauel:
In der Tat. Mindestens so unverständlich ist für mich, dass ein in der Geriatrie tätiger AG - und zwar die Personalabteilung direkt - noch nichts vom Anspruch auf eine kurzfristige Arbeitsbefreiung bei einem Pflegenotfall gehört hat und sich erst kundig machen musste.
Und dann selbst danach noch so hahnebüchene Argumente auffährt, der Pflegende und der zu Pflegende müssten im selben Haushalt gemeldet sein, und zwar auch schon vor Eintritt des Pflegefalls.
Schöner Gruß
Harald Luckert
Noch eine Rückfrage an Herbert:
wenn eine ärztliche Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit vorliegt und der AG diese für die Gewährung einer Pflegezeit akzeptieren kann, heißt das im Umkehrschluss, dass der AG über die Erfüllung der Kriterien zur Gewährung der Pflegezeit entscheiden kann mit allen Konsequenzen, also auch ggf. der Ansprüche an die Pflegekasse zur (Teil-)Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen des Betreuenden ?
Warum Pflegestufe 0, die ja i.d.R. mehr Aufwand an Betreuung und Beaufsichtigung notwendig macht als jede andere Stufe, nicht zur Gewährung eines Pflegezeitanspruchs führt ist doch m.E. fachlich und sachlich nicht zu begründen.
Wo steht denn explizit, dass Pflegestufe 0 nicht reicht ? Die Pflegekasse sagte mir, dass für den Pflegezeitanspruch eine bloße bescheinigte Pflegebedürftigkeit und eben keine Stufeneinordnung nötig wäre. Die Stufen seien nur wichtig bei der Frage der Höhe der Sach- oder Pflegegeldleistungen. Beides wäre getrennt zu sehen.
Zu Rauel:
In der Tat. Mindestens so unverständlich ist für mich, dass ein in der Geriatrie tätiger AG - und zwar die Personalabteilung direkt - noch nichts vom Anspruch auf eine kurzfristige Arbeitsbefreiung bei einem Pflegenotfall gehört hat und sich erst kundig machen musste.
Und dann selbst danach noch so hahnebüchene Argumente auffährt, der Pflegende und der zu Pflegende müssten im selben Haushalt gemeldet sein, und zwar auch schon vor Eintritt des Pflegefalls.
Schöner Gruß
Harald Luckert
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Pflegebedürftigkeit und Pflegezeit
Guten Morgen!luckyloser229 hat geschrieben:
(1)... wenn eine ärztliche Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit vorliegt und der AG diese für die Gewährung einer Pflegezeit akzeptieren kann, heißt das im Umkehrschluss, dass der AG über die Erfüllung der Kriterien zur Gewährung der Pflegezeit entscheiden kann mit allen Konsequenzen, also auch ggf. der Ansprüche an die Pflegekasse zur (Teil-)Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen des Betreuenden ?
(2) Warum Pflegestufe 0, die ja i.d.R. mehr Aufwand an Betreuung und Beaufsichtigung notwendig macht als jede andere Stufe, nicht zur Gewährung eines Pflegezeitanspruchs führt ist doch m.E. fachlich und sachlich nicht zu begründen.
Wo steht denn explizit, dass Pflegestufe 0 nicht reicht ? Die Pflegekasse sagte mir, dass für den Pflegezeitanspruch eine bloße bescheinigte Pflegebedürftigkeit und eben keine Stufeneinordnung nötig wäre. Die Stufen seien nur wichtig bei der Frage der Höhe der Sach- oder Pflegegeldleistungen. Beides wäre getrennt zu sehen.
(3) In der Tat. Mindestens so unverständlich ist für mich, dass ein in der Geriatrie tätiger AG - und zwar die Personalabteilung direkt - noch nichts vom Anspruch auf eine kurzfristige Arbeitsbefreiung bei einem Pflegenotfall gehört hat und sich erst kundig machen musste.
Und dann selbst danach noch so hahnebüchene Argumente auffährt, der Pflegende und der zu Pflegende müssten im selben Haushalt gemeldet sein, und zwar auch schon vor Eintritt des Pflegefalls.
Meine Rückmeldung:
(1) Natürlich ist der Arbeitgeber nach dem Pflegezeitgesetz nicht ausdrücklich berufen, über die Bewertung einer Pflegebedürftigkeitsbescheinigung zu finden. Aber im Streitfall wird er sich u.U. verweigern und dann ist das Problem da. Daher sehe ich insoweit zunächst die Arbeitsrechtsseite angesprochen. Und da ist der Arbeitgeber nun mal im Spiel. Wie aber ausgeführt, sollte auf die Pflegekasse eingewirkt werden, dass sie mithilft und den MDK für eine Begutachtung anspricht.
(2) Eine Pflegestufe 0 gibt es eigentlich überhaupt nicht. Im SGB XI beginnt die Pflegebedürftigkeit mit Stufe 1 (§§ 14, 15). Nur im Sozialhilferecht muss auch mit Leistungen geholfen werden, wenn es keine Stufe gibt. Diese Hilfesituation bezeichnet man dann mit Stufe 0. Sie spielt aber hier, da es nicht um Sozialhilfe geht, keine Rolle.
Wenn die Kasse der Meinung ist, dass auch die sog. Stufe 0 für eine Pflegzeitbewilligung reicht, dann soll sie das doch bitte schön auch durch eine entsprechende Bescheinigung darlegen, damit so eine ärztliche Bescheinigung Bekräftigung erfährt und der Arbeitgeber sich nicht quer legen kann.
(3) Arbeitgeber haben mit "pfleglicher" Behandlung ihrer Beschäftigten oft wenig im Sinn. Besonders im Gesundheitswesen, wo die Rahmenbedingungen schlecht sind, ist die Krankheits- bzw. Ausfallquote hoch.
Gruß Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de