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Pflegepersonalmangel - Position des DBfK

Verfasst: 03.02.2010, 15:35
von Presse
Position des DBfK zum aktuellen Pflegepersonalmangel

In allen Versorgungsbereichen zeichnet sich immer deutlicher der Personalmangel ab. Zunehmend wird es schwerer oder unmöglich, freie Stellen mit qualifizierten Pflegefachkräften zu besetzen. Der ‚War for Talents’ hat in der Pflege bereits begonnen.

In den deutschen Krankenhäusern wurden innerhalb von zehn Jahren 50.000 Stellen in der Pflege abgebaut. Nach Berechnungen von Simon (2008) fehlen 70.000 Stellen in den Krankenhäusern. Im Bereich der stationären Altenhilfe wurden zwar deutlich Stellen geschaffen, dies hält aber nicht mit den steigenden Bedarfen Schritt. Wegen der hohen Arbeitsbelastung, unattraktiven Rahmenbedingungen und den fehlenden Perspektiven im Beruf entscheiden sich immer mehr Pflegefachkräfte für den Ausstieg – häufig schon unmittelbar nach Ausbildungsende. Was notwendig wäre, um dem entgegenzusteuern, ist vom DBfK und Anderen vielfach beschrieben. Es fehlt bisher an politischer Einsicht und Entscheidungskraft und bei den Trägern an unternehmerischer Weitsicht, diese Schritte zu tun. Mittel- und langfristig wirksame Strategien sind aber keine Lösungen für Probleme von heute.

Der DBfK hat seit Jahren vor der jetzt eingetretenen Situation gewarnt. Diese war absehbar, die ursächlichen Weichenstellungen politisch und organisatorisch gewollt. Entscheidungsträger in Politik, bei Kostenträgern und auf Ebenen der Träger und Geschäftsführungen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen haben bewusst Strukturen gestaltet und Prioritäten gesetzt, die durch massiven Stellenabbau bzw. kontinuierlich steigende Arbeitsbelastung zur Überlastung von Pflegefachkräften und letztlich dem Pflegepersonalmangel geführt haben.

Immer weniger Pflegende sind bereit, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. In Deutschland gibt es also keinen absoluten Mangel an Pflegefachkräften, sondern einen Mangel an Pflegefachkräften, die bereit sind unter den gegenwärtigen Bedingungen zu arbeiten. Die Faktoren, die belasten und die Pflegeberufe unattraktiv machen, sind vielfach dokumentiert. Bei den Entscheidern hat dies aber zu keiner Konsequenz geführt, die Folgen werden billigend in Kauf genommen.

Diese Situation ist der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Deshalb ist eine Berufsentscheidung für einen Pflegeberuf zunehmend unattraktiv geworden, obwohl es immer noch einen signifikanten Anteil junger – und auch lebenserfahrener - Menschen mit guten Bildungsabschlüssen gibt, die sich für einen Pflegeberuf begeistern könnten.

Die Patienten-/Bewohnersicherheit ist gegenwärtig gefährdet. Angesichts des Personalmangels erleben die Pflegefachkräfte tagtäglich ein moralisches Dilemma, weil sie den Mangel organisieren und sich zwischen ihrem eigenen professionellen Qualitätsanspruch und einer Versorgung, die lebensbedrohliche Vernachlässigung der Klienten bedeutet, entscheiden müssen. Sie sind gezwungen, mit unzureichenden Mitteln eine Minimalversorgung aufrecht zu erhalten. Pflegende sind durch ihr Verantwortungsgefühl für Patienten/Bewohner erpressbar; einzelne Arbeitgeber beuten sie dadurch aus.

„Die Pflegende ist persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für die Ausübung der Pflege.“
(Auszug aus ICN-Ethikkodex, 2005)
http://www.dbfk.de/download/download/IC ... g-2005.pdf

Der DBfK unterstreicht die individuelle ethische Verantwortlichkeit jeder einzelnen Pflegefachkraft für ihr Handeln und Unterlassen. Zu einer professionellen Haltung in der Pflege gehört auch, auf strukturelle und organisatorische Ursachen von Minder- oder Fehlversorgung zu reagieren und diese adäquat und an zuständiger Stelle deutlich zu machen. Ein Instrument hierzu ist die Überlastungsanzeige. Der DBfK stellt dazu eine Mustervorlage zur Verfügung. Bleibt diese ohne Erfolg, ist die nächst höhere Hierarchieebene zu informieren (‚Dienstweg’) bis hin zum Träger. Der DBfK berät seine Mitglieder insbesondere bzgl. arbeitsrechtlicher Fragen.

Die pflegerischen Leitungspersonen auf allen Ebenen, insbesondere aber auf der Ebene der Geschäftsführung, erleben dieses Dilemma in ähnlicher Weise. Aber auch für sie gilt der Ethikkodex ihrer Profession! Es ist auch dort die Aufgabe, die eigenen professionellen Standards und das darauf begründete Vertrauen von Klienten nicht zu enttäuschen. Die zur Verfügung stehenden Mittel angesichts des akuten Personalmangels sind Sperrung von Betten, OP-Sälen, Stationen.

Trotz des allgemeinen Pflegefachkräftemangels haben einige Träger keine oder geringere Probleme, qualifiziertes Personal zu halten bzw. zu finden. Auch in schwieriger Finanzlage investieren sie in Pflegefachkräfte und strukturieren die Versorgung im Sinne von Vorrangtätigkeiten der verschiedenen Berufsgruppen um. Von diesen kann im Sinne von Best-practice gelernt werden.

Die Lehrer/-innen an den pflegeberufsbildenden Schulen tragen die Verantwortung, die Schüler/-innen im theoretischen Teil des Unterrichts auf die Situation vor Ort vorzubereiten und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, in dieser Situation adäquat zu reagieren. Schüler/-innen sind keine Lückenfüller für die ausgedünnte Personaldecke auf den Stationen! Im Rahmen der Gesamtverantwortung der Schule für die Ausbildung sind die Lehrer/-innen verpflichtet, den Schüler/-innen auch im praktischen Teil des Unterrichts und der Ausbildung zur Seite zu stehen und sie vor Überforderung zu schützen. Die praktische Ausbildung ist sicherzustellen.

Die Aufgabe des DBfK ist es, weiterhin politisch darauf hinzuwirken, dass Mindeststandards in der Versorgung eingehalten und somit die Klienten vor Schaden und die Pflegefachkräfte vor Ausbeutung geschützt werden. Für die Zukunft ist es bedeutsam Grundlagen zu schaffen, die eine angemessene, dem Stand der pflegerischen und medizinischen Wissenschaft und Kunst entsprechende Versorgung und Betreuung gewährleisten. Mittel dazu sind:

* Personalbemessungsinstrumente und eine angemessene Personalausstattung,
* Ablösung der Ausbildung von Trägerinteressen,
* Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes durch
• mehr Autonomie
• Karrierechancen
• Abrechenbarkeit pflegerischer Leistungen,
* mittelfristige Personalbedarfsplanung auf lokaler, regionaler und Bundesebene.

Download pdf, 53 KB
http://www.dbfk.de/download/download/po ... er_web.pdf

Berlin, im Januar 2010
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e. V., Salzufer 6, 10587 Berlin
Tel.: 030-2191570, Fax: 030-21915777, http://www.dbfk.de

Verfasst: 03.02.2010, 18:48
von thorstein
An diesem Positionspapier fällt sofort auf, das tatsächlich kaum ein Gedanke an die vorrangigen Opfer des Pfegenotstandes verschwendet wird, nämlich die Patienten und BewohnerInnen.
Merkwürdig mutet auch an, dass ein Berufsverband zwar seit Jahren vor der jetzt eingetretenen Situation gewarnt haben will, aber tragfähige Konzepte zur Lösung des Problems offensichtlich nicht vorliegen.
Das fachliche Versagen belegt die ständig wiederholte Forderung nach Personalbemessungsverfahren, wodurch die Probleme weiterhin in die Zukunft verstetigt werden, ohne einen Mindest-Personalschlüssel für hier und heute zu formulieren.
Wie eine angemessen Pflege aussehen müßte, wissen wir z.B. durch Tausende von praktischen Prüfungen durch die Fachlehrer an den Berufsschulen. An unzureichendem Datenmaterial kann es daher wohl nicht liegen.
Brauchen wir tatsächlich Berufsverbände, die politisch darauf hinwirken wollen, dass Mindeststandards eingehalten werden. Geht es noch eine Nummer kleiner? Im Zeugnis würde ich vermerken: Hat sich stets bemüht!

Personalnotstand mit Konzepten überwinden helfen - jetzt

Verfasst: 06.02.2010, 11:34
von Sabrina Merck
thorstein hat geschrieben: .... Das fachliche Versagen belegt die ständig wiederholte Forderung nach Personalbemessungsverfahren, wodurch die Probleme weiterhin in die Zukunft verstetigt werden, ohne einen Mindest-Personalschlüssel für hier und heute zu formulieren. ....
![/b]
Hallo,

ich sehe vor allem den DBfK in der Pflicht, Konzepte / Gesetzentwürfe zu entwickeln, die wirklich weiter helfen können, den Pflegenostand in allen Bereichen zu überwinden. Der DBfK darf nicht auf die Ministerien und Parlamente warten. Er muss als Berufsvertretung argumenativ Veränderungen einfordern. Ggf. muss er auch dafür eine öffentliche Bewegung / Demo ... organisatieren, um das alles durchzusetzen.

Vielleicht sollte der DBfK auch darum bitten, Pflegewissenschaftler in die einschlägigen Ministerien senden zu dürfen, damit diese dort berufspolitisch richtige Texte entwickeln. Bei der Pharmaindustrie war und ist das möglich, warum nicht auch bei der Pflege ???

MfG Sabrina

Pflegepersonalmangel - akutelle Situation

Verfasst: 17.02.2010, 16:32
von Presse
Position des DBfK zum aktuellen Pflegepersonalmangel

In einer ausführlichen Stellungnahme greift der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) den zunehmenden Mangel an Pflegefachpersonal und seine Auswirkungen auf. Für Arbeitgeber in Deutschland wird es immer schwieriger, freie Stellen in den Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten und der stationären Altenhilfe mit qualifizierten Pflegefachkräften zu besetzen. Steigender Bedarf an Pflege und eine verfehlte Gesundheits- und Personalpolitik in den letzten Jahren treffen hier aufeinander.

Obwohl Experten seit Jahren vor dieser Situation gewarnt haben, fehlt es bisher noch immer an politischer Einsicht und Entscheidungskraft, und bei den Trägern an unternehmerischer Weitsicht, die nötigen Schritte zu tun. In der Zwischenzeit sind immer weniger Pflegekräfte bereit, schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende berufliche Perspektiven zu akzeptieren, sie steigen aus, häufig ausgebrannt und mit gesundheitlichen Schäden. Für junge Menschen, deren Zahl durch den Geburtenrückgang ohnehin abnimmt, ist die Pflege unter diesen Bedingungen keine attraktive Option im Vergleich zu anderen Branchen.

Der DBfK stellt die Verantwortlichkeiten für die heutige prekäre Situation, ihre Folgen für Mitarbeiter, Patienten/Bewohner und unsere Gesellschaft klar heraus. Dabei werden die Politik, aber auch die Pflegekräfte selbst, das Management in den Einrichtungen, Träger, Lehrkräfte an den Pflegefachschulen und auch Gewerkschaften und Berufsverbände in die Pflicht genommen. Sie alle sind gefordert Grundlagen zu schaffen, die eine angemessene, dem Stand der pflegerischen und medizinischen Wissenschaft und Kunst entsprechende Versorgung und Betreuung gewährleisten.

Das Positionspapier steht als Download unter: http://www.dbfk.de/download/download/po ... er_web.pdf

Quelle: Pressemitteilung des DBfK vom 17.02.2010