Aufgabenprofil Pflege & Delegationsrecht

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

Antworten
Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

Aufgabenprofil Pflege & Delegationsrecht

Beitrag von Lutz Barth » 09.11.2009, 08:26

Neuordnung der Gesundheitsberufe: Müssen wir uns vom „Drei-Fallgruppenmodell“ der Delegation verabschieden?
v. Lutz Barth, 09.11.09

Der ganz aktuell präsentierte Projektabschlussbericht des Forschungsprojekts der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes in Kooperation mit dem Institut für Gesundheits- und Pflegerecht

Entwicklung einer grenzüberschreitenden Entscheidungsgrundlage für die Anpassung des pflegefachlichen Aufgabenprofils (v. v. Mischke, Claudia / Meyer, Martha (HTW des Saarlandes ) Roßbruch, Robert (IGPR), Stand: Oktober 2009)

gibt Anlass zu grundsätzlichen Erwägungen.

Hierbei konzentrieren sich die diesseitigen Erwägungen ausschließlich auf die rechtlichen Ausführungen in dem Projektabschlussbericht.

>>> http://www.iqb-info.de/Neuordnung_Stell ... t_2009.pdf <<< pdf.)
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

thorstein
Sr. Member
Beiträge: 457
Registriert: 04.03.2008, 22:22

Beitrag von thorstein » 09.11.2009, 13:41

Hier streiten sich Juristen darüber, welche Tätigkeiten von Pflegekräften jetzt schon durchgeführt werden dürfen bzw. welche in Zukunft noch dazukommen. Offensichtlich ohne Berücksichtigung der Realität. Anstatt das man genau schaut, welche Tätigkeiten schon jetzt von Pflegekräften selbständig durchgeführt werden, und zwar zigtausend mal täglich in diesem Land, und mögliche haftungsrechtliche Probleme beseitigt, weil es zu diesen Leistungen keinen alternativen Anbieter geben wird, begibt man sich auf juristische Metaebenen.

In einem Pflegeheim ist schon die Frage, ob ein Bewohner einen Arzt braucht eigentlich eine genuin ärztliche Tätigkeit. Die Pflegekraft muß Symptome erkennen und messen, sie muß das Krankheitsbild des Bewohners kennen und die Medikamente, die er nimmt. Erst aus einer Gesamteinschätzung heraus erfolgt dann die Entscheidung, ob ein Arzt gebraucht wird!

Es handelt sich hierbei nicht um ein plötzlich aufgetretenes Problem, dass jetzt schnell einer haftungsrechtlichen Absicherung bedarf, sondern um einen jahrzehntelangen Dauerzustand. Dass aktuell immer noch grundsätzliche juristische Debatten geführt werden müssen, ist mir als Laien nicht mehr vermittelbar. Praktizierbare Alternativen sind ja nicht in Sicht.

PflegeCologne
phpBB God
Beiträge: 733
Registriert: 23.09.2007, 09:47

Theorien allein helfen nicht weiter

Beitrag von PflegeCologne » 09.11.2009, 15:47

Hallo Forum!

In der Tat ist es so, dass die Pflege - man kann sagen seit Jahrzehnten - Aufgaben wahrnimmt, die nach dem Diskussionstand mancher Rechtsgelehrter klar dem Arzt zuzuordnen sind.
Man sollte eigentlich alle, die sich zum Thema Pflege, Aufgabenprofile, Delegation usw. äußern, für jeweils 3 Monate in einem Pflegeheim bzw. in einem Krankenhaus mit entsprechenden Schichtdiensten arbeiten lassen.
Erst dann sollten sie sich mit diesen praktischen Erfahrungen zu theoretischen Modellen äußern. Ähnliches kann auch den Politikern empfohlen werden, die demnächst über die nächste Pflegereform zu befinden haben.

MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

"Realitäten ersetzen nicht das Recht"

Beitrag von Lutz Barth » 09.11.2009, 15:55

Ob wir Juristen uns auf einer "juristischen Metaebene" begegnen, statt ganz praktische Probleme zu diskutieren, steht doch nachhaltig zu bezweifeln an.

Mit Verlaub: das Thema der "Delegation" und vor allem der "Substitution" ärztlicher Tätigkeiten ist gerade aus Gründen des Patientenschutzes von überragender Bedeutung und verliert nicht dadurch seine Brisanz, wenn und soweit man/frau glaubt, diese Tätigkeiten seien bereits in der Vergangenheit zigtausendfach von Pflegekräften geleistet worden. Entscheidend ist, dass mit der neuerlich aufkommenden Fachdiskussion neue Haftungshorizonte gesetzt werden müssen, da jedenfalls nach diesseitigem Verständnis die Substitution - die im Übrigen massiv von den Berufsverbänden eingefordert wird - nicht mit Haftungsprivilegien einhergehen darf.

Sofern also eine gewisse Arztferne auch künftig etwa in stationären Alteneinrichtungen gewünscht ist, sind hierbei deutlich die entsprechenden Rechtsfolgen für das Pflegepersonal zu benennen: diese haften dann - wie im Übrigen das Pflegepersonal in anderen Versorgungssektoren auch - originär und damit exklusiv!

Zugleich darf diesseits die sicherlich nicht populäre Prognose geäußert werden, dass gerade mit zunehmender Arztferne sich zugleich die vermeidbaren pflegerischen Fehlschläge häufen werden, da nach diesseitiger Einschätzung bereits in der Vergangenheit nicht nur die häufig beklagten "strukturellen Mängel", sondern zugleich auch formelle und materielle Qualifikationsdefizite ganz entscheidend zu den Dilemmata in den stationären Einrichtungen beigetragen haben.

Dies an sich ist nicht verwunderlich, setzt doch gerade die Betreuung eines multimorbiden hochaltrigen Patienten ein Breitenwissen voraus, dass so nicht von den Pflegekräften erwartet werden kann.

Brandgefährlich erscheint mir der Hinweis zu sein, dass "erst aus einer Gesamtschau heraus" die Entscheidung getroffen werden soll, "ob ein Arzt gebraucht wird". Abermals mit Verlaub: es bleibt zu hoffen, dass diese Vorstellung nicht zum "Standard" in der Pflege zählt, denn mit ihr sind unübersehbare Haftunsrisiken, auch solche strafrechtlicher Natur, verbunden!

Derzeit gilt immer noch der arzt-und pflegerechtliche Standard, wonach Anamnese, Diagnostik, Indikation und Therapie vom Arzt geschuldet werden und eben nur in Teilen die Therapie in Grenzen der Delegation zugänglich ist, mal ganz abgesehen davon, dass eine Aufklärung nicht delegiert werden kann! Dies führt zu erheblichen Rechtsrisiken, da derzeit noch aus guten Gründen die Diagnostik den Ärzten vorbehalten ist und nur er hierüber aufzuklären hat, vermögedessen dann der Patient seine Einwilligung erteilen kann oder nicht.

Vielleicht ist die Pflege als Profession gut beraten, schlicht auf das vorfachliche Verständnis der Juristen mehr als bisher zu achten, denn so ließe sich eine Tendenz zur laienhaften Vorstellung von Recht vermeiden. Allerdings muss man/frau den Laien sicherlich zugute halten, dass dieser Prozess einer weichgespülten Pflegerechtsdogmatik nicht selten durch sog. "Pflegerechtspäpste" - manche sprechen von "Pflegerechtsayatollahs" - begünstigt wird.

Auch Pflegekundler und solche, die den Anspruch nach mehr Professionalität erheben, sollten sich gelegentlich der Mühe unterziehen, das bisher geltende Recht - sei es auch in Form der höchstrichterlichen Rechtsprechung - einfach zur Kenntnis zu nehmen und sich auf die Argumentationsführung einzulassen, denn es gilt: "Recht" und damit freilich auch das Arzt- oder Pflegerecht findet nicht im "luftleeren Raum" statt und ist eine ernstzunehmende Wissenschaft - die allerdings auch von offensichtlich rechtskundigen Pflegedirektoren und Pflegewissenschaftlern besetzt wird und hier ein stückweit eine Entprofessionalisierung einer erntzunehmenden Pflegerechtsdebatte zu befürchten ansteht, da diese allzusehr eine laienhafte Vorstellung von Recht entwickelt haben.

Die Aufgabe der Juristen besteht dann in der Folge insbesondere darin, auf bedeutsame Rechtsirrtümer hinzuweisen, denen seit Jahren immer wieder neue Nahrung gegeben werden. Die Juristerei ist eben nicht irgendwo zwischen "Hausfrauentätigkeit und einer Putzfrau" angesiedelt, wie einst eine namhafter Pflegerechtler zu bedenken gegeben hat!

Gerade die Juristen sind daher gut beraten, ihre Wissenschaft zu betreiben und zwar ohne Rücksicht auf irgendeine Lobby - denn auch im Pflegerecht gilt: Wissenschaft ist der Wettbewerb um das bessere Argument und nicht eine eingefahrene Praxis nach dem Motto: wir haben dass aber schon immer so gemacht!

Allgemein gilt: Schuster bleib bei deinen Leisten!
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Rauel Kombüchen
phpBB God
Beiträge: 542
Registriert: 15.11.2005, 15:04

Patientenschutz ja - aber per Patientenrechtegesetz

Beitrag von Rauel Kombüchen » 09.11.2009, 16:11

Was mich interessiert:
Juristen haben sich aufgemacht, um in gewisser Weise Klarheit in Medizin und Pflege zu bringen. Probleme, die es in der Praxis fast nicht gibt, werden heftig diskutiert und sollen einer Lösung zugeführt werden. Die Ärzte andererseits sind an Patientenschutz offensichtlich nicht interessiert, denn sie lehnen ein Patientenrechtegesetz rundweg ab:
viewtopic.php?t=11959
Ein solches Gesetz sollte aber vorrangig eingefordert werden. Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang auch die verschiedenen Aufgabenzuordnungen usw. grundlegend ansprechen.
Vielleicht ist auch die Zeit reif, dass die betroffenen Menschen, die Patienten, endlich einmal mitreden?!

MfG
Rauel
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

thorstein
Sr. Member
Beiträge: 457
Registriert: 04.03.2008, 22:22

Beitrag von thorstein » 09.11.2009, 19:00

Wenn ich bei BewohnerInnen Symptome feststelle wie Husten, Atemnot oder Bewußtseinseintrübungen werde ich nach wie vor beurteilen müssen, ob diese BewohnerInnen vielleicht unter einem Raucherhusten leiden, oder einer angina pectoris oder schon häufiger Synkopen aufgetreten sind. Wenn es nach Herrn Barth geht, würde ich natürlich bei der Bewohnerin mit angina pectoris kein Nitro-Spray geben, um die Beschwerden zu beheben sondern den Notarzt rufen. Und das dann eben 2x täglich, weil die Symptome so oft auftreten. Usw. usw. usw.

Woher weiss ich aber bei dem Raucher, dass der Husten nicht doch andere Ursachen hat? Konsequent weitergedacht, würde dies bei der multimorbiden Klientel in den Pflegeheimen bedeuten, dass täglich bis zu 100 Mal der Notarzt gerufen werden müsste. Das ist ausdrücklich kein Scherz!! Denn so häufig kommt es zu Symptomen, die ohne Berücksichtigung des individuellen Krankheitsbildes als gefährlich oder sogar lebensbedrohlich eingestuft werden müssten. (z.B.:Angstzustände, Verwirrtheit, Schmerzen) Also setzen wir an jedes Krankenbett einen Arzt, dann sind wir sicher?

Zweifelsfrei wird diese Realität weiterhin von Herrn Barth geleugnet werden müssen, passt es doch nicht in sein – naives – Bild von Pflegekräften. Obwohl hier propagiert wird: Schuster bleib bei deinen Leisten, weiss Herr Barth die Arbeit von Pflegekräften einzuschätzen: Formelle und materielle Qualifikationsdefizite und fehlendes Breitenwissen werden hier festgestellt. Dass es in jedem Beruf zu Fehleinschätzungen kommt, ist eine Binsenweisheit. Objektiv wäre zu prüfen, ob dies bei Pflegekräften häufiger vorkommt als bei Ärzten. Auch Herrn Barth ist es nicht entgangen, dass die Pflege unter einer enormen Arbeitsverdichtung leidet (Stichwort: Pflegenotstand), was mir zunächst als Hauptbegründung für pflegerische Fehlschläge genügen würde. Der Prognose ansteigender Felschläge stimme ich daher auch zu, wenn sich an diesen Zuständen nichts ändert. Es wird dann auch wieder genügend Sozialpolitiker geben, die diese Fehlschläge mit einer jeweils unzureichende Qualifikation abtun werden. Herr Barth befindet sich hier also in guter Gesellschaft.

Bezogen auf das Delegationsrecht möchte ich darauf hinweisen, dass in über 20 Jahren noch nie irgend ein Arzt bei mir überprüft hat, ob ich die von ihm angeordnete Behandlung auch durchführen kann. Das ganze Delegationsgefasel spielt in der Praxis also keinerlei Rolle. Aber ich soll mir um das vorfachliche Verständnis der Juristen mehr Gedanken machen?

Tatsächlich ist die medizinische Versorgung –und damit meine ich die Versorgung durch Ärzte und Pflegekräfte - in den Heimen unzureichend. Mögliche Lösungsansätze wären weitere Ausdifferenzierungen bei der Ausbildung( nach angelsächsischem Vorbild), Heimärzte und eine Erhöhung der Fachkraftquote. Nicht lösungsorientiert sind sicherlich haftungsrechtliche Drohungen. Seit über 20 Jahren höre ich immer und immer wieder den gleichen Spruch: Als Pflegekraft stehst du immer mit einem Bein im Gefängnis. Das ist genau das, was wir bei unserer täglichen Arbeit nicht brauchen.

Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

Patientenrechtegesetz

Beitrag von Lutz Barth » 09.11.2009, 19:07

Da stimme ich Ihnen vorbehaltlos zu: ein Patientenrechtegesetz trägt zur Rechtsklarheit und Transparenz bei - ohne Frage! Dass diesbezüglich sich Widerstand gerade aus Ärztekreisen formiert, verwundert indes nicht, wie sich im Übrigen unschwer auch aus der Debatte um das Patientenverfügungsgesetz ergeben hat.

Indes sollte die Frage, ob Probleme in der Praxis bestehen, etwas differenzierter betrachtet werden. Ein guten Überblick hierzu liefert die berühmte Entscheidung des BVerfG zum Altenpflegegesetz, in der gerade mit Blick auf die Situation in stationären Alteneinrichtungen bedeutungsvolle Aussagen getroffen wurden (Stichwort: Arztferne).

Andererseits gebe ich Ihnen insoweit Recht, weil zum großen Teil auch Pflegerechtler zur Verunsicherung beigetragen haben. Statt sich darum zu bemühen, dem Pflegerecht eigene Konturen zu geben, war man/frau zu sehr damit beschäftigt, eher unreflektiert die Grundsätze des Arztrechts auf die beruflich Pflegenden zu übertragen. Dies konnte jedenfalls im Rahmen der bisherigen Delegationspraxis nicht gelingen, insbesondere nicht im Verhältnis der Arzt-Patienten-Pfleger-Beziehung in stationären Einrichtungen.

Ganz aktuell haben wir also die Möglichkeit, neue Wege zu gehen (im Übrigen auch vor dem Hintergrund der leidigen Debatte um die Pflegekammer) und da dürfen wir gespannt sein, wie sich der fachlichen Diskurs entwickeln wird.

Jedenfalls erscheint es mir nicht zureichend zu sein, im Rahmen der künftig beabsichtigten Substitution die Probleme dergestalt zu lösen, in dem nur einer scheinbaren Substitution das Wort geredet wird. Nehmen wir den Gesetzestext ernst, dann besteht für mich kein Zweifel daran, dass sich - vorbehaltlich der einzelnen Tätigkeiten, die noch vom G-BA spezifiziert werden müssen - die beruflich Pflegenden auf Augenhöhe mit Ärzten befinden. Insofern handelt es sich um horizontale medizinisch-pflegerische Prozesse, für die es eigenständige Rechtsregeln (überwiegend konkretisiert durch die Rechtsprechung) gibt und zwar ungeachtet einer arbeits-, sozialversicherungs- und versicherungsrechtlichen Beurteilung.

Mfg.
L. Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

Delegationsgefasel?

Beitrag von Lutz Barth » 15.11.2009, 17:57

"Bezogen auf das Delegationsrecht möchte ich darauf hinweisen, dass in über 20 Jahren noch nie irgend ein Arzt bei mir überprüft hat, ob ich die von ihm angeordnete Behandlung auch durchführen kann. Das ganze Delegationsgefasel spielt in der Praxis also keinerlei Rolle. Aber ich soll mir um das vorfachliche Verständnis der Juristen mehr Gedanken machen?", so Thorstein in seinem durchaus eloquenten Statement, dass aber weithin nicht zu überzeugen vermag und beachtliche Rechtsdefizite aufweist.

Dies gilt freilich auf den immer noch geltenden "alten Rechtszustand" vor der beabsichtigten Neuordnung der Gesundheitsberufe bezogen, in dem gerade die haus- und fachärztliche Betreuung in stationären Einrichtungen mehr als zu wünschen übrig lässt und im Übrigen mit Blick auf das "Behandlungsteam" von namhaften (Alten)Pflegerechtlern beachtliche Rechtsirrtümer aufrechterhalten wurden, die scheinbar nicht mehr korrigierbar sind.

Es ist daher schon bezeichnend, wenn festgestellt wird, dass in zwanzig Jahren noch nie ein Arzt die erforderliche Qualifikation festgestellt und überprüft hat, ob die angeordneten Maßnahmen überhaupt durchgeführt werden können.

In der Tat wurde dieser "dogmatische Unsinn" von einigen Pflegerechtlern propagiert, in dem einerseits "Pflichtaufgaben" für die in der Altenpflege Beschäftigten kreiert wurden und andererseits Weisungs- und vor allem Überwachungsrechte und -pflichten schlicht für die Ärzteschaft schlicht negiert wurden.

Auch wenn ich nichts von dem Spruch "wir stehen ohnehin mit einem Bein im Gefängnis halte", so ist es doch gerade diese Unkenntnis, die zutiefst jedenfalls einen Juristen verunsichern muss. Denn eines ist doch klar: "wo klein Kläger, da auch kein Richter" und ich bin überzeugt, dass das Pflegerecht speziell unter Haftungsgesichtspunkten weitaus schärfere Konturen hätte, wenn und soweit einige "pflegerische Fehlschläge" zur Debatte gestanden hätten. Entscheidend ist, dass das Haftungsrecht auch präventiv daraufhin untersucht werden kann und soll, ob ggf. Haftungsrisiken drohen. Dies ist jedenfalls bei einer Praxis, die mehr oder minder nicht nur toleriert, sondern auch zunehmend von Pflegerechtlern eingefordert wurde, m.E. um so dringender einzufordern, als dass hier trotz eindeutiger rechtlicher Vorgaben (u.a. durch die Rechtsprechung) sich eine Praxis eingeschlichen hat, die rechtlich nicht haltbar ist!

Um dies beurteilen zu können, bedarf es nicht eines dreimonatigen Praktikums in der Pflege, sondern schlicht eines Blicks in das Gesetzbuch und die insoweit einschlägige Rechtsprechung.

Sich im Übrigen einem "vorfachlichen Verständnis" der Juristen und hier insbesondere der zur Entscheidung berufenen Richter entziehen zu wollen, in dem behauptet wird, "Juristen belasten eine ausnahmslos fachlich zu führende Diskussion", lässt nicht nur auf eine unglaubliche Arroganz schließen, sondern zeigt das eigentliche Dilemma auf: "Pflegerecht" denaturiert zur "weichgespülten Dogmatik" und wird zunehmend durch Pflegekundler interpretiert, die zugeben reichlich phantasievoll auf den Normen des geschrieben Rechts "spielen", ohne hierbei allerdings zu erkennen, dass ein "haftungsrechtliches Damoklesschwert" über den beruflich Pflegenden schwebt.

Insofern gewinne ich der geplanten Neuordnung und hier insbesondere den Modellvorhaben durchaus etwas Positives ab: neue Haftungshorizonte sollten beschritten werden, so dass es kein Zweifel daran aufkommen kann, wer in der Folge originär haftet (auch in Kenntnis des Umstands, dass die Haftung zunehmend allein beim Träger konzentriert wird).

Abschließend darf vielleicht angemerkt werden, dass es durchaus sinnvoll gewesen wäre, mehrfach den "Notarzt" zu rufen, denn dies hätte zu durchaus fruchtbaren Reaktionen geführt, mal ganz abgesehen davon, dass es zu keinem Zeitpunkt den Pflegekräften anheim gestellt gewesen ist, Diagnosen zu treffen, in deren Folge dann entschieden wird, ob ein Arzt hingezogen wird oder nicht!

Dass Problem war und ist nach wie vor die "Arztferne" und die daraus resultierenden Probleme einer lege artis Behandlung eines multimorbiden Alterspatienten, auch unter "behandlungspflegerischen Gesichtspunkten", da in letzter Konsequenz die "Behandlungspflege" sich als "Therapie" (!) erweist, die zunächst eine ärztliche Primärpflicht ist!

Etwas anderes rechtlich zu vertreten, hieße den Pflegenden mehr "Steine statt Brot" zu geben und somit verbleibt es in der Tat dabei, dass eine "Delegation" nicht im rechtsfreien Raum stattfindet. Aber dies dürfte künftig nach dem Willen insbesondere auch der Berufsverbände der Pflegenden keine nennenswerte Rolle mehr spielen: es steht eine Substitution an, die beileibe nicht mit einer Delegation zu verwechseln ist. Dass hier einige Pflegekundler und -rechtler Probleme haben, die Begriffe exakt einzuordnen, ist nun bedauerlich, rundet aber das Bild von einer Trivialisierung gewichtiger Rechtsprobleme ab, in denen gewissermaßener der vermeintliche pflegefachliche Sachverstand die rechtliche Expertise verdrängt resp. verdrängen soll: ein fataler Trugschluss, wie ich meine!

Ich weiß durchaus, dass die diesseitige Position nicht dem mainstream entspricht und dass meine Beiträge - auch diejenigen in der Zeitschrift PflegeRecht - von Kritik begleitet sind; dies ist zu begrüßen, aber nicht um den Preis, dass irgendeiner Lobby das Wort geredet wird und hierbei der Kern unserer eigenen Wissenschaft vernachlässigt wird.

Beharrlichkeit führt gelegentlich auch zu bescheidenen Erfolge, wie nicht zuletzt die seit Jahrzehnten geführte Debatte um die Frage, ob der Arzt die von ihm veranlassten Anordnung in der "fremden Heimdokumentation" abzuzeichnen hat, gezeigt hat. "Kenner der Szene" ist nicht verborgen geblieben, dass insbesondere nach dem Statement der Brandenburgischen LÄK diesseits "rechtlich" in Form eines kritischen Zeitschriftenbeitrages "interveniert" wurde und sodann eine moderatere Stellungnahme des LÄK erfolgte.

Und das die diesseitige Stellungnahme zur "Standortbestimmung Pflege" des Kollegen Böhme u.a. gleichsam den nervus rerum der beruflich Pflegenden getroffen hat, ist nachvollziehbar, aber dennoch diskussionswürdig so wie der Disput bezüglich der sog. "Aufsichtspflichten" über einen an Demenz Erkrankten.

Innerhalb der Rechtswissenschaften - und die Pflegerechtswissenschaft gehört als junge Teildisziplin dazu - sind wir also gut beraten, etwas professioneller und vielleicht gelegentlich auch mit dogmatisch "schwerer Kost" aufzuwarten, um nicht den vielfach gewonnenen Eindruck in der Praxis zu verstärken, als seien die Probleme durch die pflegekundlichen Expertisen mancher Verbandsfunktionäre oder Pflegedirektoren hinreichend rechtlich geklärt.

Es verbleibt bei der freilich zu ziehenden Erkenntnis, dass rechtliche Problemlösungen nicht ohne die intraprofessionelle Expertise denkbar erscheinen, so wie aber umgehrt auch der Fachdiskurs Impulse aus dem Recht erhalten kann, ohne dass hierbei der einenoder anderen Disziplin eine Dominanz zukäme.

Eine weitere "Akademisierung" der Pflegeberufe wird dies m.E. zu berücksichtigen haben, um sich nicht den Vorwurf gefallen zu müssen, eine Art Pseudowissenschaft zu betreiben, die im interprofessionellen Diskurs nicht standhalten wird. Aber wohlgemerkt: Juristen sind von einer gewissen Tendenz zur Deprofessionalisierung ihrer eigenen Wissenschaft nicht ausgenommen und insofern übe ich nicht nur Kritik an den "faktischen Gegebenheiten" in der Pflege, sondern insbesondere auch an meinen Kollegen, die diesen Prozess ganz maßgeblich begünstigt und zuweilen auch selbst initiiert haben.

:wink: So...ich habe fertig!

Mfg. Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

PflegeCologne
phpBB God
Beiträge: 733
Registriert: 23.09.2007, 09:47

Patienten stören nur

Beitrag von PflegeCologne » 15.11.2009, 18:25

Hallo Rechtsexperten!
Die Delegationsproblematik ist m.E. mit dem geltenden Recht eigentlich gut darstellbar. Es gibt auch "saubere" Lösungen. Es müssen sich nur alle Beteiligten daran ausrichten. Es spielt z.B. eine Rolle, ob sich ein Delegationsgeschehen im Krankenhaus (Arztnähe) oder im Heim (Arztferne) abspielt. Für den letzteren Bereich sind streng genommen Kooperationsvereinbarungen zwingend. Damit können die verschiedenen Verantwortlichkeiten klar festgelegt werden. Wenn man solche Vereinbarungen nicht hat - und so ist es meistens -, geht es schnell durcheinander - oder anders: jeder macht, was er für richtig hält. Das geht lange gut, bis ein Fehler passiert.
Die nun vielerorts angestoßenen Debatten befassen sich weitgehend mit der Forderung nach gesetzlich festgelegten neuen Aufgabenbereichen für Nichtärzte. Dies erscheint mir oft als eine Diskussion um die Verbilligung der medizinischen Versorgung (weniger Aufwand für Ärzte und dafür mehr "preiswertes" Personal). Schade, dass es wieder einmal nicht um die bessere Versorgung der Patienten geht. Man sagt gelegentlich, auch nicht ganz unbegründet: "Die stören nur".
MfG Anja
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

Presse
phpBB God
Beiträge: 14249
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Pflegekräfte sehen für sich Dauerkonjunktur

Beitrag von Presse » 25.11.2009, 08:09

Ärzte Zeitung, 25.11.2009

Pflegekräfte sehen für sich Dauerkonjunktur

Die demografische Entwicklung stimmt Pflegekräfte optimistisch. Auf sie kommt immer mehr Arbeit zu. Mit besserer Qualifikation wollen sie auf ärztlichem Terrain, aber auch mit Pflegeassistenten neue Berufe schaffen.

Von Marion Lisson

LUDWIGSHAFEN. Ob es Sinn macht, die bislang dreijährige Ausbildung von Pflegekräften um ein halbes Jahr zu verlängern, dies sollte möglichst zügig in Modellprojekten geprüft werden. Dies machten baden-württembergische Pflegeverbände anlässlich des 3. Rhein- Neckar-Kongresses für Gesundheitsfachberufe in Ludwigshafen deutlich.

Ziel sei es, den Pflegekräften spezielle Kenntnisse zu vermitteln, damit sie Tätigkeiten ausüben könnten, die bisher Ärzten vorbehalten seien, so Josef Hug, Pflegedirektor am Städtischen Klinikum Karlsruhe. Als Beispiel nannte er Blutentnahmen, eine qualifizierte Wundbehandlung oder Infusionstherapie.

.... (mehr)
http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... sid=570782

Antworten