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Wohl der Bewohner und heimaufsichtsrechtliche Anordnungen!
Verfasst: 28.07.2009, 07:42
von Lutz Barth
Wohl der Bewohner und heimaufsichtsrechtliche Anordnungen!
Auch zu erwartende Beeinträchtigungen des Wohls der Bewohner rechtfertigen Anordnungen gegenüber einem Pflegeheim (hier: u.a. personelle Anforderungen)
Der Kreis der nach § 17 Abs. 1 HeimG zur Anordnung berechtigenden festgestellten und nicht abgestellten Mängel ist gesetzlich nicht beschränkt.
Sie können demnach nicht nur aus dem Bereich der konkreten Pflege, sondern aus den gesamten, den Betrieb eines Heimes kennzeichnenden rechtlichen und tatsächlichen Umständen resultieren und schließen insbesondere den Bereich "Organisation" und "Personal" mit ein.
Vgl. dazu die aktuelle Entscheidung des OVG NRW v. 03.07.09 (Az. 12 A 2630/07)
Auf dem nachfolgenden Link können Sie die Entscheidung downloaden
>>>
http://www.iqb-info.de/OVG_NRW_03_07_09 ... m_2009.pdf <<< (pdf.)
Verfasst: 28.07.2009, 12:09
von johannes
Auch wenn dieses Urteil sich auf die Fachkraftbesetzung jeder Pflegeeinheit bezieht - wünschenswert wäre, wenn der Gesetzgeber das nicht den Gerichten überlassen würde, sondern von vorn herein für Klarheit sorgen würde.
- 50 % Fachkräfte sind gesetzliche Vorschrift.
- jede Pflegeeinheit sollte autonom arbeiten könnnen
- es müssen mindestens soviel Planstellen vorhanden sein, daß die vom Gesetz geforderte Mindestpflegezeit in der jeweiligen Pflegestufe dienstplanmäßig gesichert ist. Zudem muß immer so viel Personal vorgehalten werden, daß die tatsächliche Pflegezeit nach den Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes gesichert ist.
- Kostenträger sind verpflichtet, sich bei der Personalbemessung mindestens an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.
Verfasst: 29.07.2009, 00:20
von thorstein
Zunächst einmal ist beachtlich, dass das Gericht davon ausgeht, dass die vereinbarten Personalschlüssel nicht automatisch als Grundlage einer angemessenen Versorgung gelten können und über das Heimgesetz die Heimaufsicht darüber hinausgehende Forderungen stellen kann.
Leider wird dieses Urteil mit Sicherheit nicht dazu führen, dass die Mehrheit der Heimaufsichten für jeden Bereich/jede Station im Tagdienst eine Fachkraft einfordert. Ansonsten müßten sehr viele Heime die Fachkraftquote von 50% deutlich erhöhen, da regelmäßig damit keine Fachkraftpräsenz garantiert werden kann. Ausnahmen wären wohl nur Häuser mit sehr großen Stationen/Bereichen.
Ansonsten bleibt die Argumentation, wie denn nun eine ausreichende Versorgung sicherzustellen ist, genauso schwammig, wie das im Heimgesetz und im SGB 11 wohl auch beabsichtigt war.
Kurze Anmerkung
Verfasst: 30.07.2009, 09:06
von Lutz Barth
Das Urteil des OVG überzeugt sowohl vom Ergebnis als auch von der Begründung her.
Auch wenn hier keine ausführliche Rezension der Entscheidung beabsichtigt ist, weist doch das OVG unausgesprochen auf ein sich im ganz allgemein im Pflege- aber auch im Medizinrecht abzeichnendes Problem hin: die Frage nach der personellen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit und ggf. hierauf basierende Organisationspflichten und ihre haftungsrechtlichen Implikationen.
Aus heimrechtlicher Sicht hat jedenfalls das OVG völlig zu recht darauf hingewiesen, dass weder die Knappheit finanzieller Ressourcen noch die Gebote der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit die Reichweite heimaufsichtsrechtlicher Maßnahme bestimmt. Maßgeblich sind vielmehr die durch die Heimaufsicht zu gewährleistenden (Mindes-)Qualitätsstandards. Nehmen wir diesen Gedanken auf, so stellt sich in der Tat die diesseits bereits aufgegriffene Frage, ob dass Haftungsrecht den sozialrechtlichen Vorgaben zu folgen hat. Ich hege hier meine Zweifel, zumal in den heimrechtlichen Vorschriften primär ein Schutzgesetz-Charakter erblickt werden muss; im Übrigen ein Umstand, der seine besondere Bedeutung im deliktischen Schadensersatzrecht (§ 823 II BGB) entfaltet.
Insofern verbleibt es bei der diesseitigen Einschätzung, dass etwa die Rechtsprechung des BGH zur Problematik der Sturzfälle kritisch zu lesen ist, dergestalt, als dass hier Zumutbarkeitskritierien eingeführt worden sind, die nicht notwendig mit den Organisationspflichten (auch nicht solche privatrechtlicher Natur) korrespondieren müssen, geschweige denn kongruent sind.
"Betreuungsassistenten" und die Fachkräftequote
Verfasst: 30.07.2009, 09:35
von WernerSchell
"Betreuungsassistenten" und die Fachkräftequote
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat mit Erlass vom 20.04.2009 bestimmt, dass in Nordrhein-Westfalen die "Betreuungsassistenten" nach § 87b SGV XI (160-Stunden-Qualifizierung) auf die Fachkräftequote angerechnet werden. Dieser Personenkreis darf weder behandlungs- und noch grundpflegerische Dienstleistungen erbringen. Es geht lediglich um die Wahrnehmung von allgemeinen Betreuungsaufgaben.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hält die NRW-Anrechnungsregelung vom 20.04.2009 für nicht akzeptabel und wird für eine Korrektur eintreten. Eine solche Anrechnungsregelung wird die Zahl der umfassend qualifizierten Pflegekräfte aus ökonomischen Erwägungen zwangsläufig reduzieren helfen und damit zu einer weiteren negativen Veränderung der Pflege-Rahmenbedingungen beitragen.
Werner Schell