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Berufspolitik ist kein Selbstzweck?

Verfasst: 27.03.2009, 17:39
von Lutz Barth
Berufspolitik ist kein Selbstzweck?

Pflegerechtler Lutz Barth übt erneut Kritik an den Pflegeberufsverbänden

Es ist hinlänglich bekannt, dass Deutschlands Pflege sich verkammern will und die Zeit scheint dafür im „Superwahljahr“ reif zu sein. Auch der AVG macht sich für dieses Ziel stark. »Es gibt derzeit wenig wirksame Alternativen – deshalb sind wird dafür«, erklärt Vorstandsmitglied Thomas Meißner (in AVG bewegt, Februar 2009, http://www.meissner-walter.de/dynamic/4687ef45.pdf ).

Auf die Frage

• „Und die Pflegebasis, wie überzeugen Sie die Kolleginnen und Kollegen?“

antwortet Thomas Meißner wie folgt:

• „Viele Ängste vor einer Zwangsmitgliedschaft im Zuge einer Verkammerung der Pflege wie auch Sorgen wegen einer möglichen, zusätzlichen »Belastung« der Pflegenden sind das Ergebnis schlechter Öffentlichkeitsarbeit der Pflegeberufe in Politik und Medien“.

Ob der sich anschließende Hinweis auf die GEZ-Gebühren verfängt, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Aber in einem hat er wohl durchaus Recht: die nach wie vor zu kritisierende Öffentlichkeitsarbeit.

Mit Verlaub – es kann doch nun wahrlich nicht so schwierig sein, wenn schon nicht die Skeptiker, dann doch wohl allen voran die eigene Berufsgruppe darüber zu informieren, zu welchem Grade aktuell die Pflegenden organisiert sind. Die Geheimniskrämerei ist in der Gänze nicht nachvollziehbar und bereitet vielmehr den Nährboden für allerlei Spekulationen.

Es könnte auch die These geäußert werden, dass in einer zunehmend freiheitlich ausgerichteten Gesellschaftsordnung die Pflegenden schlicht „Ängste“ – besser wohl Vorbehalte – vor einer überbordenden Bürokratie und vor einem erlauchten Kreis besonders engagierter Funktionärsvertreter haben, so dass insgesamt eine Ständeverwaltung mit einem höchst exklusiven Freiraum für Funktionäre ohne hinreichende Anbindung an die Basis skeptisch beurteilt wird. Darf daran erinnert werden, dass ohne Frage die Frage der Fortbildung ein ganz zentrales Thema für nahezu alle Professionen ist und dass der Erfolg der freiwilligen Registrierung von unter 9000 beruflich Pflegenden bei einer Zahl von rund 1,2 Millionen Beschäftigten sich doch eher – gelinde ausgedrückt – höchst bescheiden ausnimmt. Überdies hat sich der Hebammenverband wohl deutlich gegen eine Verkammerung ausgesprochen, so dass es zumindest Sinn machen könnte, ein stückweit die Debatte offener zu führen, als sich nunmehr gebetsmühlenartig auf das neue Rechtsgutachten von Igl zurückzuziehen. Auch wenn die Pflegeberufsverbände es nicht gerne hören wollen, aber es gibt – jedenfalls hinter den Kulissen – durchaus auch gewichtige Stimmen, die eine Verkammerung eher skeptisch beurteilen. Der Befund ist ein einfacher: die Kammer kann, muss aber nicht kommen und sofern manche Pflegerechtler sich einstweilen noch dezent in Stillschweigen hüllen, mag dies vielleicht daran liegen, dass man/frau es tunlichst vermeiden möchte, im Zweifel künftig mit „Nichtbeachtung abgestraft zu werden“, um so eine ohne Frage geeignete „Plattform“ nicht verlieren zu wollen.

Nun – dies mag ein Jeder für sich selber entscheiden, aber das IQB – Internetportal war, ist und bleibt unabhängig und so sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, gelegentlich kritische Töne anzuschlagen.
Von daher muss es mehr als nachdenklich stimmen, wenn der Deutsche Pflegerat offensichtlich nicht gewillt ist, konkrete Zahlen zu benennen. Ich hätte zwar Verständnis dafür, wenn dies nur gegenüber einem Herrn Barth gelten würde – weshalb aber offensichtlich auch gelegentliche Anfragen von Studierenden ins Leere laufen, leuchtet mir persönlich nun rein gar nicht ein.

Noch dramatischer freilich wird es, wenn Professionelle so tun, als gäbe es keine kritischen Gegenstimmen; dass beharrliche „Schweigen“ offenbart eine an sich vorhandene Schwäche im pflegewissenschaftlichen und –rechtlichen Diskurs: die der Wissenschaftlichkeit! Diese „Schwäche“ offenbart sich insbesondere in den Debatten, wo ein interdisziplinärer Ansatz geboten ist, wie eben im Hinblick auf die Pflegekammer-Problematik.

Andererseits ist hier Licht am Ende des Tunnels zu erblicken, denn zunehmend meldet sich der pflegewissenschaftliche Nachwuchs in vielen Debatten zu Wort und dies ist insofern nachhaltig zu begrüßen, weil auch der akademische Nachwuchs es erkennbar gelernt hat, sich nicht nur der „fachlichen Umklammerung“ der Lehrenden zu entziehen, sondern – mit Verlaub – ein wenig mehr „Unruhe“ in die Amtsstuben der Funktionäre zu bringen. Die „neue“ Generation der Pflegewissenschaftler ist engagierter und selbstbewusster geworden und da darf denn schon mit einer gewissen Freude registriert werden, dass die gutbürgerliche vornehme Zurückhaltung gegenüber den „Oberen“ ein stückweit aufgegeben wird. Berufspolitische und aktuelle Visionen treffen vielmehr auf (unbequemen, aber deswegen um so wertvolleren) pflegewissenschaftlichen Sachverstand, der ganz maßgeblich dazu beitragen wird, dass auch der manifestierte Standesdünkel sukzessive ein wenig „entzaubert“ wird.

Lutz Barth