Medikationsfehler und die haftungsrechtlichen Folgerungen

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Mohrneitz
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Medikationsfehler und die haftungsrechtlichen Folgerungen

Beitrag von Mohrneitz » 03.02.2012, 20:25

Hallo,

habe folgende Frage:
wer haftet für ein falsch gestelltes Medikament im Tagesdispenser?

Der Fall: im Tagesdispenser fehlte ein Medikament. der Sohn möchte rechtliche Schritte einleiten, es kam zu keinem Schaden an der Patientin

Medikamente werden vom Nachtdienst in einem Tagesdispenser für den übernächsten Tag gestellt, am Vortag werden die gestellten Medikamente von einer weiteren Sr überprüft und morgens um 6.30 Uhr von einer weiteren Sr ins Zimmer gegeben.

Wer haftet für den Fehler? Die Sr die gestellt hat, die Sr die kontrolliert hat oder die Sr die den Dispenser ins Zimmer gegeben hat?
Der Sohn möchte die Pflegeperson benannt haben, um Anzeige zu erstatten.

Bin ich als Stationsleitung verpflichtet Auskunft zu geben?

Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen.
MfG MohrNeitz

Herbert Kunst
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Medikationsfehler - Haftungsfolgerungen u.U. schwierig

Beitrag von Herbert Kunst » 04.02.2012, 08:49

Hallo und guten Morgen!

"Wer handelt, der haftet", so lautet eine Kernaussage zum Haftungsrecht. Das bedeutet, dass letztlich jeder für sein konkretes Handeln einstehen muss.
Wenn allerdings mehrere Personen verantwortlich tätig geworden sind, kann es schwierig sein, diejenige Dienstkraft ausfindig zu machen, die u.U. einen Fehler gemacht hat. Es sind in solchen Fällen sicherlich umfangreiche Abklärungen geboten. Wer hatte was zu tun, zu überprüfen? Gibt es eine Dienstanweisung?
Von daher muss eine Antwort, wer haftungsrechtlich einzustehen hat, zunächst einmal offen bleiben.
Im Übrigen ist zu unterscheiden, in welchem Rechtsbereich Folgerungen gezogen werden sollen. Wenn es keinen Schaden gibt, ist zivilrechtlich nichts zu befürchten. Dann wären nur strafrechtliche Konsequenzen zu bedenken. Dabei werden aber hohe Anforderungen an die persönliche Schuld zu prüfen sein.
Die nun zu veranlassenden Maßnahmen, wie Bekanntgabe von Namen der Dienstkräfte usw., sollte dem Arbeitgeber überlassen bleiben. Möglicherweise wird dieser möglicherweise eine Haftpflichtversicherung einzuschalten haben.
Ich sehe jedenfalls keine Notwendigkeit, dass seitens der Stationsleitung irgendwelche Erklärungen "nach außen" gegeben werden. Eine andere Frage ist, ob insoweit später Befragungen bzw. Aussagen vor einem Gericht fällig werden.

Siehe auch die Beiträge in diesem Forum unter:
viewtopic.php?t=11616&highlight=medikation

Allgemeine Informationen zur Medikation (bei älteren) Menschen können ebenfalls im Forum aufgefunden werden. Unter "Suchen" den Begriff "Medikation" eingeben und die Beiträge werden aufgelistet.

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Sabrina Merck
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Medikationsverfahren durch Dienstanweisung regeln

Beitrag von Sabrina Merck » 05.02.2012, 09:04

Hallo,
der oben beschriebene Sachverhalt, mehrere Personen sind an der Bereitstellung und Weitergabe von Medikamenten beteiligt, zeigt, dass es für diesen Aufgabenbereich doch eigentlich klare Anweisungen geben sollte. Es sollte m.E. durch Dienstanweisung geklärt werden, wer für welche Aufgaben Verantwortung zu tragen hat. Wie Herbert schon sagte: Wer handelt, der haftet. Aber genau die Feststellugen darüber, wer für was einzustehen hat, kann ohne nähere Regelungen schwierig werden.
Es wurde auch schon angemerkt: Ohne Schaden gibt es keinen zivilrechtlichen Haftungsanlass.
Mfg Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
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Mohrneitz
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Beitrag von Mohrneitz » 07.02.2012, 15:22

Sehr geehrter Hr. Kunst, sehr geehrte Fr. Merck,

vielen Dank für die schnellen und hilfreichen Antworten.
Hab die Problematik mit unserer Pflegedirektorin besprochen. Eine Dienstanweisung ist geplant.
Der Sohn hat sich nach einem ausführlichem Gespräch mit dem zuständigen Oberarzt bisher nicht mehr gemeldet.

MfG MohrNeitz

WernerSchell
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Medikamentengabe bei pflegebedürftigen Menschen - oft zuviel

Beitrag von WernerSchell » 23.04.2012, 06:57

Text aus Forum
viewtopic.php?t=17044

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".


Ein Zwischenruf!

Medikamentengabe bei pflegebedürftigen Menschen - oft zuviel und falsch

Zur Medikation bei pflegebedürftigen - meist älteren - Menschen gibt es in jüngster Zeit besorgniserrgende Studien und Bericht. Hinsichtlich der Fehlentwicklung bei der Medikation gibt es offensichtlich keine Erkenntnis-, sondern allenfalls Durchsetzungsprobleme. Und insoweit fehlt es oft am guten Willen der infrage kommenden Personen bzw. Institutionen. Dies geht alles zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen und wird auf dem Rücken der Pflegekräfte und der Angehörigen ausgetragen.
Wir haben in den Neusser Pflegetreffs viewtopic.php?t=11655 wiederholt auch die Medikation angesprochen und haben überwiegend "taube Ohren" angetroffen. Nun hat Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nach Kontaktaufnahme mit dem MDS eine modellhafte Initiative gestartet, um die ärztliche Versorgung mit der dazu gehörigen Medikation (einschließlich der freiheitseinschränkenden Maßnahmen - z.B. durch Psychopharmaka) auf den Prüfstand zu stellen. Es wurde, nachdem vor einigen Wochen die hiesige Pflegekonferenz kurz darüber beraten hat, beantragt, am 23.05.2012 die Gesundheitskonferenz mit der Angelegenheit zu befassen und dann - modellhaft - Maßnahmen zu ergreifen, die vielfach angesprochenen Probleme auflösen helfen. Sie finden dazu zahlreiche Beiträge im hiesigen Forum, z.B.:
Konkrete Verbesserungen in der Pflege gefordert viewtopic.php?t=17044
Medikamentöse Versorgung alter Menschen in Heimen viewtopic.php?t=16457
In den stationären Pflegeeinrichtungen werden wir die vielfach beklagten Pflegemängel nicht minimieren können, wenn es nicht endlich gelingt, mehr Personal auf den Weg zu bringen. Leider wird dieses Thema - wahrscheinlich aus Kostenerwägungen - ignoriert. Dennoch: Wir haben in den Heimen einen chronischen Pflegekräftemängel (und damit meine ich noch nicht einmal den vielfach beschriebenen und verstärkt auf uns zukommenden Fachkräftemangel), weil die Stellenschlüssel unzureichend sind. Man kann davon ausgehen, dass die Stellenschlüssel den wirklichen Bedarf in der Pflege nur zu rd. 70% abdecken. Dazu habe ich u.a. in zahlreichen Stellungnahmen, auch gegenüber dem BMG und den Abgeordneten des Bundestages, nähere Ausführungen gemacht. In meinem Buch "100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen" habe ich das alles ebenfalls deutlich angesprochen: viewtopic.php?t=15822
Siehe auch unter viewtopic.php?t=16644

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht
http://www.wernerschell.de - Pflegerecht und Gesundheitswesen -
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de - Menschenwürdige Pflege - jetzt und überall -
Infos auch bei http://www.facebook.com/

Aktuelle Hinweise
Pflegetreff am 15.05.2012, 18.00 - 20.00 Uhr, Kontakt Neuss-Erfttal - Pflegereform und Entbürokratisierung in der Pflege ... (weitere Infos folgen) … viewtopic.php?t=16058
Buchtipp! >>> Schell, Werner: "100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen" viewtopic.php?t=15822
Pflegemängel – schnelle Hilfe für den Notfall viewtopic.php?t=15828

Siehe auch den TV-Tipp für den 23.04.2012
Mediziner warnen: Krank durch zu viele Vitaminpillen
Sendetermin: Montag, 23. April, 21.00 Uhr, NDR Fernsehen
viewtopic.php?t=17243
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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