Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

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Moderator: WernerSchell

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WernerSchell
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Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

Beitrag von WernerSchell » 16.10.2008, 07:17

Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

Sachverhalt mit Fragestellung (anonymisiert):

… bei einer Betreuten wurde vor ca 6 Wochen ein Zeh amputiert, da er nekrotisch war. Ursache war u.a. eine Diabetes bei gleichzeitigem Alkoholmissbrauch. Nach der Operation heilte die Wunde sehr schlecht ab und ist immer noch offen. Nun hatte das Heim wohl eine Fußpflege bestellt, die auch an dem verletzten Fuß tätig war. Nach Ansicht des Hausarztes wurde durch die Fußpflege eine neuerliche Infektion ausgelöst, die auch mit Penicillin nicht in den Griff zu bekommen war. Es hatte sich ein Abszess an der Fußsohle gebildet. Nun musste die Betreute heute wieder in die Klinik und es muss ein weiterer Zeh amputiert werden sowie der Abszess geöffnet werden.
Ich vermute, dass sich hier eine Haftungsfrage stellt, bin mir nur nicht im Klaren ob beim Heim als Auftraggeber oder bei der Fußpflegerin, die die Behandlung trotz der Wunde durchgeführt hat?
Für das Heim sind Fußpflegen ja wie üblich medizinisch und nicht die Angelegenheit der Pflegekräfte. Allerdings soll es auch nicht allzu schwierig sein den Titel medizinische Fußpflege zu bekommen.
Meiner Meinung nach hätte die Fußpflegerin die Behandlung bei einer offenen Wunde ablehnen müssen.
Ich wäre für Hinweise dankbar, was veranlasst werden sollte. Anfügen möchte ich noch, dass die betreute Sozialhilfeempfängerin ist. In die OP konnte/kann sie nach Einschätzung der Klinikärzte einwilligen. In die Fußpflege hat sie wohl auch eingewilligt. Allerdings frage ich mich, ob eine Fußpflege überhaupt einer Einwilligung im Sinne eines Eingriffs bedarf. …

Die hierzu abgelieferte Antwort:

Sehr geehrter Herr ...,

die Behandlung von Verletzungen am Fuß ist bei Diabetes usw. sehr schwierig und nicht selten erfolglos. Für Komplikationen so einfach eine medizinische Fußpflegerin verantwortlich zu machen, halte ich für voreilig ("Schwarzepeterspiel"?). Man müsste erst einmal die genauen Umstände abklären.

Zum Beispiel:
Warum wurde eine Fußpflegerin hinzugezogen und nicht der Arzt? Hat eventuelle der behandelnde Arzt einen Besuch verweigert? Diese Fragen gehen in Richtung Heim. Was hat die Fußpflegerin konkret gemacht? Hat sie sich auf Fußpflege beschränkt oder hat sie - ohne Einschaltung des Arztes - eine Wundversorgung vorgenommen? Wenn ja, inwieweit hat sie konkret Fehler gemacht? Welche Belege hat ggf. der Arzt dafür, dass durch das Tätigwerden der Fußpflegerin eine neuerliche Infektion verursacht worden ist (Kausalität)? Liegen nicht auch mögliche Arztfehler vor? Hätte nicht der behandelnde Arzt zeitgerecht weitere Hinweise hinsichtlich der Krankheit bzw. Wundversorgung geben müssen? usw.

Erst wenn eine gewisse Vorwegabklärung Fehlverhalten - bei wem auch immer - andeutet, wäre an Konsequenzen zu denken. Es könnte dazu der Sozialhilfeträger bzw. die Krankenkasse unter Hinweis auf § 116 SGB X informiert und um weitere Prüfung gebeten werden. Das SGB V gibt den Krankenkassen auch die Möglichkeit, sich bei Medizinschäden einzuschalten. Es kann ganz einfach der MDK um Begutachtung gebeten werden. Für den betroffenen Patienten ist das alles kostenlos.

Ein Buchtipp zum Thema:
Ehlers/Broglie
Arzthaftungsrecht - Grundlagen und Praxis
viewtopic.php?t=8487&highlight=buchtipp

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
http://www.wernerschell.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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derzeh
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Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

Beitrag von derzeh » 20.11.2010, 11:06

WernerSchell hat geschrieben:Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

Sachverhalt mit Fragestellung (anonymisiert):

… bei einer Betreuten wurde vor ca 6 Wochen ein Zeh amputiert, da er nekrotisch war. Ursache war u.a. eine Diabetes bei gleichzeitigem Alkoholmissbrauch. Nach der Operation heilte die Wunde sehr schlecht ab und ist immer noch offen. Nun hatte das Heim wohl eine Fußpflege bestellt, die auch an dem verletzten Fuß tätig war. Nach Ansicht des Hausarztes wurde durch die Fußpflege eine neuerliche Infektion ausgelöst, die auch mit Penicillin nicht in den Griff zu bekommen war. Es hatte sich ein Abszess an der Fußsohle gebildet. Nun musste die Betreute heute wieder in die Klinik und es muss ein weiterer Zeh amputiert werden sowie der Abszess geöffnet werden.
Ich vermute, dass sich hier eine Haftungsfrage stellt, bin mir nur nicht im Klaren ob beim Heim als Auftraggeber oder bei der Fußpflegerin, die die Behandlung trotz der Wunde durchgeführt hat?Für das Heim sind Fußpflegen ja wie üblich medizinisch und nicht die Angelegenheit der Pflegekräfte. Allerdings soll es auch nicht allzu schwierig sein den Titel medizinische Fußpflege zu bekommen.Meiner Meinung nach hätte die Fußpflegerin die Behandlung bei einer offenen Wunde ablehnen müssen.
Ich wäre für Hinweise dankbar, was veranlasst werden sollte. Anfügen möchte ich noch, dass die betreute Sozialhilfeempfängerin ist. In die OP konnte/kann sie nach Einschätzung der Klinikärzte einwilligen. In die Fußpflege hat sie wohl auch eingewilligt. Allerdings frage ich mich, ob eine Fußpflege überhaupt einer Einwilligung im Sinne eines Eingriffs bedarf. …

Die hierzu abgelieferte Antwort:

Sehr geehrter Herr ...,

die Behandlung von Verletzungen am Fuß ist bei Diabetes usw. sehr schwierig und nicht selten erfolglos. Für Komplikationen so einfach eine medizinische Fußpflegerin verantwortlich zu machen, halte ich für voreilig ("Schwarzepeterspiel"?). Man müsste erst einmal die genauen Umstände abklären.

Zum Beispiel:
Warum wurde eine Fußpflegerin hinzugezogen und nicht der Arzt? Hat eventuelle der behandelnde Arzt einen Besuch verweigert? Diese Fragen gehen in Richtung Heim. Was hat die Fußpflegerin konkret gemacht? Hat sie sich auf Fußpflege beschränkt oder hat sie - ohne Einschaltung des Arztes - eine Wundversorgung vorgenommen? Wenn ja, inwieweit hat sie konkret Fehler gemacht? Welche Belege hat ggf. der Arzt dafür, dass durch das Tätigwerden der Fußpflegerin eine neuerliche Infektion verursacht worden ist (Kausalität)? Liegen nicht auch mögliche Arztfehler vor? Hätte nicht der behandelnde Arzt zeitgerecht weitere Hinweise hinsichtlich der Krankheit bzw. Wundversorgung geben müssen? usw.

Erst wenn eine gewisse Vorwegabklärung Fehlverhalten - bei wem auch immer - andeutet, wäre an Konsequenzen zu denken. Es könnte dazu der Sozialhilfeträger bzw. die Krankenkasse unter Hinweis auf § 116 SGB X informiert und um weitere Prüfung gebeten werden. Das SGB V gibt den Krankenkassen auch die Möglichkeit, sich bei Medizinschäden einzuschalten. Es kann ganz einfach der MDK um Begutachtung gebeten werden. Für den betroffenen Patienten ist das alles kostenlos.

Ein Buchtipp zum Thema:
Ehlers/Broglie
Arzthaftungsrecht - Grundlagen und Praxis
viewtopic.php?t=8487&highlight=buchtipp

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
http://www.wernerschell.de
Nachdem ich in diesem Forum einige Beiträge betreffend der Fußpflege gelesen habe, möchte ich mich als Podologin hierzu klärend zu Worte melden. Dieser Treat erscheint mir als der geeignete, da er viele offene Enden enthält.

Um als med. Fußpflegerin arbeiten zu können, muss man den Beruf der Podologin ergriffen haben. Dieser wurde im Jahr 2002 per Gesetz ins Leben gerufen. siehe: http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf
Die Ausbildung erstreckt sich über 3000 Stunden (2000 Theorie und 1000 Praxis), welche in 2 Jahren Vollzeit oder bis zu 4 Jahren Teilzeit zu erbringen sind, sie ist von den Schülern selbst zu bezahlen. Zuständig für die Ausbildung ist das jeweilige Landesgesundheitsamt. Das nimmt den Schülern auch die staatliche Prüfung ab.


Das Arbeiten an offenen Wunden ist Podologen nicht erlaubt. Diese wissen auf Grund ihrer Ausbildung genau, wann sie Ihre Grenzen erreicht haben. Hier ist IMMER der Arzt zuständig. Als Podologin kann die Therapeutin auch belangt werden. Für Fußpfleger ist hier die Regelung eine andere. Da Fußpflege keiner Aus- und Fortbildungpflicht unterliegt, ist hier ganz klar ein Fakt der Unwissenheit, der die Haftung einschränkt. Anders das Heimpersonal, das ganz klar weiß, dass es sich um eine offene Wunde handelt und dann entscheiden muß, den richtigen Behandler zu benachrichtigen. Das wäre hier der Arzt.

Erschwerend kommt die Krankengeschichte des Patienten zum tragen.
Die Landesgesundheitsämtern sind sich immer noch nicht einig, ob bei der Fußpflege das Heilpraktikergesetz zum Tragen kommt oder nicht. Dies wird in der BRD sehr unterschiedlich (nach Wissensstand des Sachbearbeiters) behandelt. Dieses würde hier ganz klar regeln, dass eine "normale" Fußpflegerin nicht an pathologisch veränderten Füßen arbeiten darf. Diese liegen hier eindeutig vor. Daher gibt es auch eine gewisse Unsicherheit (Ignoranz) von vielen Fußpflegern.
Hier sind die Verbände gefragt, dem Gesetzgeber eine klare Regelung abzuringen. Da es aber 2 große Verbände in D gibt, ist das erstens dadurch erschwert, dass diese nicht miteinander (oder nur ungenügent) kommunizieren. Der http://www.verband-deutscher-podologen.de/ vertritt nur die Seite der Podologen und der http://www.zfd.de/ Fußpfleger und Podologen. Die Gemeinsamkeit beider Gruppen im ZFD wäre ideal, jedoch hat der Verband das Problem sich mit einer der Beitragszahler zu überwerfen, da er sich ja gegen die Fußpfleger stellen müßte, würde er für eine Sicherheit beim Patienten plädieren.


Die Aussage des Arztes stellt diesem ein Zeugnis aus, das ich hier nicht wirklich wiedergeben möchte. Jedoch nur zur Erinnerung: Diabetes, Alkoholmissbrauch, ev. Raucher? PAVK, PNP, Complience?
Eine Fußpflege ist 1x am Fuß. Das Pflegepersonal 3-7x die Woche.
Ich will die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eine Infektion auch durch mangelhafte Hygiene bei einer Fußpflege geschehen kann. Dies bringt mich aber wieder zu den Podologen, die schon in Ihrer Ausbildung 80 Stunden Hygiene zu bewältigen haben. Nachzulesen hier: http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf
Ist es denn klar, ob die Fußpflege sich an der Wunde zu schaffen gemacht hat oder hat sie "nur die "Nägel gekürzt? Das würde ein Arzt nie machen.


Mein Fazit:
Es muß mehr Aufklärung der Patienten, Betreuer, Pflegenden und Ärzten geben, was Podologie bedeutet. Für den Patienten und auch die Folgekosten der KV.
Es bedarf einer größeren Transparenz, was das gebietsübergreifende Arbeiten bedeutet. Kein Podo will dem Arzt Kompetenzen absprechen.
Persönlich wünschte ich mir ein besseres Miteinander.
Betreuer und Pflegende müssen sich den KV und Ärzten gegenüber mehr trauen. Das Einfordern von HMV, um präventiv wirksam arbeiten zu können ist im Interesse des Diabetikers dringend notwendig. Das kann jedoch nur vom Patienten oder Betreuer geschehen. Nur dann kann sicher sein, dass auch im Vorfeld Gefährdungen erkannt werden und diese Vorgebeugt werden. Ohne HMV wird immer im Interesse des Geldbeutels entschieden. Der Fußpfleger wird immer preiswerter sein als ein Podo.

Für weitere Fragen stehe ich gern zu Verfügung.

Carmen Ball
Podologin / Wundexpertin ICW
http://www.derzeh.de

Herbert Kunst
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Fußschädigung durch Fußpfleger? - Haftungsfrage?

Beitrag von Herbert Kunst » 20.11.2010, 13:26

derzeh hat geschrieben: Mein Fazit:
Es muß mehr Aufklärung der Patienten, Betreuer, Pflegenden und Ärzten geben, was Podologie bedeutet. Für den Patienten und auch die Folgekosten der KV.
Es bedarf einer größeren Transparenz, was das gebietsübergreifende Arbeiten bedeutet. Kein Podo will dem Arzt Kompetenzen absprechen.
Persönlich wünschte ich mir ein besseres Miteinander.
Betreuer und Pflegende müssen sich den KV und Ärzten gegenüber mehr trauen. Das Einfordern von HMV, um präventiv wirksam arbeiten zu können ist im Interesse des Diabetikers dringend notwendig. Das kann jedoch nur vom Patienten oder Betreuer geschehen. Nur dann kann sicher sein, dass auch im Vorfeld Gefährdungen erkannt werden und diese Vorgebeugt werden. Ohne HMV wird immer im Interesse des Geldbeutels entschieden. Der Fußpfleger wird immer preiswerter sein als ein Podo. Für weitere Fragen stehe ich gern zu Verfügung.
Hallo Frau Ball,
ich denke, dass Ihre Hinweise wichtig sind. In der Tat scheint es so, dass der normalen und medizinischen Fußpflege einschließlich Wundpflege in den Heimen nicht genügend aufmerksam geschenkt wird. Die Heime versuchen auch immer wieder, sich diesbezüglichen Fragestellungen zu entziehen. Daher hat es hier im Forum bereits zahlreiche Beiträge zum Thema gegeben. Man kann sie auffinden, wenn man unter "Suchen" z.B. den Begriff "Fußpflege" eingibt. Dann werden die entsprechenden Beiträge angezeigt. Es wäre wirklich einmal angezeigt, das Thema grundlegend aufzugreifen.
Wie ich hörte, wird der nächste Pflegetreff in Neuss Erfttal, 1. Quartal 2011, die ärztliche und pflegerische Versorgung aufgreifen. Vielleicht könnte man die Probleme mit der Fußpflege dabei ebenfalls ansprechen.
Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Rauel Kombüchen
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Fußflege in den Pflegeeinrichtungen

Beitrag von Rauel Kombüchen » 28.11.2010, 10:04

Herbert Kunst hat geschrieben: .... In der Tat scheint es so, dass der normalen und medizinischen Fußpflege einschließlich Wundpflege in den Heimen nicht genügend aufmerksam geschenkt wird. Die Heime versuchen auch immer wieder, sich diesbezüglichen Fragestellungen zu entziehen. Daher hat es hier im Forum bereits zahlreiche Beiträge zum Thema gegeben. Man kann sie auffinden, wenn man unter "Suchen" z.B. den Begriff "Fußpflege" eingibt. Dann werden die entsprechenden Beiträge angezeigt. Es wäre wirklich einmal angezeigt, das Thema grundlegend aufzugreifen. ....
Guten Morgen,
ich sehe es auch so, dass die Fußpflege in den Pflegeeinrichtungen auf den Prüfstand gehört. Es geht letztlich darum, dass nicht genügend qualifiziertes Personal verfügbar ist und sich jeder vor den Kosten drücken will. Besonders betroffen sind - wie immer - diejenigen, die über wenig Finanzmittel verfügen.
MfG Rauel K.
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

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