Modelle für mehr Qualität und Bürokratieabbau in der Pflege – Kongress in Essen
NRW-Sozialminister Laumann:
Verbesserungen im Pflegealltag stehen im Mittelpunkt
Düsseldorf, 21.02.2006
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:
„Wir wollen trotz enger Finanzen eine menschenwürdige Pflege für die Zukunft sichern. Deshalb werden wir den Pflegeheimen unseres Landes bei der Qualitätsverbesserung im Pflegealltag helfen. Und durch Bürokratieabbau wollen wir dazu beitragen, dass die Pflegenden mehr Zeit für die Pflegebedürftigen bekommen.“ Das sagte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann heute (21. Februar 2006) in Essen anlässlich einer Tagung zu Qualitätssicherung und Bürokratieabbau in der Pflege.
Seine qualitätsorientierte Pflegepolitik sei kein Widerspruch zur Landespolitik der Entschuldung und Haushaltskonsolidierung, so der Minister weiter: „Der Finanzminister und ich ziehen am selben Strang, wenn wir die Bezahlbarkeit zur Grundlage unserer nordrhein-westfälischen Sozialpolitik machen. Nachfolgenden Generationen Schuldenberge aufzubürden ist die unsozialste und unsolidarischste Form von Politik.“
Auf der Essener Fachtagung werden Zwischenergebnisse des Projekts „Referenzmodelle NRW“ diskutiert, das im September 2004 vom NRW-Sozialministerium, dem Bundessozialministerium und den Pflegekassen gemeinsam gestartet worden ist. Darin entwickeln und erproben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zwanzig Pflegeheimen des Landes gemeinsam mit qualifizierten Wissenschaftlern Konzepte zur Vereinfachung von Pflegeplanung und Dokumentation, praxisfähige Qualitätsmaßstäbe und Leistungsbeschreibungen, die die Arbeit im Pflegealltag der Heime erleichtern.
Auf der Fachtagung werden beispielhaft die Veränderungen dargestellt, die die Projektarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern in den beteiligten Einrichtungen bereits bewirkt hat. Bei der Entwicklung von Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäben zeigte sich, dass in den Referenzeinrichtungen eine Vielzahl von Arbeiten noch nicht ausreichend strukturiert angegangen wurde oder dass es bei bestimmten Tätigkeiten und Anforderungen (wie der Sterbebegleitung oder der Zusammenarbeit mit Ärzten und Krankenhäusern) einen Bedarf an Weiterentwicklung der Konzepte oder der leitenden Vorstellungen gab, die den Arbeiten in den Heimen insgesamt zugrunde gelegt werden.
Nahezu alle Spitzenverbände der freien, kommunalen und privat-gewerblichen Träger von Pflegeeinrichtungen in NRW beteiligen sich mit einem Heim an dem Projekt. Die wissenschaftliche Projektsteuerung und Begleitforschung liegt bei der Forschungsgesellschaft für Gerontologie in Dortmund, die Konzeptentwicklung beim Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld (IPW). Die konkrete Organisationsberatung der Pflegeheime und ihrer Beschäftigten wird vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik durchgeführt.
Die Ergebnisse aus diesem Projekt sollen Grundlage zur Weiterentwicklung der Pflege in den rund 1.600 Heimen in NRW werden. Ein Projektbericht wird nach Abschluss des Projektes „Referenzmodelle NRW“ voraussichtlich bis Jahresende vorliegen.
Hinweis für die Kolleginnen und Kollegen von der Fachpresse:
Informationen zum Konzept und zu erreichten Zwischenergebnissen in der Projektentwicklung gibt es unter http://www.referenzmodelle-nrw.de . Dort können auch die drei bislang zum Projekt erschienenen Broschüren als pdf-Dateien abgerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung vom 21.2.2006
http://www.mags.nrw.de/aktuelles/index.htm
Verbesserungen im Pflegealltag stehen im Mittelpunkt
Moderator: WernerSchell
Eckpunkte für eine menschenwürdige Pflege in NRW
Pressekonferenz am 20. September 2004
Rudolf Henke, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in der Enquetekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“
und im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales:
Aktuelle Qualitätsdebatte über Heime – Eckpunkte für eine menschenwürdige Pflege in NRW
Pflege nicht skandalisieren, Qualitätsmängel nicht tabuisieren
Trotz schwierigster Rahmenbedingungen leistet die große Mehrheit der Heime und der ambulanten Dienste und der für sie tätigen Mitarbeiter eine hochwertige Pflege. Eine „gefährliche Pflege“ kommt nur bei einer Minderheit der Einrichtungen vor. Dennoch ergeben Berichte und Untersuchungen immer wieder Hinweise auf Pflegemängel, Pflegefehler, Vernachlässigung und sogar Gewalt gegen ältere Menschen. Die Reaktionen auf derartige Meldungen kommen „reflexartig“ und sind stets identisch: Verbände, Einrichtungen und Pflegekräfte kritisieren die mangelnde Objektivität der Presse. Sie befürchten aufgrund der Berichterstattung über bedauerliche „Einzelfälle“ einen Schaden für das Ansehen der Pflege und eine „Skandalisierung“ der Pflege. Es kann aber kein Tabu sein, sich mit ernstzunehmenden Hinweisen auf menschenunwürdige Zustände in der Pflege auseinander zu setzen.
Zensur der Informationen über Pflegemängel?
Der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) berichtete am 25. Juni 2002 vor dem Bundesverfassungsgericht über extreme Qualitätsdefizite in der Pflege. Zitat: „Die Situation der Altenpflege in Deutschland weist Qualitätsdefizite auf, die in einer Reihe von Einrichtungen ein erhebliches Ausmaß annehmen...Auch wenn diese extremen Qualitätsdefizite eine Minderheit von ca. 5 bis 10 Prozent der Pflegeeinrichtungen betreffen, sind sie doch Teil der Realität in der deutschen Altenpflege... Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Altenpflege in Deutschland durch Qualitätsdefizite gekennzeichnet ist, die weit über Einzelfälle hinausgehen und auf strukturell notwendige Veränderungen in der Altenpflege hinweisen.“
Vor wenigen Tagen hat der MDS in einer Pressemitteilung plötzlich seine eigenen Berichte über Qualitätsdefizite in der Pflege relativiert. Zitat: „...die angesprochenen massiven Gesundheitsgefährdungen werden nur in Einzelfällen angetroffen...Die Verbreitung von ´Horror-Szenarien´ trägt aus Sicht des MDS nicht zur Verbesserung der Pflege bei und demotiviert die Einrichtungen....“
Eine derartige Kehrtwende legt den Verdacht nahe, dass es einen politischen Willen gibt, die Erkenntnisse des MDS über Pflegemängel zu unterdrücken. Liegt der Grund etwa in dem für das Jahr 2004 drohenden Defizit der Pflegekassen von einer Milliarde Euro? Obwohl die Finanzreserven der Pflegekassen im Jahr 2007 aufgebraucht sein werden, verzögert die Bundesregierung die dringend notwendige Strukturreform der Pflegeversicherung. Wir warnen davor, durch Zensur oder voreiligen Gehorsam der Pflegekassen den Handlungsbedarf in der Pflege zu verschleiern und der Regierung Schröder ihre Untätigkeit zu erleichtern.
Fehlende Transparenz
Die Erkenntnisse der Medizinischen Dienste der Krankenkassen sind nur schwer oder gar nicht zugänglich. Dies ist ein Zeichen fehlender Transparenz der Pflegequalität in NRW. Da der Landtag auf Antrag der CDU-Fraktion eine Enquetekommission zu „Situation und Zukunft der Pflege“ eingerichtet hat, ist es ohnehin nicht nachvollziehbar, warum die Landesregierung den Landtag nicht regelmäßig über die im Landespflegeausschuss behandelten Themen unterrichtet.
Es gibt bundesweit zahlreiche Untersuchungen der Heimaufsichten und der Medizinischen Dienste der Krankenkassen. Eine systematisierte, landesweite Pflegeberichterstattung und repräsentative Studien zur Pflegequalität in NRW fehlen jedoch. Da die vorliegenden Prüfergebnisse stets das gleiche Bild zeichnen, kann aber keinesfalls davon ausgegangen werden, dass es sich bei den bekannt gewordenen Qualitätsdefiziten nur um „Einzelfälle“ handelt.
Qualitätsdefizite in der Pflege
Festgestellt werden Verwahrlosung, Unterernährung, vermeidbare Druckgeschwüre (Dekubitus), der unsachgemäße Einsatz freiheits-beschränkender Maßnahmen, eine unreflektierte Gabe von Beruhigungs- oder Schmerzmitteln. Es gibt auch Hinweise auf gravierende Qualitätsdefizite bei der Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung in Pflegeeinrichtungen. Dies führt zu einer drastischen Steigerung der Sterblichkeit, zu einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko sowie zu schlechteren kognitiven Leistungen bei den Betroffenen. So kann es sein, dass ein Pflegebedürftiger allein aufgrund der unzureichenden Flüssigkeitsversorgung verwirrt ist und diese Verwirrtheit aber in Verkennung der Ursache medikamentös mit Psychopharmaka behandelt wird. Daraus kann ein „Teufelskreis“ entstehen.
Ursachen für „gefährliche Pflege“
Wo „gefährliche Pflege“ vorkommt, trifft man immer wieder auf das gleiche Bündel von Ursachen: unzureichende Qualifikation von Pflegekräften und Pflegedienstleitungen, zu geringe Personalausstattung, Defizite in Organisation und Management, konzeptionelle Defizite, bauliche Mängel und Mängel in der Pflegeplanung. Wichtige Defizite oder Veränderungen im Krankheits- und Pflegezustand werden nicht dokumentiert. Ein Sachverständiges Mitglied der Enquetekommission hat aktuell darauf hingewiesen, dass in mehr als 50 Prozent aller Pflegedokumentationen der von ihr untersuchten Frankfurter Heime Angaben zur Sehfähigkeit oder Hörfähigkeit der Pflegebedürftigen fehlten.
Probleme bei der nächtlichen Versorgung und am Wochenende
Eine Studie im Auftrag des Landespflegeausschusses NRW zur Versorgungssituation in den Pflegeheimen hat schwerwiegende Probleme insbesondere im Nachtdienst und am Wochenende festgestellt. Die übliche Personalbesetzung und Arbeitsorganisation der Nachtdienste ist in vielen Fällen nicht ausreichend, um die Sicherheit und die pflegerische Grundversorgung der Bewohner zu gewährleisten. Die Geschwindigkeit pflegerischer Maßnahmen kann als „Pflege im Minutentakt“ bezeichnet werden und führt gerade bei desorientierten Bewohnern häufig zu Abwehrreaktionen. Die an Wochenende geleistete Versorgung liegt pro Bewohner täglich um ca. 10 Minuten unterhalb des Durchschnittswerts während der übrigen Wochentage.
Forderungen
Um in allen heute noch problematischen Einrichtungen eine menschenwürdige Pflege zu gewährleisten fordert die CDU-Landtagsfraktion NRW:
· Alle Beschäftigten, Pflegekräfte, Pflegedienstleitung und Heimleitung müssen besser qualifiziert werden. Die Landesregierung hat im Konsens mit den Akteuren der Pflege ein Curriculum für die Fortbildung zu erarbeiten. Für dessen Nutzung bieten sich die preiswerten Möglichkeiten des Internets an. Das Curriculum muss in Problemsituationen abrufbar sein.
· Das Land muss den Pflegeeinrichtungen einen unbürokratischen, preiswerten und einheitlich anwendbaren Standard für die Pflegedokumentation zur Verfügung zu stellen, der von allen in der Pflege Beteiligten (Heimaufsichten, MDK, Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen) anerkannt wird.
· Erforderlich ist eine „Konzertierte Aktion für Menschenwürde in der Pflege“. Das Land hat die Verbände und Einrichtungen der Pflege daran zu beteiligen. Pflege- und Leitungskräfte aber auch die an der Versorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzte sind für die besondere Situation in der „Institution Heim“ zu sensibilisieren, die für die Pflegebedürftigen die Gefahr der Entmündigung und den Verlust von Selbständigkeit und Selbstbestimmung birgt. Trotz angespannter Arbeitssituation, Zeitdruck und Personalmangel darf es für die Bewohner kein „Frühstück auf dem Toilettenstuhl“ geben.
· In den Einrichtungen sollten Angebote der Supervision für die Pflegekräfte angeboten werden, um das eigene Handeln regelmäßig zu reflektieren. Vermieden werden muss eine entwürdigende Kommunikation mit den Pflegebedürftigen.
Freiwilliges Engagement ist verstärkt zu fördern, um eine soziale Betreuung der Pflegebedürftigen zu ermöglichen, die professionelle Pflegekräfte aufgrund der angespannten Versorgungssituation häufig nicht mehr leisten können. Die Möglichkeiten der Hartz-IV-Gesetzgebung sind zu nutzen, um Empfängern des Arbeitslosengeldes II Arbeitsmöglichkeiten im sozialen Bereich als Begleithilfe in Ergänzung der dadurch keinesfalls ersetzbaren Fachpflege anzubieten.
Pflegekassen, Verbraucherzentralen, Seniorenbeiräte, Kommunen, Träger und Heime müssen ihre Informations- und Beratungsangebote ausbauen und stärker systematisieren. Information kann Ängste vor dem Heim abbauen. Heime sollten sich dazu stärker nach außen öffnen. Tage der offenen Tür sollten in jedem Heim selbstverständlich werden.
Dem Fachkräftemangel in der Pflege ist durch eine bedarfsgerechte Förderung der Altenpflegeausbildung durch Bund und Land entgegen zu wirken.
Die Pflegeberichterstattung ist zu systematisieren, um höhere Transparenz der Pflegequalität und Verbraucherschutz zu gewährleisten. Bisher werden nur statistische Daten über den Leistungsumfang und -bezug erhoben. In diesem Zusammenhang ist die Pflegeforschung zu intensivieren.
Die Pflegeversicherung ist umgehend weiter zu entwickeln, um eine solide finanzielle Grundlage für die Pflege zu schaffen. Bund und Land stehen in der Verantwortung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Fundstelle: http://home.landtag.nrw.de/mdl/rudolf.henke/b6.htm
Rudolf Henke, Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in der Enquetekommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“
und im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales:
Aktuelle Qualitätsdebatte über Heime – Eckpunkte für eine menschenwürdige Pflege in NRW
Pflege nicht skandalisieren, Qualitätsmängel nicht tabuisieren
Trotz schwierigster Rahmenbedingungen leistet die große Mehrheit der Heime und der ambulanten Dienste und der für sie tätigen Mitarbeiter eine hochwertige Pflege. Eine „gefährliche Pflege“ kommt nur bei einer Minderheit der Einrichtungen vor. Dennoch ergeben Berichte und Untersuchungen immer wieder Hinweise auf Pflegemängel, Pflegefehler, Vernachlässigung und sogar Gewalt gegen ältere Menschen. Die Reaktionen auf derartige Meldungen kommen „reflexartig“ und sind stets identisch: Verbände, Einrichtungen und Pflegekräfte kritisieren die mangelnde Objektivität der Presse. Sie befürchten aufgrund der Berichterstattung über bedauerliche „Einzelfälle“ einen Schaden für das Ansehen der Pflege und eine „Skandalisierung“ der Pflege. Es kann aber kein Tabu sein, sich mit ernstzunehmenden Hinweisen auf menschenunwürdige Zustände in der Pflege auseinander zu setzen.
Zensur der Informationen über Pflegemängel?
Der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) berichtete am 25. Juni 2002 vor dem Bundesverfassungsgericht über extreme Qualitätsdefizite in der Pflege. Zitat: „Die Situation der Altenpflege in Deutschland weist Qualitätsdefizite auf, die in einer Reihe von Einrichtungen ein erhebliches Ausmaß annehmen...Auch wenn diese extremen Qualitätsdefizite eine Minderheit von ca. 5 bis 10 Prozent der Pflegeeinrichtungen betreffen, sind sie doch Teil der Realität in der deutschen Altenpflege... Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Altenpflege in Deutschland durch Qualitätsdefizite gekennzeichnet ist, die weit über Einzelfälle hinausgehen und auf strukturell notwendige Veränderungen in der Altenpflege hinweisen.“
Vor wenigen Tagen hat der MDS in einer Pressemitteilung plötzlich seine eigenen Berichte über Qualitätsdefizite in der Pflege relativiert. Zitat: „...die angesprochenen massiven Gesundheitsgefährdungen werden nur in Einzelfällen angetroffen...Die Verbreitung von ´Horror-Szenarien´ trägt aus Sicht des MDS nicht zur Verbesserung der Pflege bei und demotiviert die Einrichtungen....“
Eine derartige Kehrtwende legt den Verdacht nahe, dass es einen politischen Willen gibt, die Erkenntnisse des MDS über Pflegemängel zu unterdrücken. Liegt der Grund etwa in dem für das Jahr 2004 drohenden Defizit der Pflegekassen von einer Milliarde Euro? Obwohl die Finanzreserven der Pflegekassen im Jahr 2007 aufgebraucht sein werden, verzögert die Bundesregierung die dringend notwendige Strukturreform der Pflegeversicherung. Wir warnen davor, durch Zensur oder voreiligen Gehorsam der Pflegekassen den Handlungsbedarf in der Pflege zu verschleiern und der Regierung Schröder ihre Untätigkeit zu erleichtern.
Fehlende Transparenz
Die Erkenntnisse der Medizinischen Dienste der Krankenkassen sind nur schwer oder gar nicht zugänglich. Dies ist ein Zeichen fehlender Transparenz der Pflegequalität in NRW. Da der Landtag auf Antrag der CDU-Fraktion eine Enquetekommission zu „Situation und Zukunft der Pflege“ eingerichtet hat, ist es ohnehin nicht nachvollziehbar, warum die Landesregierung den Landtag nicht regelmäßig über die im Landespflegeausschuss behandelten Themen unterrichtet.
Es gibt bundesweit zahlreiche Untersuchungen der Heimaufsichten und der Medizinischen Dienste der Krankenkassen. Eine systematisierte, landesweite Pflegeberichterstattung und repräsentative Studien zur Pflegequalität in NRW fehlen jedoch. Da die vorliegenden Prüfergebnisse stets das gleiche Bild zeichnen, kann aber keinesfalls davon ausgegangen werden, dass es sich bei den bekannt gewordenen Qualitätsdefiziten nur um „Einzelfälle“ handelt.
Qualitätsdefizite in der Pflege
Festgestellt werden Verwahrlosung, Unterernährung, vermeidbare Druckgeschwüre (Dekubitus), der unsachgemäße Einsatz freiheits-beschränkender Maßnahmen, eine unreflektierte Gabe von Beruhigungs- oder Schmerzmitteln. Es gibt auch Hinweise auf gravierende Qualitätsdefizite bei der Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung in Pflegeeinrichtungen. Dies führt zu einer drastischen Steigerung der Sterblichkeit, zu einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko sowie zu schlechteren kognitiven Leistungen bei den Betroffenen. So kann es sein, dass ein Pflegebedürftiger allein aufgrund der unzureichenden Flüssigkeitsversorgung verwirrt ist und diese Verwirrtheit aber in Verkennung der Ursache medikamentös mit Psychopharmaka behandelt wird. Daraus kann ein „Teufelskreis“ entstehen.
Ursachen für „gefährliche Pflege“
Wo „gefährliche Pflege“ vorkommt, trifft man immer wieder auf das gleiche Bündel von Ursachen: unzureichende Qualifikation von Pflegekräften und Pflegedienstleitungen, zu geringe Personalausstattung, Defizite in Organisation und Management, konzeptionelle Defizite, bauliche Mängel und Mängel in der Pflegeplanung. Wichtige Defizite oder Veränderungen im Krankheits- und Pflegezustand werden nicht dokumentiert. Ein Sachverständiges Mitglied der Enquetekommission hat aktuell darauf hingewiesen, dass in mehr als 50 Prozent aller Pflegedokumentationen der von ihr untersuchten Frankfurter Heime Angaben zur Sehfähigkeit oder Hörfähigkeit der Pflegebedürftigen fehlten.
Probleme bei der nächtlichen Versorgung und am Wochenende
Eine Studie im Auftrag des Landespflegeausschusses NRW zur Versorgungssituation in den Pflegeheimen hat schwerwiegende Probleme insbesondere im Nachtdienst und am Wochenende festgestellt. Die übliche Personalbesetzung und Arbeitsorganisation der Nachtdienste ist in vielen Fällen nicht ausreichend, um die Sicherheit und die pflegerische Grundversorgung der Bewohner zu gewährleisten. Die Geschwindigkeit pflegerischer Maßnahmen kann als „Pflege im Minutentakt“ bezeichnet werden und führt gerade bei desorientierten Bewohnern häufig zu Abwehrreaktionen. Die an Wochenende geleistete Versorgung liegt pro Bewohner täglich um ca. 10 Minuten unterhalb des Durchschnittswerts während der übrigen Wochentage.
Forderungen
Um in allen heute noch problematischen Einrichtungen eine menschenwürdige Pflege zu gewährleisten fordert die CDU-Landtagsfraktion NRW:
· Alle Beschäftigten, Pflegekräfte, Pflegedienstleitung und Heimleitung müssen besser qualifiziert werden. Die Landesregierung hat im Konsens mit den Akteuren der Pflege ein Curriculum für die Fortbildung zu erarbeiten. Für dessen Nutzung bieten sich die preiswerten Möglichkeiten des Internets an. Das Curriculum muss in Problemsituationen abrufbar sein.
· Das Land muss den Pflegeeinrichtungen einen unbürokratischen, preiswerten und einheitlich anwendbaren Standard für die Pflegedokumentation zur Verfügung zu stellen, der von allen in der Pflege Beteiligten (Heimaufsichten, MDK, Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen) anerkannt wird.
· Erforderlich ist eine „Konzertierte Aktion für Menschenwürde in der Pflege“. Das Land hat die Verbände und Einrichtungen der Pflege daran zu beteiligen. Pflege- und Leitungskräfte aber auch die an der Versorgung beteiligten Ärztinnen und Ärzte sind für die besondere Situation in der „Institution Heim“ zu sensibilisieren, die für die Pflegebedürftigen die Gefahr der Entmündigung und den Verlust von Selbständigkeit und Selbstbestimmung birgt. Trotz angespannter Arbeitssituation, Zeitdruck und Personalmangel darf es für die Bewohner kein „Frühstück auf dem Toilettenstuhl“ geben.
· In den Einrichtungen sollten Angebote der Supervision für die Pflegekräfte angeboten werden, um das eigene Handeln regelmäßig zu reflektieren. Vermieden werden muss eine entwürdigende Kommunikation mit den Pflegebedürftigen.
Freiwilliges Engagement ist verstärkt zu fördern, um eine soziale Betreuung der Pflegebedürftigen zu ermöglichen, die professionelle Pflegekräfte aufgrund der angespannten Versorgungssituation häufig nicht mehr leisten können. Die Möglichkeiten der Hartz-IV-Gesetzgebung sind zu nutzen, um Empfängern des Arbeitslosengeldes II Arbeitsmöglichkeiten im sozialen Bereich als Begleithilfe in Ergänzung der dadurch keinesfalls ersetzbaren Fachpflege anzubieten.
Pflegekassen, Verbraucherzentralen, Seniorenbeiräte, Kommunen, Träger und Heime müssen ihre Informations- und Beratungsangebote ausbauen und stärker systematisieren. Information kann Ängste vor dem Heim abbauen. Heime sollten sich dazu stärker nach außen öffnen. Tage der offenen Tür sollten in jedem Heim selbstverständlich werden.
Dem Fachkräftemangel in der Pflege ist durch eine bedarfsgerechte Förderung der Altenpflegeausbildung durch Bund und Land entgegen zu wirken.
Die Pflegeberichterstattung ist zu systematisieren, um höhere Transparenz der Pflegequalität und Verbraucherschutz zu gewährleisten. Bisher werden nur statistische Daten über den Leistungsumfang und -bezug erhoben. In diesem Zusammenhang ist die Pflegeforschung zu intensivieren.
Die Pflegeversicherung ist umgehend weiter zu entwickeln, um eine solide finanzielle Grundlage für die Pflege zu schaffen. Bund und Land stehen in der Verantwortung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Fundstelle: http://home.landtag.nrw.de/mdl/rudolf.henke/b6.htm