Personalsituation in Krankenhäusern
Petitionsausschuss
Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung sieht erheblichen Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Personalsituation in der Pflege. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Annette Widmann-Mauz (CDU) während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag deutlich. Man habe daher auch einen entsprechenden Schwerpunkt in der Gesetzgebung gelegt, sagte die Staatssekretärin mit Verweis auf das Anfang November verabschiedete Krankenhausstrukturgesetz und das wenige später verabschiedete Zweite Pflegestärkungsgesetz. Damit sei aber der Prozess nicht abgeschlossen, was auch die durch den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einberufene Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus" verdeutliche, sagte Widmann-Mauz. Den Ergebnissen dieser Kommission wolle man nicht vorgreifen, so die CDU-Politikerin, die deshalb auch der Forderung nach Einführung eines Gesetzes zur Personalbemessung im Krankenhaus eine Absage erteilte.
Für ein solches Gesetz sprach sich die Petentin Sylvia Bühler in ihrer vor dem Petitionsausschuss diskutierten Eingabe aus, die mehr als 180.000 Unterstützer gefunden hat. Geregelt werden soll darin, "dass der reale Personalbedarf ermittelt wird sowie, dass die benötigten Stellen in allen Bereichen des Krankenhauses geschaffen und zweckgebunden außerhalb der Fallpauschalen finanziert werden". Menschen, die ins Krankenhaus müssen, könnten sich nicht mehr darauf verlassen, dort gut versorgt zu werden, sagte die Petentin vor dem Ausschuss. Obwohl die Beschäftigten alles aus sich herausholen würden, könnten sie nicht das fehlende Personal wettmachen, betonte Bühler, die Mitglied des Bundesvorstandes der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. ist. Nach einer Erhebung der Gewerkschaft fehlten bundesweit in den Krankenhäuser 162.000 Stellen, "70.000 allein in der Pflege". Auch eine große Zahl an Gefährdungsanzeigen, in denen Mitarbeiter gegenüber den Klinikleitungen auf die Problematiken aufmerksam haben, hätte nicht zu Verbesserungen geführt. "Der Hilferuf wurde nicht gehört", sagte Bühler. Der Personalnotstand sei aber nicht nur für die Patienten gefährlich, sondern mache auch die Beschäftigten krank.
Gesundheits-Staatssekretärin Widmann-Mauz verwies hingegen auf das Pflegestellenförderprogramm im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes. Danach belaufen sich in den Jahren 2016 bis 2018 die Fördermittel auf insgesamt bis zu 660 Millionen Euro. Ab 2019 stünden dauerhaft bis zu 330 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Außerdem werde der Versorgungszuschlag von 500 Millionen Euro ab 2017 durch einen Pflegezuschlag ersetzt, der entsprechend der Pflegepersonalkosten an die Krankenhäuser verteilt werde.
Die bislang seitens der Politik getroffenen Maßnahmen seien unzureichend, urteilte die Petentin. "Wenn so durchschnittlich eine Stelle pro Krankenhaus entlastet wird, hilft das nichts." Die Beschäftigten hätten vielmehr den Eindruck, "die Politik hat das Problem erkannt, stellt es aber nicht wirklich ab". Kritik übte die Petentin auch daran, dass der Pflegezuschlag lediglich ein Anreizprogramm darstelle, bei dem die Krankenhäuser mitmachen könnten oder auch nicht. Benötigt würden jedoch gesetzliche Vorgaben. Was die von der Staatssekretärin angesprochene Expertenkommission angeht, so bemängelte Bühler, dass diese sich lediglich mit dem Pflegebereich beschäftige, die Problematik des Personalmangels sich aber in allen Krankenhausbereichen zeige. Gleichwohl werde Ver.di. in dem Gremium mitarbeiten, kündigte sie an. "Wir werden darauf drängen, dass Lösungen nicht auf die lange Bank geschoben werden und es nicht ausschließlich um die Pflegeberufe geht, damit es keinen Verschiebebahnhof gibt", kündigte Bühler an.
Quelle: Mitteilung vom 30.11.2015
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk erklärte dazu am 29.11.2015, dass Petitionen zu Pflegethemen eher weniger geeignet sind. Darauf wird seit Jahren aufmerksam gemacht. Stattdessen wird für ein Aktionsbündnis aller Institutionen und Einzelpersonen, die sich für eine Auflösung des Pflegenotstandes in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einsetzen, geworben. Sich insoweit zu engagieren war u.a. bei den Neusser Pflegetreffs am 13.05.2014 (mit Hermann Gröhe, BMG), 14.04.2015 (mit Karl-Josef Laumann, Pflegebeauftragter Bund) und 21.10.2015 (mit Hermann Gröhe, BMG) möglich. Lediglich die Aktion "Pflege am Boden" war jeweils mit einer größeren Abordnung vertreten. - Über die Pflegetreffs am 14.4.2015 und 21.10.2015 informieren Filme bei Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=76rX1ELEQM0 / https://youtu.be/4cy5Ey-cBNg / https://youtu.be/qbyHRxX9ikk
Vgl. auch unter > viewtopic.php?f=6&t=21070
Petitionen sind nur in bestimmten Einzelsituationen der geeignete Weg, Probleme anzusprechen und einer Lösung zuzuführen. Pflegerische Themen eignen sich für solche Verfahren eher weniger, weil es in den letzten Jahren vielfältige Pflege-Reformgesetze und neue Einzelregelungen gegeben hat, auf die der Petitionsausschuss nach Anhörung des zuständigen Ministeriums immer wieder verweisen kann. Die Anhäufung der Petitionen zu bestimmten Pflegethemen führt im Übrigen auch dazu, dass der Ausschuss vielfach mit Textbausteinen Antworten formuliert. Solche Texte werden Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk öfter zur Kenntnis gebracht. Daher hat sich der Eindruck aufgedrängt, dass die Einreichung von Petitionen eher ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für den entsprechenden Ausschuss darstellt.
Wer etwas verändern will, muss an den Stellen argumentieren, möglichst mit konstruktiven Vorschlägen, wo die entsprechenden Reformgesetze vorbereitet bzw. verbindlich beschlossen werden. Diesbezügliche Initiativen wurden von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk immer wieder auf der Grundlage von Pflegetreffs in Gang gebracht. Dabei konnten auch Erfolge erzielt werden!
Am 16.11.2015 hat Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk die augenblicklichen Reformerwägungen angesprochen und in einer Erklärung getitelt: "Pflegenotstand: Konkrete Maßnahmen zur schnellen Auflösung erforderlich". - Quelle: viewtopic.php?f=3&t=21363 . Hinsichtlich der von Hermann Gröhe, BMG, einberufenen Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus", im Petitionsausschuss angesprochen, sind weitere Hinweise unter folgender Adresse nachlesbar: viewtopic.php?f=3&t=21289
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat aktuell Vorstellungen und Initiativen entwickelt, wie in der Angelegenheit weiter zu kommen ist. Alles nach dem Motto "Nach der Reform ist vor der Reform". Die seit vielen Jahren bestehende Forderung nach einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern (und Heimen) hat weiterhin Bestand. Zu den gebotenen Verbesserungen gehören v.a. die Gestaltung von Personalbemessungssystemen und höhere Vergütungen. Im Gefolge solcher Maßnahmen muss es Ausbildungs- und Einstellungsoffensiven geben. So können die Probleme gelöst werden. Es muss dabei aber taktisch und strategisch mit Bedacht gehandelt werden.
Werner Schell
