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Sterbehilfe: Was erlaubt ist, wird auch gemacht

Verfasst: 29.09.2008, 17:24
von Ärztliche Praxis
Anonyme Befragung zu über 30.000 Todesfällen
Sterbehilfe: Was erlaubt ist, wird auch gemacht

29.09.08 - Was ist am Lebensende medizinisch sinnvoll, was ethisch vertretbar? Vor diese Fragen gestellt, sind Patient, Ärzte und Angehörige auf Unterstützung angewiesen. Das zeigt eine Untersuchung in einigen Nachbarländern.

Nach einer Studie von PD Dr. Georg Bosshard (Inst. f. Biomedizinische Ethik, Zürich) in Ländern wie Italien, Belgien oder der Schweiz wird passive oder indirekte Sterbehilfe häufig auch angewandt. Deutschland war nicht Teil der Studie. Jedoch sind hier die Probleme der Ärzte und Angehörigen dieselben.

"Das Forschungsprojekt EURELD (European-End-of-Life-Decisions) basiert auf anonymen Befragungen von Ärztinnen und Ärzten anhand einer Zufallsstichprobe von über 30.000 Todesfällen in Belgien, Dänemark, Holland, Norditalien, Schweden sowie der deutschsprachigen Schweiz.

In jedem zweiten Fall Entscheidung für Lebensverkürzung
Hierbei stellte sich heraus, dass beispielsweise in der Schweiz die Befragten in fünfzig Prozent der Fälle eine Entscheidung getroffen hatten, die eine Lebensverkürzung in Kauf nahm oder beabsichtigte.

Dies zeigt, dass im hochentwickelten Gesundheitssystem moderner westlicher Staaten der Todeszeitpunkt zunehmend die Folge einer ärztlichen Entscheidung ist. Dabei entscheiden sich Ärzte häufig für Formen der Lebensverkürzung, die in dem jeweiligen Land legal sind.

Bei Behandlungsverzicht und -abbruch berichteten die Befragten in fast der Hälfte der Fälle, sie hätten mit der ausdrücklichen Absicht zur Beschleunigung des Todeseintrittes so entschieden.

Aktive Sterbehilfe auf Verlangen sei besonders in den Ländern relevant, wo diese Praxis legal sei, sagt Bosshard und nennt als Beispiele die Niederlande (2,6 % aller Todesfälle) und Belgien (0,3 %).

Für ethische Fragen sensibilisieren
"Die moderne Medizin wirft zunehmend ethische Fragen auf, die im Alltag von Krankenhaus, Pflegeheim und Praxis entscheidend sind", sagt Prof. Jochen Vollmann, Leiter der Abteilung Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum und Präsident der Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin Vollmann. Neben medizinischen seien hier ethische und rechtliche Kenntnisse gefragt. "Ärzte, Pflegepersonal und andere Gesundheitsberufe sollen für ethische Fragestellungen sensibilisiert werden, um diese frühzeitig zu erkennen und Möglichkeiten zur Lösung aufzuzeigen."

Konkretes Angebot für Patienten und Angehörige schaffen
Vollmann sieht die Notwendigkeit einer klinischen Ethikberatung. In Komitees besprechen Ärzte den Gesundheitszustand der Patienten haargenau und diskutieren mögliche weitere Therapiekonzepte. In einer Beratung mit Patient oder Angehörigen, die immer nur subjektiv sein kann, wird dann versucht, die Entscheidungsfindung zu erleichtern. "Jedoch trifft die Beratung leider auch auf Widerstände und ist immer noch nicht überall bekannt. Das müssen wir ändern und insbesondere vermehrt die Wünsche der Patientinnen und Patienten zu Wort kommen lassen", so Vollmann.

idw/me

Fundstelle: Ärztliche Praxis, 29.09.2008
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 489337.htm