Deutsche Hospiz Stiftung zum Mannheimer "Sterbehilfe"-Prozess:
Falsch verstandenes Mitleid darf nicht tödlich sein
Berlin. In Mannheim endet heute der Prozess gegen einen Arzt, der die Behandlung einer Patientin abgebrochen hatte, um sie sterben zu lassen. Dazu kommentiert Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung: "Es ist eine Schande, wie unsere Gesellschaft mit Schwerstkranken und Sterbenden umgeht. Zu glauben, ein Mensch müsse doch wohl sterben wollen, nur weil man selbst seinen Zustand als unzumutbar einschätzt, ist falsch verstandenes Mitleid. Nur der ausdrückliche Wille der Schwerstkranken und Sterbenden darf die Grundlage sein, eine Behandlung abzubrechen."
Ein Patientenverfügungsgesetz ist dringend nötig
Brysch betont, dass im aktuellen Fall ein praxistaugliches Patientenverfügungsgesetz dazu beigetragen hätte, das Recht der Patientin auf Selbstbestimmung zu wahren. "Damit falsch verstandenes Mitleid nicht tödlich wird, sind klare Regeln notwendig." Bereits im Juni 2005 hatte die Deutsche Hospiz Stiftung ein Gesetz vorgestellt, in dem festgelegt ist, dass schriftliche Patientenverfügungen, die aufgrund fachkundiger Beratung entstehen, in jedem Fall bindend sind. "Liegt eine solche Patientenverfügung nicht vor, muss der ,mutmaßliche Wille' der zu behandelnden Person ermittelt werden", erklärt Brysch. "Auch das gilt es, in einem Patientenverfügungsgesetz zu regeln: Zuerst müssen die Äußerungen des betroffenen Menschen gegenüber Vertrauenspersonen wie zum Beispiel nächsten Angehörigen berücksichtigt werden." Lasse sich der Wille nicht ermitteln, dürfe keinesfalls ein Arzt eigenmächtig die Behandlung abbrechen. "Eines ist unumstößlich", fährt Brysch fort. "Der Patient hat immer ein Recht auf bestmögliche Pflege und moderne Schmerzmedizin. Im aktuellen Fall hatte die Patientin schmerzhafte Druckgeschwüre. Dies ist ein Indiz für schlechte Pflege." Abschließend ermahnt Brysch die Politik: "Bereits seit Jahren wird ein Gesetz zur Patientenverfügung immer wieder auf die lange Bank geschoben. Es muss jetzt dringend gehandelt werden."
Quelle: Pressemitteilung 20-08 der Deutschen Hospiz Stiftung vom 16. September 2008
Bei Rückfragen und Interview-Wünschen:
Matthias Hartmann:
Tel.: 030 - 28444842
E-Mail: hartmann@hospize.de
Falsch verstandenes Mitleid darf nicht tödlich sein
Moderator: WernerSchell
... wo ist die Grenze zum strafbaren Handeln?
"Bild des Jammers" - Urteil gegen Arzt aus Mannheim wegen versuchtem Totschlag
... wo ist die Grenze zum strafbaren Handeln?
Nicht nur in Mannheim - quer durch die Republik erregt der Mannheimer Arztprozess, in dem heute das Urteil gesprochen wurde, Aufsehen. Die Frage: Was ist "passive" Sterbehilfe im Sinne des (mutmaßlichen) Willens eines nicht mehr ansprechbaren Schwerstleidenden im Pflegeheim und wo ist die Grenze zum strafbaren Handeln? Sie beschäftigt Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige.
MANNHEIM, 16.9. Ein Mannheimer Arzt wollte das schwere Leiden seiner ans Bett gefesselten, schwer demenzkranken Patientin nicht weiter verlängern. Der niedergelassene Mediziner musste sich u. a. wegen versuchten Mordes vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Der Staatsanwalt hatte 4 Jahr Gefängnisstrafe gefordert. Heute wurde das Urteil gesprochen: Zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung wegen versuchtem Totschlag und ein - existenzgefährdender - Entzug der ärztlichen Zulassung des niedergelassenen Mediziners.
In jenem Stadtteil, in dem der 64-Jährige seine Praxis hat, kam es zu einer Unterschriftenaktion, bei der Patienten bekunden, dass sie mit dem menschlich engagierten Arzt gute Erfahrungen gemacht haben.
Der Prozess
"Ich wollte einen gnädigen Tod ermöglichen", hatte der 64-Jährige zum Prozessauftakt gesagt. Er gab zu, einer 82-jährigen Diabetikerin das Insulin abgesetzt zu haben. Zudem habe er die Nahrung für die demente Heimbewohnerin reduziert, die über eine Magensonde zugeführt wurde - da sie die zugeführte Nahrung ständig erbrach. Es sei ein grauenvolles "Bild des Jammers" gewesen, nach einem Krankenhausaufenthalt sei die nicht ansprechbar, und nur noch verkrümmt daliegende Patientin mit Druckgeschwüren bis auf die Knochen übersät gewesen, wäre bei lebendigem Leib langsam verfault.
Sie starb 2004 an einer Magenblutung, wofür der Arzt nicht verantwortlich zu machen sei. Daher lautet die Anklage auf versuchten und nicht auf vollendeten Mord. Der Verteidiger Eddo Compart hatte plädiert. "Ich wäre froh, wenn ich in einer derartigen Situation einen solchen Arzt hätte", sagte. Es habe unstrittig keinerlei Aussicht auf eine Gesundung bestanden. Der Angeklagte sei davon ausgegangen, den "mutmaßlichen Willen" der Schwerstkranken nach einem "menschenwürdigen Sterben" umzusetzen.
Problem: Patientenverfügung
Die Therapie-Reduzierung, die der Arzt anordnete, sollte die Qualen der Frau reduzieren. Der Arzt sagte weiter, er habe im Sinne der Frau gehandelt und den Sterbeprozess natürlich verlaufen lassen. Allerdings fälschte er, als er bereits unter Anklage stand, die Unterschrift unter eine Patientenverfügung, in der lebensverlängernde Maßnahmen untersagt werden. "Ich schäme mich und bereue zutiefst", damit das Gericht getäuscht zu haben, sagte der Angeklagte. Er sei damals "vollkommen verzweifelt gewesen" und in einem "psychischen Ausnahmezustand" aus Angst um seine Existenz und die seiner Familie gewesen.
"Das ist ein verzweifelter Versuch einer Rechtfertigung", hatte dazu der Oberstaatsanwalt Larcher im Prozess erklärt. Die Patientin habe "nicht ansatzweise" eine entsprechende Willenserklärung abgegeben. Dazu war sie auch geistig nicht mehr in der Lage. Zudem war die Heimbewohnerin "zu keinem Zeitpunkt als Sterbende anzusehen".
Der bedeutsame Fehler
Doch der Arzt hatte über die Therapiereduktion weder die Betreuerin der alten Frau noch das Heim informiert. - so kam es auch aus von dieser Seite zur Anzeige gegen den Mediziner.
Es habe im Vorfeld starke Kommunikationsprobleme gegeben. Der Arzt, der schon früher Hausarzt der Verstorbenen war, besuchte sie dann im Heim weiter - sogar etwa alle zwei Wochen. Die Patientin hatte keine Angehörige, stand unter staatlicher Betreuung. Die Betreuerin hätte er in letzter Zeit im Heim nicht zu Gesicht bekommen. Das Verhältnis zwischen den beiden war vorher bereits stark belastet.
Im Prozess hatte die Berufsbetreuerin über den letzten Kontakt (laut Schwarzwälder Bote vom 2. 9.) ausgesagt:
»Das war ein schlimmes Telefonat«, sagte die 63-jährige Betreuerin der Betroffenen vor dem Mannheimer Landgericht. Der Arzt habe ihr, weil sie nach einem zusätzlichen Schlaganfall der Demenzkranküberhaupt noch das Legen einer PEG-Sonde im Krankenhaus veranlasst habe, schwere Vorwürfe gemacht. Diese gipfelten darin, dass er ihr unterstellt habe, sie hätte ein berufliches Eigentinteresse daran, ihren Betreuungsfall nicht - durch Tod - zu verlieren.
(Dies könnte wohl ein Hintergrund für die dann erfolgte Anzeige gegen den Arzt gewesen sein ... )
Mehr (mit Foto):
http://www.bild.de/BILD/news/vermischte ... entin.html
... wo ist die Grenze zum strafbaren Handeln?
Nicht nur in Mannheim - quer durch die Republik erregt der Mannheimer Arztprozess, in dem heute das Urteil gesprochen wurde, Aufsehen. Die Frage: Was ist "passive" Sterbehilfe im Sinne des (mutmaßlichen) Willens eines nicht mehr ansprechbaren Schwerstleidenden im Pflegeheim und wo ist die Grenze zum strafbaren Handeln? Sie beschäftigt Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige.
MANNHEIM, 16.9. Ein Mannheimer Arzt wollte das schwere Leiden seiner ans Bett gefesselten, schwer demenzkranken Patientin nicht weiter verlängern. Der niedergelassene Mediziner musste sich u. a. wegen versuchten Mordes vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Der Staatsanwalt hatte 4 Jahr Gefängnisstrafe gefordert. Heute wurde das Urteil gesprochen: Zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung wegen versuchtem Totschlag und ein - existenzgefährdender - Entzug der ärztlichen Zulassung des niedergelassenen Mediziners.
In jenem Stadtteil, in dem der 64-Jährige seine Praxis hat, kam es zu einer Unterschriftenaktion, bei der Patienten bekunden, dass sie mit dem menschlich engagierten Arzt gute Erfahrungen gemacht haben.
Der Prozess
"Ich wollte einen gnädigen Tod ermöglichen", hatte der 64-Jährige zum Prozessauftakt gesagt. Er gab zu, einer 82-jährigen Diabetikerin das Insulin abgesetzt zu haben. Zudem habe er die Nahrung für die demente Heimbewohnerin reduziert, die über eine Magensonde zugeführt wurde - da sie die zugeführte Nahrung ständig erbrach. Es sei ein grauenvolles "Bild des Jammers" gewesen, nach einem Krankenhausaufenthalt sei die nicht ansprechbar, und nur noch verkrümmt daliegende Patientin mit Druckgeschwüren bis auf die Knochen übersät gewesen, wäre bei lebendigem Leib langsam verfault.
Sie starb 2004 an einer Magenblutung, wofür der Arzt nicht verantwortlich zu machen sei. Daher lautet die Anklage auf versuchten und nicht auf vollendeten Mord. Der Verteidiger Eddo Compart hatte plädiert. "Ich wäre froh, wenn ich in einer derartigen Situation einen solchen Arzt hätte", sagte. Es habe unstrittig keinerlei Aussicht auf eine Gesundung bestanden. Der Angeklagte sei davon ausgegangen, den "mutmaßlichen Willen" der Schwerstkranken nach einem "menschenwürdigen Sterben" umzusetzen.
Problem: Patientenverfügung
Die Therapie-Reduzierung, die der Arzt anordnete, sollte die Qualen der Frau reduzieren. Der Arzt sagte weiter, er habe im Sinne der Frau gehandelt und den Sterbeprozess natürlich verlaufen lassen. Allerdings fälschte er, als er bereits unter Anklage stand, die Unterschrift unter eine Patientenverfügung, in der lebensverlängernde Maßnahmen untersagt werden. "Ich schäme mich und bereue zutiefst", damit das Gericht getäuscht zu haben, sagte der Angeklagte. Er sei damals "vollkommen verzweifelt gewesen" und in einem "psychischen Ausnahmezustand" aus Angst um seine Existenz und die seiner Familie gewesen.
"Das ist ein verzweifelter Versuch einer Rechtfertigung", hatte dazu der Oberstaatsanwalt Larcher im Prozess erklärt. Die Patientin habe "nicht ansatzweise" eine entsprechende Willenserklärung abgegeben. Dazu war sie auch geistig nicht mehr in der Lage. Zudem war die Heimbewohnerin "zu keinem Zeitpunkt als Sterbende anzusehen".
Der bedeutsame Fehler
Doch der Arzt hatte über die Therapiereduktion weder die Betreuerin der alten Frau noch das Heim informiert. - so kam es auch aus von dieser Seite zur Anzeige gegen den Mediziner.
Es habe im Vorfeld starke Kommunikationsprobleme gegeben. Der Arzt, der schon früher Hausarzt der Verstorbenen war, besuchte sie dann im Heim weiter - sogar etwa alle zwei Wochen. Die Patientin hatte keine Angehörige, stand unter staatlicher Betreuung. Die Betreuerin hätte er in letzter Zeit im Heim nicht zu Gesicht bekommen. Das Verhältnis zwischen den beiden war vorher bereits stark belastet.
Im Prozess hatte die Berufsbetreuerin über den letzten Kontakt (laut Schwarzwälder Bote vom 2. 9.) ausgesagt:
»Das war ein schlimmes Telefonat«, sagte die 63-jährige Betreuerin der Betroffenen vor dem Mannheimer Landgericht. Der Arzt habe ihr, weil sie nach einem zusätzlichen Schlaganfall der Demenzkranküberhaupt noch das Legen einer PEG-Sonde im Krankenhaus veranlasst habe, schwere Vorwürfe gemacht. Diese gipfelten darin, dass er ihr unterstellt habe, sie hätte ein berufliches Eigentinteresse daran, ihren Betreuungsfall nicht - durch Tod - zu verlieren.
(Dies könnte wohl ein Hintergrund für die dann erfolgte Anzeige gegen den Arzt gewesen sein ... )
Mehr (mit Foto):
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Arzt wegen wegen versuchten Totschlags verurteilt
Urteil: 30 000 Euro Geldbuße und Berufsverbot für Arzt wegen versuchten Totschlags
Ein Mannheimer Arzt ist nach dem Tod einer 82 Jahre alten Patientin wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Außerdem verhängte das Mannheimer Landgericht ein Berufsverbot von fünf Jahren. Zudem muss der 64-Jährige 30 000 Euro Geldbuße während der Bewährungszeit zahlen. mehr »
(weiter lesen unter)
http://www.aerztezeitung.de/nel/?sid=51 ... =recht&c=1
Ein Mannheimer Arzt ist nach dem Tod einer 82 Jahre alten Patientin wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Außerdem verhängte das Mannheimer Landgericht ein Berufsverbot von fünf Jahren. Zudem muss der 64-Jährige 30 000 Euro Geldbuße während der Bewährungszeit zahlen. mehr »
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http://www.aerztezeitung.de/nel/?sid=51 ... =recht&c=1
Arzt will in Revision gehen
Quelle: Wormser Zeitung vom 19.8.2008
Der wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung verurteilte Mannheimer Mediziner Dr. Dieter H. (64, verheiratet, zwei Kinder) will um Freispruch kämpfen und Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Dies bestätigte ein Sprecher der Landgerichts Mannheim am Donnerstag. Sein Verteidiger Dr. Eddo Compart ist überzeugt, es habe sich um erlaubtes Sterbenlassen auf Grund des mutmaßlichen Willens der langjährigen, zuletzt schwerstdementen Patientin von Dr. H. gehandelt.
Wegen des Todes (2004) der 82 Jährigen Pflegeheimbewohnerin hatte das Landgericht den Mediziner am Dienstag wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem verhängte es ein Berufsverbot von fünf Jahren und 30 000 Euro Geldbuße. Nach Überzeugung der Richter hat der Arzt 2003 bei der Patientin die Diabetes-Medikamente abgesetzt sowie ihre Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr stark verringert. Der Arzt hatte sich darauf berufen, er habe das Leid seiner Patientin lindern wollen. Der Staatsanwalt hatte 4 Jahre Gefängnis wegen Heimtücke und versuchtem Mord gefordert. Bei dem milderen Strafmaß berücksichtigte das Gericht, dass der Arzt ausschließlich aus Mitleid handelte - aber es sei "nicht um Sterbehilfe gegangen" (was das Gericht damit gemeint hat, wird ja nun eventuell höchstrichterlich zu klären sein).
Während der Verhandlung hatte auch die 63-Jährige selbstständige Berufsbetreuerin der Verstorbenen ihre Sicht des Krankheitsverlaufs geschildert. Selbst in ihren wachsten Momente sei die zusätzlich zur Demenz an Diabetes Leidende nicht ansprechbar gewesen. Als ein schwerer Schlaganfall hinzukam, habe sie als Betreuerin die Zustimmung zum Legen einer PEG-Magensonde im September 2003 gegeben, da "der Arzt im Krankenhaus dies empfohlen" habe. Danach verschlechterte sich der Zustand der Kranken dramatisch. In einem Telefonat habe der Angeklagte, Dr. H., in heftigen Worten das Anbringen von Magensonden bei hoffnungslos erkrankten Menschen kritisiert.
---------------------------------------------
Erneut Freispruch für Mutter, die aus Verzweiflung behinderten Sohn tötete
(wie vor Jahren in einem Fall von Tötung auf Verlangen durch Mutter eines gelähmten Unfallopfers, ebenfalls in Berlin):
http://www.welt.de/welt_print/article24 ... etete.html
Kommentare zu diesen Fällen, u. a. von Prof. Taupitz und Deutscher Hospizstiftung:
Sterbehilfe in bestimmten Fälle nicht bestrafen ?
(KNA) 17. 9.08: Nach Ansicht des Mannheimer Medizinrechtlers Prof. Jochen Taupitz ist "Ethik oft zwiespältig". Eine Zulassung der aktiven Sterbehilfe könnte zwar jenen helfen, die sich von unerträglichem Leid befreien wollten, aber sich nicht selbst töten könnten. Aktive Sterbehilfe beinhalte aber auch eine hohe Gefahr des Missbrauchs: «Es ist ja äußerst schwer zu ermitteln, ob derjenige, der durch fremde Hand gestorben ist, dies auch wirklich wollte.» Für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe sprechen nach Ansicht des Rechtsprofessors gute Gründe. Im Einzelfall sollte aber von Strafe abgesehen werden können, «wenn der Täter wirklich in einem Gewissenskonflikt gestanden hat», sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrats in einem Interview der Mannheimer Universitätszeitschrift «Forum» (3/2008).
Diese Position wird auch vom Humanistischen Verband Deutschlands in seinen Eckpunkten von 2003 vertreten.
Die offiziellen Vertreter der Hospizbewegung hingegen (früher BAG Hospiz, heute Deutscher Hospiz- und PalliativVerband) halten es mit ihrer Satzung für unvereinbar, wenn nicht alle aktiven Formen der Sterbehilfe ausnahmslos verurteilt werden.
Kommentar Deutsche Hospizstiftung
Den Fall des Mannheimer Hausarzt, der die Behandlung seiner langjährigen Patientin abgebrochen hatte, kommentiert Eugen Brysch von der Deutschen Hospizstiftung: "Es ist eine Schande, wie unsere Gesellschaft mit Schwerstkranken und Sterbenden umgeht. Zu glauben, ein Mensch müsse doch wohl sterben wollen, nur weil man selbst seinen Zustand als unzumutbar einschätzt, ist falsch verstandenes Mitleid. Nur der ausdrückliche Wille der Schwerstkranken und Sterbenden darf die Grundlage sein, eine Behandlung abzubrechen." (Quelle: Pressemitteilung 20-08 der Deutschen Hospiz Stiftung vom 16. 9.)
Kommentar des Arztes Dr. Stefan Funk (in der Ärztezeitung):
"Einen menschenwürdigen Tod zu sterben ist heute nicht leicht. Falsches Absicherungsdenken von Ärzten, Kliniken und Angehörigen wird sich durch diesen traurigen Fall noch verstärken. Wer, wenn nicht der Arzt kann entscheiden, was der mutmaßliche Wunsch eines Patienten war? Ein Betreuer, der vom Gericht bestellt ist und den Patienten vielleicht nur wenig und kurz aus der Akte kennt ? Oder der Hausarzt, der ihn seit vielen Jahren betreut? Diese Frage ist leicht zu beantworten. ... Ist dann automatisch der Arzt wegen versuchtem Mord zu belangen, wenn er die Therapie einstellt? ... Erlösung von Leiden sind jetzt also niedrige Beweggründe? ...
Die Herren Richter, Staatsanwälte werden eines Tages auch mal alt und gebrechlich werden. Es bleibt auch für sie nur zu hoffen, dass ihre Urteile und Anklagen nicht dazu führen, dass die Ärzte, die sie und uns eines Tages beim Sterben begleiten, den Tod um JEDEN Preis noch ein paar Stunden hinauszögern, nur damit keiner sagen kann es sei nicht alles menschenmögliche getan worden ...".
Quelle: NL patientenverfuegung.de vom 19.9.2008
http://www.patientenverfuegung.de
Der wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung verurteilte Mannheimer Mediziner Dr. Dieter H. (64, verheiratet, zwei Kinder) will um Freispruch kämpfen und Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Dies bestätigte ein Sprecher der Landgerichts Mannheim am Donnerstag. Sein Verteidiger Dr. Eddo Compart ist überzeugt, es habe sich um erlaubtes Sterbenlassen auf Grund des mutmaßlichen Willens der langjährigen, zuletzt schwerstdementen Patientin von Dr. H. gehandelt.
Wegen des Todes (2004) der 82 Jährigen Pflegeheimbewohnerin hatte das Landgericht den Mediziner am Dienstag wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem verhängte es ein Berufsverbot von fünf Jahren und 30 000 Euro Geldbuße. Nach Überzeugung der Richter hat der Arzt 2003 bei der Patientin die Diabetes-Medikamente abgesetzt sowie ihre Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr stark verringert. Der Arzt hatte sich darauf berufen, er habe das Leid seiner Patientin lindern wollen. Der Staatsanwalt hatte 4 Jahre Gefängnis wegen Heimtücke und versuchtem Mord gefordert. Bei dem milderen Strafmaß berücksichtigte das Gericht, dass der Arzt ausschließlich aus Mitleid handelte - aber es sei "nicht um Sterbehilfe gegangen" (was das Gericht damit gemeint hat, wird ja nun eventuell höchstrichterlich zu klären sein).
Während der Verhandlung hatte auch die 63-Jährige selbstständige Berufsbetreuerin der Verstorbenen ihre Sicht des Krankheitsverlaufs geschildert. Selbst in ihren wachsten Momente sei die zusätzlich zur Demenz an Diabetes Leidende nicht ansprechbar gewesen. Als ein schwerer Schlaganfall hinzukam, habe sie als Betreuerin die Zustimmung zum Legen einer PEG-Magensonde im September 2003 gegeben, da "der Arzt im Krankenhaus dies empfohlen" habe. Danach verschlechterte sich der Zustand der Kranken dramatisch. In einem Telefonat habe der Angeklagte, Dr. H., in heftigen Worten das Anbringen von Magensonden bei hoffnungslos erkrankten Menschen kritisiert.
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Erneut Freispruch für Mutter, die aus Verzweiflung behinderten Sohn tötete
(wie vor Jahren in einem Fall von Tötung auf Verlangen durch Mutter eines gelähmten Unfallopfers, ebenfalls in Berlin):
http://www.welt.de/welt_print/article24 ... etete.html
Kommentare zu diesen Fällen, u. a. von Prof. Taupitz und Deutscher Hospizstiftung:
Sterbehilfe in bestimmten Fälle nicht bestrafen ?
(KNA) 17. 9.08: Nach Ansicht des Mannheimer Medizinrechtlers Prof. Jochen Taupitz ist "Ethik oft zwiespältig". Eine Zulassung der aktiven Sterbehilfe könnte zwar jenen helfen, die sich von unerträglichem Leid befreien wollten, aber sich nicht selbst töten könnten. Aktive Sterbehilfe beinhalte aber auch eine hohe Gefahr des Missbrauchs: «Es ist ja äußerst schwer zu ermitteln, ob derjenige, der durch fremde Hand gestorben ist, dies auch wirklich wollte.» Für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe sprechen nach Ansicht des Rechtsprofessors gute Gründe. Im Einzelfall sollte aber von Strafe abgesehen werden können, «wenn der Täter wirklich in einem Gewissenskonflikt gestanden hat», sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrats in einem Interview der Mannheimer Universitätszeitschrift «Forum» (3/2008).
Diese Position wird auch vom Humanistischen Verband Deutschlands in seinen Eckpunkten von 2003 vertreten.
Die offiziellen Vertreter der Hospizbewegung hingegen (früher BAG Hospiz, heute Deutscher Hospiz- und PalliativVerband) halten es mit ihrer Satzung für unvereinbar, wenn nicht alle aktiven Formen der Sterbehilfe ausnahmslos verurteilt werden.
Kommentar Deutsche Hospizstiftung
Den Fall des Mannheimer Hausarzt, der die Behandlung seiner langjährigen Patientin abgebrochen hatte, kommentiert Eugen Brysch von der Deutschen Hospizstiftung: "Es ist eine Schande, wie unsere Gesellschaft mit Schwerstkranken und Sterbenden umgeht. Zu glauben, ein Mensch müsse doch wohl sterben wollen, nur weil man selbst seinen Zustand als unzumutbar einschätzt, ist falsch verstandenes Mitleid. Nur der ausdrückliche Wille der Schwerstkranken und Sterbenden darf die Grundlage sein, eine Behandlung abzubrechen." (Quelle: Pressemitteilung 20-08 der Deutschen Hospiz Stiftung vom 16. 9.)
Kommentar des Arztes Dr. Stefan Funk (in der Ärztezeitung):
"Einen menschenwürdigen Tod zu sterben ist heute nicht leicht. Falsches Absicherungsdenken von Ärzten, Kliniken und Angehörigen wird sich durch diesen traurigen Fall noch verstärken. Wer, wenn nicht der Arzt kann entscheiden, was der mutmaßliche Wunsch eines Patienten war? Ein Betreuer, der vom Gericht bestellt ist und den Patienten vielleicht nur wenig und kurz aus der Akte kennt ? Oder der Hausarzt, der ihn seit vielen Jahren betreut? Diese Frage ist leicht zu beantworten. ... Ist dann automatisch der Arzt wegen versuchtem Mord zu belangen, wenn er die Therapie einstellt? ... Erlösung von Leiden sind jetzt also niedrige Beweggründe? ...
Die Herren Richter, Staatsanwälte werden eines Tages auch mal alt und gebrechlich werden. Es bleibt auch für sie nur zu hoffen, dass ihre Urteile und Anklagen nicht dazu führen, dass die Ärzte, die sie und uns eines Tages beim Sterben begleiten, den Tod um JEDEN Preis noch ein paar Stunden hinauszögern, nur damit keiner sagen kann es sei nicht alles menschenmögliche getan worden ...".
Quelle: NL patientenverfuegung.de vom 19.9.2008
http://www.patientenverfuegung.de