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Verzweifeltes Hungern zu Tode .....

Verfasst: 18.08.2008, 17:57
von Service
Verzweifeltes Hungern zu Tode oder dritter, humaner Ausweg?
- Palliativmedizin und Hospizbewegung schweigen
- erstes stationäres Hospiz in humanistischer Trägerschaft 2009
- unterschiedliche Positionen und Erfahrungswelten


Zwischen dem ideologisch aufgeladenen Gegensatz von palliativer Sterbebegleitung und ("aktiver") Sterbe- bzw. Suizidhilfe macht nunmehr eine dritte Möglichkeit von sich reden: Der freiwillige Verzischt auf Nahrung und Flüssigkeit (kurz: FVNF genannt). Für manche ist es ein verzweifeltes Sich-zu-Tode hungern, für andere der beste Weg, um am Ende "good-bye" zu sagen.
Auf Juristen und Bundesärztekammer scheint ein Eingliederungsproblem ins herkömmliche Begriffsschemata zum Sterben (aktiv/passiv, direkt/indirekt, Suizidhilfe ja oder nein) zuzukommen. Jedenfalls bringt Matthias Kamann in der WELT vom 11.8. 08 das Paradoxon wie folgt auf den Punkt:
<< ... Wenn ärztlich bestätigt wäre, dass der Lebensmüde seinen Verzicht auf Essen und Trinken bei vollem Bewusstsein verfügt hätte und sich hieran im Sterbeprozess nichts ändern würde, gäbe es kaum eine Handhabe, den Menschen gegen seinen Willen zu ernähren. Zugleich dürfte ein Arzt die gebotene Mundpflege und Schmerzmittelversorgung nicht einfach ablehnen.

Unklar indes ist, ob der Arzt gegen sein Standesrecht verstößt. Denn es ließe sich argumentieren, dass er einen geplanten Freitod absichert, wenn er durch Mundpflege dafür sorgt, dass Durstgefühle nicht unerträglich werden, nicht zum Abbruch des Suizids zwingen. Ist Mundpflege da standesrechtlich verbotene Suizid-Beihilfe? ... >>

Quelle (mit Kommentarmöglichkeit):
http://www.welt.de/politik/arti2312939/ ... _Tode.html

Siehe auch: Interview (deutsche Übersetzung: Dr. Christian Walther) mit einem leidenschaftlichen Befürworter dieses Weges, Dr. Stanley. A. Terman. Der amerikanische Psychiater und Buchautor spricht vom "Best way to say good bye" (Der beste Weg, sich zu verabschieden): http://www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=507

Die Leistungserbringer von Palliativ- und Hospiz-Care haben sich bisher dazu nicht positioniert. Eine intensive Diskussion hat es - wie ebenfalls in der WELT nachzulesen - hingegen innerhalb es Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) gegeben. Der HVD hat zeitgleich mitgeteilt, den Vertrag für ein stationäres Hospiz auf dem Klinikgelände Berlin-Buch unterzeichnet zu haben. Eröffnung: Sommer 2009.
Siehe: http://hpd.de/node/5136

Immerhin hat das Bayerische Justizministerium auf Anfrage mitgeteilt: Es sieht prinzipiell keine Unzulässigkeit darin, dass der vorausverfügte, bewusste Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit verbindlich respektiert würde (diese Option ist in einem Patientenverfügungsfragebogen des HVD neuerdings vorgesehen).

Hintergrundinfos, auch zum aktuellen "WOZZ-Buch" aus den Niederlanden (Juli 2008), wo die Methode FVNF unvoreingenommen anhand von zwei (unterschiedlich verlaufenden) Fallgeschichten beschrieben wird: http://www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=501
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Zu weiteren aktuellen Kontroversen und unterschiedlichen Positionen:

1.) Diejenigen, die auf einem Auge blind sind, wollen oder können einen einfachen Umstand nicht begreifen: Dass kranke Menschenhöchst unterschiedliche Einstellungen zu Lebensende und Sterben haben.
Einerseits können schwerkranke Krebspatienten so an ihrem Leben hängen, dass sie nach jedem Strohhalm greifen.
Siehe: Der letzte Begleiter, http://www.welt.de/wams_print/arti23375 ... eiter.html

Andererseits können nicht-tödlich erkrankten, meist alte Patienten das Leben so als Last empfinden, dass sie vorzeitig "Schluss-machen" - auch mit brachialen Mitteln.
Siehe: Alt, müde und lebenssatt, http://www.stern.de/wissenschaft/mensch ... 31165.html

2.) Laut Allensbach-Studie ist die Mehrheit der Deutschen für "aktive" Sterbehilfe - die Umfrage (und wiederum die Kritik daran) wird jedoch unterschiedlich bewertet.
Siehe:
http://www.hwelt.de/c/content/view/2085/70/
http://www.merkur.de/2008_33_polkom_03. ... no_cache=1
http://www.idw-online.de/pages/de/news273449
http://www.openpr.de/news/233075/Kritik ... zogen.html
http://hpd.de/node/5176

Quelle: Mitteilung vom 17.8.2008
http://www.patientenverfuegung.de

Re: Verzweifeltes Hungern zu Tode .....

Verfasst: 18.08.2008, 21:35
von valenta
Siehe Interview (Übersetzung ins Deutsche: Dr. Christian Walther) mit dem Befürworter (quasi neuzeitlichem "Erfinder" des traditionellen Weges, auf Nahrung und Flüssigkeit am Lebensende zu verzichten),
Dr. Stanley. A. Terman.

Er ist amerikanische Psychiater und Autor des Buches "Best way to say good bye" (Der beste Weg, sich zu verabschieden):

http://www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=507

Immer mehr alte Menschen hungern sich zu Tode

Verfasst: 25.08.2008, 06:02
von Service
Immer mehr alte Menschen hungern sich zu Tode

Von Matthias Kamann

Fuer viele Menschen wird das Leben im hohen Alter zur Qual. Einige verweigern Essen und Trinken, um dem Leiden ein Ende zu machen. Der Verzicht auf Nahrung und Fluessigkeit wird zur Alternative zur verbotenen Sterbehilfe. Ein Trend, den es auch in Deutschland gibt - und der viele Gefahren birgt.
WELT Online 11.08.08
http://www.welt.de/politik/arti2312939/ ... _Tode.html

Quelle: Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V.
ALfA-Newsletter 32/08 vom 23.08.2008

Re: Verzweifeltes Hungern zu Tode .....

Verfasst: 28.08.2008, 00:20
von valenta
Aus: PV-Newsletter www.patientenverfuegung.de vom 28.8.2008:

Zahlreiche Reaktionen und Leserbriefe hervorgerufen hat die Veröffentlichung in der WELT vom 12.8. zu "Freiwiilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit" am Lebensende. ...

Drei - erstaunlicherweise alle zustimmende - wurde in DIE WELT vom 18.8. veröffentlicht (siehe unten).


Kommentar:

Es bleibt ein gravierendes Problem: Bei weitgehender ethischer Zustimmung - meist hinter vorgehaltener Hand - seitens Altenpflege-, Hospiz- und Palliativeinrichtungen überwiegen dort Ängste, das eigene Haus könnte in die Negativschlagzeilen geraten wegen "Sterbehilfe" bzw. wegen "Verhungern und Verdursten lassen" von Patienten. Dabei werden in Folge auch wirtschaftlich-finanzielle Nachteilen befürchtet. Zu allem Überfluss stößt diese Sorge auf Verständis bei "wohlmeinenden" Gutmenschen - auch entgegen deren eigene Überzeugung.
Wir meinen als PV-Newsletter-Redaktion: Respekt vor der subjektiv-moralischen Überzeugung, dass die Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit in jedem Fall aufrechtzuerhalten sei. Aber: Keine Toleranz gegenüber Feigheit, Unehrlichkeit und fragwürdigen Vorbehalten von Einrichtungen - und gegenüber falsch verstandener Rücksichtnahme auf deren "Gewissens-" oder Geldnöte. Für Zwangsbehandlung bzw. Missachtung des Patientenwillens gibt es keine Rechtfertigung.

Hier ist ein Blick auf die Rechtslage hilfreich: Weder der Träger einer Einrichtung noch die Pflegekräfte selbst haben aus den Art. 1, 2 und 4 GG ein verbürgtes Recht, die künstliche Ernährung gegen den Patientenwillen fortzusetzen. Das Recht, über den eigenen Körper zu disponieren, ist unverzichtbar. So der Bundesgerichtshof vom 8.6.2005 (Az XII ZR 177/03).



Die drei Leserbriefe aus: DIE WELT vom 12.8.08:
Autonomie am Lebensende - zu: "Suizid durch Verzicht auf Nahrung"


1.) << Erstmals erfährt nun die breitere Öffentlichkeit von einer natürlichen Möglichkeit, aus dem Leben zu gehen. Damit ergibt sich für sehr geschwächte und/oder sehr kranke, ältere Menschen eine beruhigende Möglichkeit für Autonomie am Lebensende - ohne Rückgriffe auf Gift oder anderes und ohne hierzulande kriminalisierte Sterbehilfe (für eine weiterführende Betrachtung hierzu siehe: http/ www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=507.
Zwar ist es verdienstvoll, dass sich der Artikel sehr deutlich an die Ärzte richtet, aber es könnte möglicherweise der Eindruck entstehen, dass vor allem diese für Mundpflege und Ähnliches zuständig seien. Diese Handreichungen können jedoch von jedermann aufgrund vorliegender Informationen erbracht werden, wobei sicher die Unterstützung von Pflegekräften sehr wünschenswert ist, die man notfalls selber bezahlen muss (falls der Arzt dies nicht verordnen will). Offen bleibt jedoch in der Tat, ob man gänzlich vom Wohlwollen eines Arztes abhängt, wenn dann zum Beispiel doch noch eine medikamentöse, palliative Versorgung nötig werden sollte. Dass jedoch "... ein solcher Freitod durch Nahrungsverzicht ohne Palliativmedizin zur Höllenqual wird ...", ist eine ungerechtfertigte Pauschal-Behauptung, durch die sich niemand entmutigen lassen sollte, der diesen Weg aus dem Leben erwägt.>> (Von Christian Walter, Marburg )


2.) << Der Bericht von Mathias Kamann ist informativ sowie objektiv unparteiisch. Menschen, die zwar krank, jedoch nicht todgeweiht sind und dennoch durch Verweigerung der Nahrung - oral oder künstlich - sterben wollen (Bilanz-Suizid), dürfen weder pathologisiert noch kriminalisiert werden. Was ich allerdings bei dem Beitrag höchst bedauerlicherweise vermisse, ist eine fehlende adäquate Herausstellung und Anerkennung a) der vom Grundgesetz geschützten Menschenwürde, bei der das individuelle Würdeempfinden eines jeden Menschen als unantastbar, ja fast heilig gelten soll, und b) der Autonomie des Bürgers in unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie, über sein Lebensende selbstverantwortlich und selbstbestimmt souverän zu entscheiden. Ist ein Patient in seiner finalen Sterbensphase bewusstlos, hat jedoch schriftlich beizeiten über künstliche Nahrungsverweigerung verfügt, haben alle Beteiligten dies zu respektieren und entsprechend zu handeln (siehe die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechts

prechung des BGH). ... >> (Von: Gopal Kripalani, Braunschweig)


3.) << Ein höchstrichterliches Urteil gestattet den sogenannten Therapieabbruch: keine leidens-/lebensverlängernden Maßnahmen wie Kalorien, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Medikamente, nur körperliche Pflege, Schmerzmittel und Mineralwasser nach Bedarf, also auch keine Sondennahrung! Dies wird in der Palliativmedizin und - leider - in zu wenigen Heimen praktiziert. Dies ist ein humaner und menschenwürdiger Abschied.>> (Von Dr. Bauch, Palliativmediziner, Alfeld/Leine )



Quelle: DIE WELT vom 18.08.2008, Seite 7, hier der Online-Link: http://www.welt.de/welt_print/arti23409 ... riefe.html


Re: Verzweifeltes Hungern zu Tode .....

Verfasst: 28.08.2008, 00:23
von valenta
Aus: PV-Newsletter www.patientenverfuegung.de vom 28.8.2008:

Zahlreiche Reaktionen und Leserbriefe hervorgerufen hat die Veröffentlichung in der WELT vom 12.8. zu "Freiwiilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit" am Lebensende. ...

Drei - erstaunlicherweise alle zustimmende - wurde in DIE WELT vom 18.8. veröffentlicht (siehe unten).


Kommentar:

Es bleibt ein gravierendes Problem: Bei weitgehender ethischer Zustimmung - meist hinter vorgehaltener Hand - seitens Altenpflege-, Hospiz- und Palliativeinrichtungen überwiegen dort Ängste, das eigene Haus könnte in die Negativschlagzeilen geraten wegen "Sterbehilfe" bzw. wegen "Verhungern und Verdursten lassen" von Patienten. Dabei werden in Folge auch wirtschaftlich-finanzielle Nachteilen befürchtet. Zu allem Überfluss stößt diese Sorge auf Verständis bei "wohlmeinenden" Gutmenschen - auch entgegen deren eigene Überzeugung.
Wir meinen als PV-Newsletter-Redaktion: Respekt vor der subjektiv-moralischen Überzeugung, dass die Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit in jedem Fall aufrechtzuerhalten sei. Aber: Keine Toleranz gegenüber Feigheit, Unehrlichkeit und fragwürdigen Vorbehalten von Einrichtungen - und gegenüber falsch verstandener Rücksichtnahme auf deren "Gewissens-" oder Geldnöte. Für Zwangsbehandlung bzw. Missachtung des Patientenwillens gibt es keine Rechtfertigung.

Hier ist ein Blick auf die Rechtslage hilfreich: Weder der Träger einer Einrichtung noch die Pflegekräfte selbst haben aus den Art. 1, 2 und 4 GG ein verbürgtes Recht, die künstliche Ernährung gegen den Patientenwillen fortzusetzen. Das Recht, über den eigenen Körper zu disponieren, ist unverzichtbar. So der Bundesgerichtshof vom 8.6.2005 (Az XII ZR 177/03).



Die drei Leserbriefe aus: DIE WELT vom 12.8.08:
Autonomie am Lebensende - zu: "Suizid durch Verzicht auf Nahrung"


1.) << Erstmals erfährt nun die breitere Öffentlichkeit von einer natürlichen Möglichkeit, aus dem Leben zu gehen. Damit ergibt sich für sehr geschwächte und/oder sehr kranke, ältere Menschen eine beruhigende Möglichkeit für Autonomie am Lebensende - ohne Rückgriffe auf Gift oder anderes und ohne hierzulande kriminalisierte Sterbehilfe (für eine weiterführende Betrachtung hierzu siehe: http/ www.patientenverfuegung.de/pv/detail.php?uid=507.
Zwar ist es verdienstvoll, dass sich der Artikel sehr deutlich an die Ärzte richtet, aber es könnte möglicherweise der Eindruck entstehen, dass vor allem diese für Mundpflege und Ähnliches zuständig seien. Diese Handreichungen können jedoch von jedermann aufgrund vorliegender Informationen erbracht werden, wobei sicher die Unterstützung von Pflegekräften sehr wünschenswert ist, die man notfalls selber bezahlen muss (falls der Arzt dies nicht verordnen will). Offen bleibt jedoch in der Tat, ob man gänzlich vom Wohlwollen eines Arztes abhängt, wenn dann zum Beispiel doch noch eine medikamentöse, palliative Versorgung nötig werden sollte. Dass jedoch "... ein solcher Freitod durch Nahrungsverzicht ohne Palliativmedizin zur Höllenqual wird ...", ist eine ungerechtfertigte Pauschal-Behauptung, durch die sich niemand entmutigen lassen sollte, der diesen Weg aus dem Leben erwägt.>> (Von Christian Walter, Marburg )


2.) << Der Bericht von Mathias Kamann ist informativ sowie objektiv unparteiisch. Menschen, die zwar krank, jedoch nicht todgeweiht sind und dennoch durch Verweigerung der Nahrung - oral oder künstlich - sterben wollen (Bilanz-Suizid), dürfen weder pathologisiert noch kriminalisiert werden. Was ich allerdings bei dem Beitrag höchst bedauerlicherweise vermisse, ist eine fehlende adäquate Herausstellung und Anerkennung a) der vom Grundgesetz geschützten Menschenwürde, bei der das individuelle Würdeempfinden eines jeden Menschen als unantastbar, ja fast heilig gelten soll, und b) der Autonomie des Bürgers in unserer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie, über sein Lebensende selbstverantwortlich und selbstbestimmt souverän zu entscheiden. Ist ein Patient in seiner finalen Sterbensphase bewusstlos, hat jedoch schriftlich beizeiten über künstliche Nahrungsverweigerung verfügt, haben alle Beteiligten dies zu respektieren und entsprechend zu handeln (siehe die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechts

prechung des BGH). ... >> (Von: Gopal Kripalani, Braunschweig)


3.) << Ein höchstrichterliches Urteil gestattet den sogenannten Therapieabbruch: keine leidens-/lebensverlängernden Maßnahmen wie Kalorien, Antibiotika, Herz-Kreislauf-Medikamente, nur körperliche Pflege, Schmerzmittel und Mineralwasser nach Bedarf, also auch keine Sondennahrung! Dies wird in der Palliativmedizin und - leider - in zu wenigen Heimen praktiziert. Dies ist ein humaner und menschenwürdiger Abschied.>> (Von Dr. Bauch, Palliativmediziner, Alfeld/Leine )



Quelle: DIE WELT vom 18.08.2008, Seite 7, hier der Online-Link: http://www.welt.de/welt_print/arti23409 ... riefe.html