Tolmein sollte nicht den Stab über Roger Kusch brechen!
Verfasst: 15.01.2009, 10:50
Tolmein sollte nicht den Stab über Roger Kusch brechen!
Es verwundert nicht, dass die Sendung von Anne Will am vergangenen Sonntag zum Thema „Tabu Freitod“ einzelne Autoren dazu inspiriert hat, umgehend eine Stellungnahme zu verfassen. Auch ich persönlich war von einem solchen Unterfangen nicht ausgeschlossen, zeigte doch die mediale Aufbereitung des Themas einmal mehr, dass mehr Aufklärung denn ein vermeintlicher Dialog gefordert ist. Sofern allerdings Oliver Tolmein sich in seinem Kommentar am Ende seiner Zeilen dazu hinreißen lassen hat, gleichsam doch Schelte an dem ansonsten „peniblen Juristen“ Kusch zu üben, darf dies ebenfalls nicht umkommentiert bleiben. Zunächst darf ich hier zitieren:
„Noch ein Wort zu Roger Kusch, über den ich sonst möglichst wenig Worte verliere, dem hier aber durch schlechte Vorbereitung der Moderatorin und durch eine fehlende Strategie von Bischof Mixa und Katrin Göring-Eckardt ein bequemes Forum geboten wurde, sich als wohlgesinnter Sterbehelfer, immer unterwegs im Dienst des Selbstbestimmungsrechts, zu präsentieren: ihn einzuladen hat den Gedankenfluss der Sendung nicht befördert und erscheint auch sonst nicht gerade zwingend. Wenn die ARD es aber für angemessen hält ihm Sendezeit zur Propagierung seiner Geschäftsidee zu schenken, ist es doch ein wenig kleinkariert, dann in der Rubrik der Internetlinks, die "Anne Will" präsentiert, nun seine Seite als einzige der Talkshowteilnehmer nicht anzuführen. Wer - zu Recht - einen solchen Klick für schädliche und unnötige Werbung hält, hätte sich besser vorher mehr Gedanken über die Gästeliste gemacht“, so Oliver Tolmein in seinem Artikel v. 12.01.09 in FAZ.net, Kolle bei "Anne Will" als alter Wilder der Euthanasie-Debatte, >>> http://www.faz-community.faz.net/blogs/ ... -quot.aspx <<< (html)
Keine Frage, selbstverständlich wäre es ein Gebot der Redlichkeit gewesen, auch auf die Internetseite von Roger Kusch zu verweisen und zwar ungeachtet des Hinweises, dass im Zweifel nach Auffassung Tolmeins die Einladung von R. Kusch in die Sendung nicht gerade den „Gedankenfluss“ eben dieser Sendung befördert hat. Nun – ähnliches würde dann doch wohl auch für die anderen Diskutanten, allen voran für Bischof Mixa und nicht zuletzt auch für die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, gelten. Der Bischof hat uns mit einigen Zentraldogmen der Katholischen Kirche konfrontiert; dies war ebenso zu erwarten wie die Botschaften der Politikerin – Botschaften, die für sich genommen kaum die Debatte beflügeln und allenfalls Skepsis hervorrufen muss, wenn mit keiner Silbe auf den Grund und die Reichweite des fundamentalen Rechts auf Selbstbestimmung eingegangen wird. Immerhin hat Roger Kusch den Versuch unternommen, in der Runde ggf. das Gespräch auf das Selbstbestimmungsrecht zu fokussieren und er ist „gescheitert“. Dies lag natürlich im Interesse der anderen Diskutanten, die sich noch nicht einmal der Mühe unterzogen haben, überhaupt diesen Aspekt zu vertiefen, sondern es vielmehr für notwendig erachteten, uns an ihren Sonntagsreden in Sachen eines „ethisch und moralisch vertretbaren Sterbens“ teilhaben zu lassen.
Tolmein selbst leistet aber mit seiner Anmerkung „zur Anmerkung“ einen höchst bedenklichen Beitrag, der ohne Frage in die weitere Tabuisierung des gewichtigen Themas führen wird. Nicht mit Herrn Kusch über sein Anliegen, dass wohl im Übrigen von mehreren in dieser Republik geteilt wird, reden zu wollen, lässt den Verdacht einer Zensur aufkommen, die nun gerade in einer Wertedebatte, die längst zu einem Kulturkampf entfacht worden ist, nicht anbefohlen ist. Da war es schon sehr sympathisch, dass Oswald Kolle seiner Erregung – war es vielleicht Unmut und die Verärgerung über die Ignoranz? – über durchaus verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten freien Lauf gegeben hat. Auch ich gestehe, dass ich aus der Haut gefahren wäre, wenn immer und immer wieder stereotyp die Frage nach der „Sünde“ aufgeworfen wird, die eigentlich so überflüssig ist, wie ein Kropf! Der katholische Christ, wenn er denn gläubig ist, mag seinen katholischen Tod sterben und im Zweifel das „Leid“ tragen so wie es im Übrigen dem Humanisten gestattet ist, palliativmedizinische Angebote abzulehnen und sich die Erlösung von einem schnellen Tod zu erhoffen. Es gibt keinen, außer dem unmittelbar Betroffenen selbst, der über seinen selbstbestimmten Tod zu entscheiden hat und insofern gibt es auch keinen „Richter oder Herrn über Leben und Tod“!
Unabhängig davon waren die Ausführungen von R. Kusch zum Selbstbestimmungsrecht nicht nur überzeugend, sondern vor allem auch verfassungskonform. Von daher war seine Einladung in der Sendung durchaus ein Gewinn, zumal die anderen Diskutanten hierzu sich in Schweigen hüllten und es in einem säkularen Verfassungsstaat zunehmend unerträglicher erscheint, wenn namhafte Persönlichkeiten unverhohlen eben diesen mehr oder minder erfolgreichen Prozess dadurch zu unterhöhlen versuchen, in dem wir mit dem Wahrheitsanspruch der Kirchen und ihren Werten konfrontiert werden, die scheinbar die sittlich höherwertigen sind. Dem ist mitnichten so und wenn in diesem Zusammenhang stehend Roger Kusch für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts auch in einer öffentlich-rechtlichen Sendung eintritt, ist dies nicht nur begrüßenswert, sondern vor allem dringend geboten.
Oliver Tolmein hätte vielleicht ein wenig in sich kehren müssen, bevor er seinen „Nachtrag“ speziell zu Roger Kusch verfasst, über den er seinem Bekenntnis nach ohnehin nur wenige Worte verliert. In einer streitbaren Kultur erscheint es mir jedenfalls mehr als anrüchig, Andersdenkende von einer öffentlichen Debatte ausschließen zu wollen, ohne hierbei zu erkennen, dass gerade die Meinungsfreiheit eines der ganz zentralen Freiheitsrechte ist, ohne die ein kommunikativer und damit im Zweifel auch meinungsbildender Prozess sich nicht vollziehen kann. Sofern sich Herr Kusch einer öffentlichen Diskussion stellt, ist dies zu akzeptieren und seine Argumente können im Rahmen der Debatte entsprechend gewichtet werden. In diesem Kontext stehend wird es sicherlich auch Herrn Tolmein nicht entgangen sein, dass Roger Kusch unlängst einen Artikel in einer Strafrechtszeitung verfasst hat und dieser sich in diesem Artikel auch zum Selbstbestimmungsrecht positioniert hat. Von daher drängt sich wie selbst die Frage auf, wer hier „kleinkariert“ ist? Der Sender, vielleicht der Bischof, Roger Kusch – gerne als „Dr. Tod“ diskreditiert – oder vielleicht der kritisierende Oliver Tolmein selber?
Eine Frage, die ich hier nicht zu entscheiden habe, zumal das Selbstbestimmungsrecht als zentrales Grundrecht eine andere „Behandlung“ erfahren sollte, als es allgemein hin in publikumswirksamen Talkshows geschieht.
Das Thema allerdings dadurch tabuisieren zu wollen, in dem rein vorsorglich Diskutanten wie R. Kusch nicht eingeladen werden sollen, erscheint mir als falscher Weg, zumal es nicht darum geht, dass Roger Kusch eine „Plattform“ für seine Aktivitäten geboten wird. Gleiches müsste dann auch für Vertreter von Kirchen gelten und hier käme auch keiner auf die Idee, etwa der Katholischen Kirche die öffentliche Plattform zu entziehen, zumal in einem säkularen Staat, der zur religiösen Neutralität verpflichtet ist.
Lutz Barth
Es verwundert nicht, dass die Sendung von Anne Will am vergangenen Sonntag zum Thema „Tabu Freitod“ einzelne Autoren dazu inspiriert hat, umgehend eine Stellungnahme zu verfassen. Auch ich persönlich war von einem solchen Unterfangen nicht ausgeschlossen, zeigte doch die mediale Aufbereitung des Themas einmal mehr, dass mehr Aufklärung denn ein vermeintlicher Dialog gefordert ist. Sofern allerdings Oliver Tolmein sich in seinem Kommentar am Ende seiner Zeilen dazu hinreißen lassen hat, gleichsam doch Schelte an dem ansonsten „peniblen Juristen“ Kusch zu üben, darf dies ebenfalls nicht umkommentiert bleiben. Zunächst darf ich hier zitieren:
„Noch ein Wort zu Roger Kusch, über den ich sonst möglichst wenig Worte verliere, dem hier aber durch schlechte Vorbereitung der Moderatorin und durch eine fehlende Strategie von Bischof Mixa und Katrin Göring-Eckardt ein bequemes Forum geboten wurde, sich als wohlgesinnter Sterbehelfer, immer unterwegs im Dienst des Selbstbestimmungsrechts, zu präsentieren: ihn einzuladen hat den Gedankenfluss der Sendung nicht befördert und erscheint auch sonst nicht gerade zwingend. Wenn die ARD es aber für angemessen hält ihm Sendezeit zur Propagierung seiner Geschäftsidee zu schenken, ist es doch ein wenig kleinkariert, dann in der Rubrik der Internetlinks, die "Anne Will" präsentiert, nun seine Seite als einzige der Talkshowteilnehmer nicht anzuführen. Wer - zu Recht - einen solchen Klick für schädliche und unnötige Werbung hält, hätte sich besser vorher mehr Gedanken über die Gästeliste gemacht“, so Oliver Tolmein in seinem Artikel v. 12.01.09 in FAZ.net, Kolle bei "Anne Will" als alter Wilder der Euthanasie-Debatte, >>> http://www.faz-community.faz.net/blogs/ ... -quot.aspx <<< (html)
Keine Frage, selbstverständlich wäre es ein Gebot der Redlichkeit gewesen, auch auf die Internetseite von Roger Kusch zu verweisen und zwar ungeachtet des Hinweises, dass im Zweifel nach Auffassung Tolmeins die Einladung von R. Kusch in die Sendung nicht gerade den „Gedankenfluss“ eben dieser Sendung befördert hat. Nun – ähnliches würde dann doch wohl auch für die anderen Diskutanten, allen voran für Bischof Mixa und nicht zuletzt auch für die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, gelten. Der Bischof hat uns mit einigen Zentraldogmen der Katholischen Kirche konfrontiert; dies war ebenso zu erwarten wie die Botschaften der Politikerin – Botschaften, die für sich genommen kaum die Debatte beflügeln und allenfalls Skepsis hervorrufen muss, wenn mit keiner Silbe auf den Grund und die Reichweite des fundamentalen Rechts auf Selbstbestimmung eingegangen wird. Immerhin hat Roger Kusch den Versuch unternommen, in der Runde ggf. das Gespräch auf das Selbstbestimmungsrecht zu fokussieren und er ist „gescheitert“. Dies lag natürlich im Interesse der anderen Diskutanten, die sich noch nicht einmal der Mühe unterzogen haben, überhaupt diesen Aspekt zu vertiefen, sondern es vielmehr für notwendig erachteten, uns an ihren Sonntagsreden in Sachen eines „ethisch und moralisch vertretbaren Sterbens“ teilhaben zu lassen.
Tolmein selbst leistet aber mit seiner Anmerkung „zur Anmerkung“ einen höchst bedenklichen Beitrag, der ohne Frage in die weitere Tabuisierung des gewichtigen Themas führen wird. Nicht mit Herrn Kusch über sein Anliegen, dass wohl im Übrigen von mehreren in dieser Republik geteilt wird, reden zu wollen, lässt den Verdacht einer Zensur aufkommen, die nun gerade in einer Wertedebatte, die längst zu einem Kulturkampf entfacht worden ist, nicht anbefohlen ist. Da war es schon sehr sympathisch, dass Oswald Kolle seiner Erregung – war es vielleicht Unmut und die Verärgerung über die Ignoranz? – über durchaus verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten freien Lauf gegeben hat. Auch ich gestehe, dass ich aus der Haut gefahren wäre, wenn immer und immer wieder stereotyp die Frage nach der „Sünde“ aufgeworfen wird, die eigentlich so überflüssig ist, wie ein Kropf! Der katholische Christ, wenn er denn gläubig ist, mag seinen katholischen Tod sterben und im Zweifel das „Leid“ tragen so wie es im Übrigen dem Humanisten gestattet ist, palliativmedizinische Angebote abzulehnen und sich die Erlösung von einem schnellen Tod zu erhoffen. Es gibt keinen, außer dem unmittelbar Betroffenen selbst, der über seinen selbstbestimmten Tod zu entscheiden hat und insofern gibt es auch keinen „Richter oder Herrn über Leben und Tod“!
Unabhängig davon waren die Ausführungen von R. Kusch zum Selbstbestimmungsrecht nicht nur überzeugend, sondern vor allem auch verfassungskonform. Von daher war seine Einladung in der Sendung durchaus ein Gewinn, zumal die anderen Diskutanten hierzu sich in Schweigen hüllten und es in einem säkularen Verfassungsstaat zunehmend unerträglicher erscheint, wenn namhafte Persönlichkeiten unverhohlen eben diesen mehr oder minder erfolgreichen Prozess dadurch zu unterhöhlen versuchen, in dem wir mit dem Wahrheitsanspruch der Kirchen und ihren Werten konfrontiert werden, die scheinbar die sittlich höherwertigen sind. Dem ist mitnichten so und wenn in diesem Zusammenhang stehend Roger Kusch für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts auch in einer öffentlich-rechtlichen Sendung eintritt, ist dies nicht nur begrüßenswert, sondern vor allem dringend geboten.
Oliver Tolmein hätte vielleicht ein wenig in sich kehren müssen, bevor er seinen „Nachtrag“ speziell zu Roger Kusch verfasst, über den er seinem Bekenntnis nach ohnehin nur wenige Worte verliert. In einer streitbaren Kultur erscheint es mir jedenfalls mehr als anrüchig, Andersdenkende von einer öffentlichen Debatte ausschließen zu wollen, ohne hierbei zu erkennen, dass gerade die Meinungsfreiheit eines der ganz zentralen Freiheitsrechte ist, ohne die ein kommunikativer und damit im Zweifel auch meinungsbildender Prozess sich nicht vollziehen kann. Sofern sich Herr Kusch einer öffentlichen Diskussion stellt, ist dies zu akzeptieren und seine Argumente können im Rahmen der Debatte entsprechend gewichtet werden. In diesem Kontext stehend wird es sicherlich auch Herrn Tolmein nicht entgangen sein, dass Roger Kusch unlängst einen Artikel in einer Strafrechtszeitung verfasst hat und dieser sich in diesem Artikel auch zum Selbstbestimmungsrecht positioniert hat. Von daher drängt sich wie selbst die Frage auf, wer hier „kleinkariert“ ist? Der Sender, vielleicht der Bischof, Roger Kusch – gerne als „Dr. Tod“ diskreditiert – oder vielleicht der kritisierende Oliver Tolmein selber?
Eine Frage, die ich hier nicht zu entscheiden habe, zumal das Selbstbestimmungsrecht als zentrales Grundrecht eine andere „Behandlung“ erfahren sollte, als es allgemein hin in publikumswirksamen Talkshows geschieht.
Das Thema allerdings dadurch tabuisieren zu wollen, in dem rein vorsorglich Diskutanten wie R. Kusch nicht eingeladen werden sollen, erscheint mir als falscher Weg, zumal es nicht darum geht, dass Roger Kusch eine „Plattform“ für seine Aktivitäten geboten wird. Gleiches müsste dann auch für Vertreter von Kirchen gelten und hier käme auch keiner auf die Idee, etwa der Katholischen Kirche die öffentliche Plattform zu entziehen, zumal in einem säkularen Staat, der zur religiösen Neutralität verpflichtet ist.
Lutz Barth