Gesetzeslücke bei der Sterbehilfe - Ärzte freigesprochen
Verfasst: 13.11.2008, 17:08
Verfahren wegen aktiver Sterbehilfe vor dem Landgericht Magdeburg
Rechtliche Informationen:
Vor dem Landgericht Magdeburg müsse sich zwei Ärzte gegen den Vorwurf des Totschlages durch aktive Sterbehilfe verteidigen.
Einem künstlich beatmeten Patienten wurde die Beatmung abgeschaltet, damit er sterben konnte. Nach Angaben der Angehörigen hatte der Kranke den Wunsch geäußert, zu sterben. Die Ärzte sollen den Sterbeprozess palliativ mit der Verabreichung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln begleitet haben.
Rechtlich ist hierzu grundsätzlich folgendes zu sagen:
Eine Beatmung ist eine eingreifende ärztliche Behandlungsmaßnahme.
Sie ist nur gerechtfertigt, wenn sie aus ärztlicher Sicht geboten (indiziert) ist und vom Willen des Patienten gedeckt ist.
Rechtfertigen muss der Arzt die Weiterbeatmung und nicht das Sterbenlassen des Patienten. In der Medizin ist es normal, dass Dauerbehandlungen wie eine Beatmung beendet werden, sei es wegen Besserung, Ausbleiben des Erfolges, Verschlechterung oder weil der Wille des Patienten einer Weiterbehandlung entgegensteht!
Ist der Patient selbst willensfähig und lehnt eine weitere Beatmung ab, um sterben zu können, so würde eine weitere Beatmung eine strafbare Körperverletzung darstellen. Die Ärzte sind verpflichtet, die Beatmung zu beenden. Zugleich sind Sie verpflichtet, dies so zu gestalten, dass der Patient nicht leidet. Also sind sowohl Schmerzlinderung als auch Unterdrückung des Atemschutzreflexes durch geeignete Medikamente (Analgesiesie und Sedierung) geboten.
Ist der Patient nicht willensfähig (bewusstlos oder in einem krankhaften Bewusstseinszustand), so muss nach seinen aktuellen mutmaßlichen Willen gehandelt werden. Dieser kann sich entweder durch eine Patientenverfügung oder auf Grund einer Wertanamnese ergeben. Die Konsequenzen sind die gleichen wie beim geäußerten Willen, nämlich Zulassen des Sterbens durch Beendigung der Beatmung unter Palliation.
Das Abschalten der künstlichen Beatmung ist zwar tatbestandlich ein Handeln, wird jedoch von der höchsrichterlichen Rechtsprechung normativ dem Unterlassen zugerechnet. Wer eine Behandlung beendet, verhält sich nach der Wertung des Rechts nicht anders als derjenige, der sie unterlässt. Für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens kommt es nur auf den Patientenwillen an. Will dieser nicht künstlich am Leben gehalten werden sondern sterben, darf man ihn nicht nur sterben lassen, man muss ihn sterben lassen, um sich nicht wegen Körperverletzung strafbar machen. Will erleben, darf man die Beatmung nicht abschalten, um sich nicht dem Vorwurf der Tötung auszusetzen.
Die Sozietät Putz & Steldinger hat über 230 Fälle strafrechtlich abgesichert und begleitet, in denen eine Substitution beendet wurde, damit Patienten nach ihrem Willen sterben konnten, die sonst künstlich weiter am Leben gehalten worden wären. In über 90 Prozent der Fälle handelte es sich dabei um die Einstellung der künstlichen Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung, in etwa fünf Prozent der Fälle um die Einstellung der künstlichen Beatmung wie im Magdeburger Fall.
Es handelt sich um rechtliches und palliativmedizinisches Schulwissen, wie es an den Universitäten gelehrt wird.
Wolfgang Putz
Rechtsanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter für Medizinrecht und Medizinethik
an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Quelle: Pressemitteilung vom 13.11.2008
--------------------------------------------
PUTZ & STELDINGER
Medizinrechtliche Sozietät
Quagliostr. 7
81543 München
Tel: 089/ 65 20 07
Fax: 089/ 65 99 89
http://www.putz-medizinrecht.de/
Rechtliche Informationen:
Vor dem Landgericht Magdeburg müsse sich zwei Ärzte gegen den Vorwurf des Totschlages durch aktive Sterbehilfe verteidigen.
Einem künstlich beatmeten Patienten wurde die Beatmung abgeschaltet, damit er sterben konnte. Nach Angaben der Angehörigen hatte der Kranke den Wunsch geäußert, zu sterben. Die Ärzte sollen den Sterbeprozess palliativ mit der Verabreichung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln begleitet haben.
Rechtlich ist hierzu grundsätzlich folgendes zu sagen:
Eine Beatmung ist eine eingreifende ärztliche Behandlungsmaßnahme.
Sie ist nur gerechtfertigt, wenn sie aus ärztlicher Sicht geboten (indiziert) ist und vom Willen des Patienten gedeckt ist.
Rechtfertigen muss der Arzt die Weiterbeatmung und nicht das Sterbenlassen des Patienten. In der Medizin ist es normal, dass Dauerbehandlungen wie eine Beatmung beendet werden, sei es wegen Besserung, Ausbleiben des Erfolges, Verschlechterung oder weil der Wille des Patienten einer Weiterbehandlung entgegensteht!
Ist der Patient selbst willensfähig und lehnt eine weitere Beatmung ab, um sterben zu können, so würde eine weitere Beatmung eine strafbare Körperverletzung darstellen. Die Ärzte sind verpflichtet, die Beatmung zu beenden. Zugleich sind Sie verpflichtet, dies so zu gestalten, dass der Patient nicht leidet. Also sind sowohl Schmerzlinderung als auch Unterdrückung des Atemschutzreflexes durch geeignete Medikamente (Analgesiesie und Sedierung) geboten.
Ist der Patient nicht willensfähig (bewusstlos oder in einem krankhaften Bewusstseinszustand), so muss nach seinen aktuellen mutmaßlichen Willen gehandelt werden. Dieser kann sich entweder durch eine Patientenverfügung oder auf Grund einer Wertanamnese ergeben. Die Konsequenzen sind die gleichen wie beim geäußerten Willen, nämlich Zulassen des Sterbens durch Beendigung der Beatmung unter Palliation.
Das Abschalten der künstlichen Beatmung ist zwar tatbestandlich ein Handeln, wird jedoch von der höchsrichterlichen Rechtsprechung normativ dem Unterlassen zugerechnet. Wer eine Behandlung beendet, verhält sich nach der Wertung des Rechts nicht anders als derjenige, der sie unterlässt. Für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens kommt es nur auf den Patientenwillen an. Will dieser nicht künstlich am Leben gehalten werden sondern sterben, darf man ihn nicht nur sterben lassen, man muss ihn sterben lassen, um sich nicht wegen Körperverletzung strafbar machen. Will erleben, darf man die Beatmung nicht abschalten, um sich nicht dem Vorwurf der Tötung auszusetzen.
Die Sozietät Putz & Steldinger hat über 230 Fälle strafrechtlich abgesichert und begleitet, in denen eine Substitution beendet wurde, damit Patienten nach ihrem Willen sterben konnten, die sonst künstlich weiter am Leben gehalten worden wären. In über 90 Prozent der Fälle handelte es sich dabei um die Einstellung der künstlichen Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung, in etwa fünf Prozent der Fälle um die Einstellung der künstlichen Beatmung wie im Magdeburger Fall.
Es handelt sich um rechtliches und palliativmedizinisches Schulwissen, wie es an den Universitäten gelehrt wird.
Wolfgang Putz
Rechtsanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter für Medizinrecht und Medizinethik
an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Quelle: Pressemitteilung vom 13.11.2008
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PUTZ & STELDINGER
Medizinrechtliche Sozietät
Quagliostr. 7
81543 München
Tel: 089/ 65 20 07
Fax: 089/ 65 99 89
http://www.putz-medizinrecht.de/