Dialysearzt greift Notarzt im Streit um Reanimation an
Es geschah am 31. Juli. 2010 im Gesundheitszentrum Alzey (Rheinland-Pfalz). Der Dialysearzt Dr. L. (54, Name der pv-newletter-Redaktion bekannt) wollte die Fortführung einer durch Sanitäter des DRK-Rettungswagens eingeleitete Reanimation bei seine sterbenden Patienten (81) verhindern. Ein schon herbeigerufenen Notarzt, der Mainzer Allgemein- und Palliativmediziner Dr. F. (47) wollte diese fortsetzen. Es kam zu einem handgreiflichen Streit zwischen den beiden Ärzten. Der Patient befand sich auf dem Rücktransport vom Dialysezentrum ins Krankenhaus.
Der Todkranke hatte unmittelbar vorher Dr. L. gegenüber mündlich geäußert, unter den gegebenen Umständen mit der Dialyse nicht mehr weitermachen zu können und lieber sterben zu wollen.
Die BILD-Zeitung schreibt am 8.8.2010:
„Der todkranke Senior (Nekrosen an beiden Beinen, septischer Schock, stark ausgetrocknet) wurde samstags in die Dialyse-Praxis von Dr. L. in Alzey (Rheinland-Pfalz) gebracht. Der Arzt gab dem Senior anderthalb Liter Flüssigkeit. Dann brach er die Behandlung ab. Dr. L. zu BILD: `Jeder konnte sehen, dass der Mann sterbend war. Ich wollte ihn zum Sterben in die Klinik zurück bringen lassen.´ Noch auf dem Praxis-Gelände, im Rettungswagen, ging‘s dem Senior schlechter, der Notarzt wollte ihn wiederbeleben. Da stürmte Dr. L. ran, rief: `Stellen Sie die Wiederbelebung ein!´ Notarzt Dr. F. versperrte dem Internisten den Weg. Da ging‘s los. Der Notarzt zu BILD: `Er stieß mich gegen die Rettungswagentür. Ich erlitt Prellungen am Thorax, an der Wirbelsäule und Schürfwunden an den Beinen.´
Das Gerangel dauerte eine Weile, die Wiederbelebung verzögerte sich, der Patient starb. Dialyse-Arzt Dr. L.: `Ich habe den Senior sterben lassen, wie sich das gehört.´ "
Erklärung des Oberstaatsanwalts
Peter Mieth, Leitender Oberstaatsanwalt von Mainz zum Fall: „Es liegt ein Todesermittlungsverfahren vor.“ Erste Obduktionsergebnisse deuten, wie Mieth zudem im swr-Fernsehen erklärte, darauf hin, dass auch sofortige Reanimationsversuche nicht mehr zum Erfolg einer Wiederbelebung des 81Jährigen geführt hätten.
Einzelheiten siehe:
http://www.allgemeine-zeitung.de/region ... 242634.htm
Sohn spricht von "Mord"
Jetzt ist der Konflikt um die Reanimation des Sterbenskranken auch noch in eine neue Runde gegangen: Der Sohn des 81-jährigen Verstorbenen hat sich in der Bild-Zeitung daraufhin zu Wort gemeldet (und an sie exklusiv alle Bildrechte verkauft!): Sein Vater habe nie geäußert, dass er nicht wiederbelebt werden wolle.
Er hat Strafantrag gegen den Mediziner gestellt, der die Reanimation verhindern wollte. Bild titelt nun: „Sohn klagt an: Für mich war es Mord“.
Dialysearzt erklärt sich im swr
Im swr-Fernsehen rechtfertigt der Dialysearzt Dr. L. seine Handlung öffentlich als ethisch korrekt. Er würde es im Sinne seines Patienten, der klinisch bereits tot gewesen wäre, genau so wieder tun:
http://swrmediathek.de/player.htm?show= ... 199916cf68
Kommentar
Kommentar von pv-newletter: Nicht nur eine mündliche Äußerung des Patienten, sondern auch eine gar nicht mehr vorhandene medizinische Indikation geboten in diesem Fall klar den Verzicht auf Reanimation. Dr. L. hat Courage und Fürsorge gezeigt. Dass der ihn anklagende Sohn – wie der swr berichtet - seine Geschichte exklusiv an die Bild-Zeitung verkauft hat - lässt ihn nicht unbedingt im guten Licht erscheinen.
Im swr-Fernsehbeitrag kritisiert ein Medizinethiker im Studio, dass Dr. L. keine Patientenverfügung von seinem Dialysepatienten hat unterschreiben lassen. Formulare z. B. des BMJ gäbe es doch im Internet einfach zum ausdrucken. Das ist falsch und praxisfern. Denn Dr. L. hätte eine individuelle Patientenverfügung (PV) mit seinem Patienten aufsetzen müssen - kein (!) vorgefertigtes PV-Formular sieht einen absoluten Behandlungsverzicht vor. Hier wäre vielmehr ein Notfallbogen angezeigt, indem schnell angekreuzt und vom Patienten unterschrieben werden kann, wenn er keine Reanimation mehr wünscht.
Quelle: Mitteilung vom 14.08.2010
http://www.patientenverfuegung.de
Dialysearzt greift Notarzt im Streit um Reanimation an
Moderator: WernerSchell
Reanimation oder nicht - wer entscheidet?
Reanimation oder nicht - wer entscheidet?
Ein Nephrologe und ein Notarzt geraten aneinander, weil sie beide im Sinne des Patienten handeln wollen. Das Beispiel aus Alzey zeigt, welche Hürden sich für Ärzte bei der Erfüllung des Patientenwillen auftun. Doch noch eines mehr zeigt der Fall: Zwei Sätze hätten genügt, um den Streit zu vermeiden, meint unser Gastautor. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=615 ... haft&n=460
Ein Nephrologe und ein Notarzt geraten aneinander, weil sie beide im Sinne des Patienten handeln wollen. Das Beispiel aus Alzey zeigt, welche Hürden sich für Ärzte bei der Erfüllung des Patientenwillen auftun. Doch noch eines mehr zeigt der Fall: Zwei Sätze hätten genügt, um den Streit zu vermeiden, meint unser Gastautor. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=615 ... haft&n=460