Befürwortung von aktiver Sterbehilfe in Österreich

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Befürwortung von aktiver Sterbehilfe in Österreich

Beitrag von Presse » 22.02.2010, 08:24

Neue Studie:
Zunehmende Befuerwortung von aktiver Sterbehilfe in Oesterreich


Graz / Wien (ALfA). Die Zustimmung zu aktiver Sterbehilfe bei den Oesterreichern nimmt stetig zu. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts fuer Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Uni Graz, die am 17. Januar vorgestellt wurde. Demnach befuerworten 62 Prozent der oesterreichischen Bevoelkerung aktive Sterbehilfe, 30 Prozent sind dagegen und 8 Prozent unentschieden. Maenner antworteten mit 66 Prozent pro-Stimmen etwas oefter fuer aktive Sterbehilfe als Frauen mit 58,5 Prozent. Dies entspricht laut Pressemitteilung des Instituts einer Zunahme von ca. 13 Prozent gegenueber den Jahren 2000 und 2006, wo bei vergleichbaren Befragungen des IMAS-Instituts (Institut fuer Markt- Sozialanalysen Ges.m.b.H.) sich erst 49 Prozent fuer aktive Sterbehilfe und ca. 25 Prozent dagegen aussprachen.

Wie die Forscher mitteilten, sei die Einstellung der oesterreichischen Bevoelkerung zu Fragen der Sterbehilfe bislang nur durch sehr einfache Erhebungen ermittelt worden, welche genauere Unterscheidungen, z.B. zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe, nur unzureichend zulassen. In der aktuell durchgefuehrten Studie wurden 1.000 Oesterreicher ab 16 Jahren als repraesentative Stichprobe der oesterreichischen Bevoelkerung telefonisch zur Akzeptanz von passiver Sterbehilfe sowie zur Einstellung zur aktiven Sterbehilfe befragt. Unter passiver Sterbehilfe versteht man laut Definition des Instituts fuer Sozialmedizin und Epidemiologie "einen vom Patienten selbst verlangten Abbruch einer medizinisch noch moeglichen lebensverlaengernden Behandlung bei unheilbarer Krankheit oder schwerem Leiden. Aktive Sterbehilfe bezeichnet die Moeglichkeit, dass unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zum Sterben erfuellt wird, indem ein Mittel verabreicht wird, das ihren Tod herbeifuehrt."

Gefragt wurde zuerst nach der Akzeptanz von passiver Sterbehilfe. Hier waren 78 Prozent der Befragten dafuer, 13 Prozent dagegen und 9 Prozent unentschieden. Maenner waren dabei mit 81 Prozent pro-Stimmen tendenziell etwas staerker dafuer als Frauen, von denen sich 75 Prozent dafuer aussprachen. Im Anschluss wurde nach der Einstellung zur aktiven Sterbehilfe gefragt, wobei das Vorliegen von Schmerzen in dieser Fragestellung nicht als Bedingung angefuehrt wurde, mit den obigen Ergebnissen. Diese Ergebnisse spiegeln die prinzipielle Einstellung der Bevoelkerung zur Sterbehilfe wieder, jedoch bedeute dies nicht die Forderung nach einer Regelung, wie sie z.B. in den Niederlanden angewandt wird, betonen die Forscher. In Oesterreich ist aktive Sterbehilfe bislang verboten, nur passive ist erlaubt.

Eine zweite Frage zur aktiven Sterbehilfe wurde mittels eines konkreten Fallbeispiels mit einem alten sterbenskranken Patienten, der unter starken Schmerzen leidet, gestellt. Hierbei waren 58 Prozent der Befragten dafuer, dass ein Arzt auf Wunsch des Patienten sein Leben mit einer toedlichen Spritze beendet. Die Untersuchungen haetten gezeigt, dass bei charakteristischen Fallbeispielen weniger Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe angegeben wird als bei einer abstrakten Fragestellung, die eine allgemeine Regel beschreibt. Hinsichtlich Alter, Einkommen und Wohnort zeigten sich keine deutlichen Unterschiede in den Einstellungen der Befragten. Bei juengeren Menschen findet sich leicht hoehere Zustimmung als bei aelteren. Menschen mit Erfahrung in der Pflege schwer kranker Menschen lehnen aktive Sterbehilfe oefter ab als Personen, die keine Erfahrung angeben, so die Ergebnisse der Studie.

Einstellungen zur Sterbehilfe ueberwiegend durch weltanschauliche Ueberzeugungen gepraegt

Der Faktor, welcher am staerksten mit den Einstellungen zur Sterbehilfe im Zusammenhang stand, betraf die weltanschauliche Positionierung zwischen konservativ und liberal. Die Befragten, die sich als liberal bezeichnen, waren mit 68 Prozent pro- und 25 Prozent kontra-Stimmen deutlich staerker fuer die aktive Sterbehilfe als Personen mit konservativer Selbsteinschaetzung, die nur zu 54 Prozent pro aber zu 38 Prozent kontra eingestellt sind. Bei der passiven Sterbehilfe zeigten sich vergleichbare Unterschiede. 83 Prozent waren bei den liberalen dafuer, gegenueber 71 Prozent pro bei den konservativen Personen. "Besonders die mit einer liberalen Weltsicht verbundene Betonung der Freiheit und Selbstverantwortung des Einzelnen - wie sie in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewann - duerfte fuer die zunehmende Akzeptanz eine entscheidende Rolle spielen. Die Betonung eines autonomen Subjekts, das unabhaengig von der jeweiligen Lebenssituation frei fuer sich das Richtige waehlen kann, ist aber eine wirklichkeitsfremde Idealisierung, die gerade auf Schwerkranke kaum zutrifft. In Zeiten knapper Ressourcen koennte eine Legalisierung letztlich dazu fuehren, dass nur Wohlhabenden die freie Wahl zwischen kostenintensiver Palliativmedizin und Sterbehilfe offen steht", interpretierten die Studienautoren Univ.-Prof. Dr. Willibald Stronegger und Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl die Ergebnisse.

Kritik des Oesterreichischen Seniorenbundes an der Sterbehilfe-Studie

Scharfe Kritik an der Sterbehilfe-Studie kam von Seiten des Oesterreichischen Seniorenbundes in Wien. "Die vorgestellte Studie, wonach angeblich fast zwei Drittel der Menschen in Oesterreich fuer die aktive Sterbehilfe eintreten wuerden, muss deutlich hinterfragt werden", erklaerte Heinz K. Becker, Generalsekretaer des Oesterreichischen Seniorenbundes, in einer Presseaussendung am 17. Februar. "Sind Telefoninterviews wirklich die richtige Methodik, um eines der sensibelsten Themen des Lebens abzufragen, so wie die Meinung zu Waschmitteln oder Knabbergebaeck erhoben wird? Inwiefern sind die 1.000 Telefonate repraesentativ?", fragte Becker. Denn die uebliche Alterswahl bei solchen Stichproben liege bei Menschen ab 16, erreiche jedoch nur sehr selten Menschen ab 70, gab er zu bedenken. "Und 16-jaehrige koennen wohl nicht damit rechnen bald in eine solche Situation zu kommen, haben sich daher eher nicht persoenlich mit dem Thema auseinander gesetzt. 97-jaehrige hingegen schon - und das macht einen grossen Unterschied in der Beurteilung! Daher lehnen wir - neben unserer prinzipiellen Wertehaltung - auch spekulative Stimmungsmache vor allem in Angelegenheiten, die die Wuerde des Menschen betreffen, entschieden ab", stellte er klar. "Der Seniorenbund wird jedenfalls niemals der aktiven Sterbehilfe zustimmen. Denn niemand soll das Leben eines anderen ausloeschen und das Verbot der aktiven Sterbehilfe gibt es nicht zufaellig in der ueberwiegenden Mehrzahl aller zivilisierten Staaten der Welt", betonte Becker. "Was wir wollen, ist ein wuerdevolles, schmerzfreies Sterben, verstaerkte Nutzung der exzellenten medizinischen und pharmazeutischen Fortschritte, den massiven Ausbau der Palliativ-Medizin und des Hospizwesens", so der Seniorenbund-Vertreter.

Weitere Informationen:

Auch im Leid nie allein
Die Legalisierung der Sterbehilfe wuerde in die falsche Richtung fuehren.
Gastkommentar von Klaus Kueng
In den letzten Tagen hat eine neue Studie der Med-Uni Graz aufhorchen lassen.
DIE PRESSE.COM 20.02.10
http://diepresse.com/home/meinung/gastk ... 2/index.do

Quelle: Pressemitteilung vom 21.02.2010
Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V.
ALfA-Newsletter 07/10 vom 20.02.2010

Lutz Barth
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Österreich und die causa Jens

Beitrag von Lutz Barth » 22.02.2010, 15:02

Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch in Österreich die aktuelle Umfrage zur Sterbehilfe in Frage gestellt wird. Für uns in Deutschland ist dies sicherlich keine Überraschung, werden doch hierzulande auch in aller Regelmäßigkeit die Umfragen „zerrissen“. So wundert es nicht, dass auch die Fraktion der Lebensschützer hier in Deutschland die aktuelle Umfrage aus Österreich auf ihre tagespolitische Agenda setzt, um diensteifrig darüber zu berichten, dass die Umfrage ins Visier österreichischer Verbände und freilich auch der katholischen Kirche geraten ist.

Nun – hierüber zu philosophieren, macht keinen Sinn, wohl aber über den Hinweis eines Kommentators auf ein uns ebenfalls hierzulande hinreichend bekanntes Einzelschicksal, namentlich des Herrn Walter Jens.

„Dieser Tage erschüttert uns das Beispiel des bekannten Intellektuellen Walter Jens in Deutschland, der sich stets rückhaltlos für Sterbehilfe eingesetzt hat, sobald ein intellektueller Austausch nicht mehr möglich sei– und der jetzt, im Stadium schwerer Demenz, verzweifelt um sein Leben fleht: „Nicht totmachen“, ruft er immer wieder. So bezeugt es seine Frau Inge“ (Quelle: presse.com, Gastkommentar v. K. Küng v. 20.02.10 >>> http://diepresse.com/home/meinung/gastk ... 2/index.do <<< (html)

Was will uns der Bischof aus Österreich damit sagen? Dass man/frau nicht immer um die Wünsche des Betreuten genau weiß?

Ich möchte hier nicht den Fall Jens kommentieren, aber eines sollte doch unbestritten sein: Der Wille auch eines an Demenz Erkrankten ist dann beachtlich, wenn und soweit er hinreichend präzise in einer Patientenverfügung niedergelegt ist. Hierüber kann und wird es keinen Zweifel geben, wie sich unschwer aus dem Gesetz ergibt!
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johannes
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Beitrag von johannes » 22.02.2010, 22:56

Was ist in Österreich schon besonderes. Nicht mehr lange, und Deutschland wird auch noch folgen. Viel interessanter ist doch die Entwicklung in Holland. Schließlich ist dort die Euthanasie schon fast auf dem Niveau des letzten Jahrhunderts. Da wird der Betroffenen schon lange nicht mehr gefragt, ob sein Leben einen Sinn macht. Das besorgen dort schon andere, natürlich mit gesetzgeberischer Zustimmung - zumindest jedenfalls Duldung.

Es wird gewiß noch interessant werden.
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