Frontotemporale Demenz: ein reiches Potpourri an Genen
Verfasst: 11.08.2017, 06:16
Frontotemporale Demenz: ein reiches Potpourri an Genen
Nicht nur drei, sondern viele: An der Entstehung der Frontotemporalen Demenz sind weitaus mehr Gene beteiligt als bisher angenommen.
Kernspintomographie (MRT) eines Patienten mit Frontotemporaler Demenz. Die Hirnrinde im Stirn-
(gestrichelte Pfeile) und Inselbereich (durchgezogener Pfeil) ist verdünnt. Copypright: Synofzik, 2017
Therapien, die Auswirkungen von Erbgutfehlern gezielt im Körper entgegenwirken: Das ist die Absicht der individualisierten Medizin. Damit sie nicht Zukunftsmusik bleibt, müssen Ärzte Genfehler und Störung zunächst kennen und genau verstehen. Bei der Frontotemporalen Demenz haben Neurologen nun eine wichtige Erkenntnis gewonnen. Ein Team um Dr. Matthis Synofzik am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), sowie Professor Dr. Peter Heutink, ebenfalls am DZNE, zeigt, dass eine ganze Bandbreite an Genen zur Erkrankung führen kann – und nicht nur drei wie bisher bekannt. Zur Krankheitsdiagnose und künftig auch individualisierten Therapie sollten Ärzte daher das gesamte Erbgut anschauen. Das Ergebnis veröffentlichen die Hirnforscher nun online im Fachmagazin Genetics in Medicine.
„Zu Beginn der Frontotemporalen Demenz haben Patienten lange Zeit ein intaktes Gedächtnis. Sie fallen vor allem durch Veränderungen im Verhalten und der Sprache auf. Das unterscheidet die Erkrankung von anderen Demenzen, insbesondere der wohl bekanntesten: der Alzheimer-Demenz“, erklärt Studienleiter Dr. Matthis Synofzik. Bei der Krankheitsentstehung ist man bislang davon ausgegangen, dass vor allem Fehler in drei Genen zur Frontotemporalen Demenz führen.
Synofzik und seine Kolleginnen und Kollegen am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen kommen nun zu einem anderen Ergebnis. In einer Gemeinschaftsarbeit untersuchten sie das Erbgut von 121 Patienten. Ihre Erkenntnis: In mehr als einem Drittel der Fälle sind Veränderungen in anderen Genen für die Krankheit verantwortlich. „Für die Diagnose sollte daher unbedingt eine große Anzahl an Genen angeschaut werden, wenn möglich sogar das gesamte Erbgut. Die Untersuchung einzelner hauptverdächtige Gene reicht nicht aus“, sagt Synofzik. Auch in Fällen, in denen in der Familie kein weiterer Betroffener bekannt ist, solle der behandelnde Arzt einen umfangreichen DNA-Test durchführen: Bei diesen Patienten hat etwas mehr als einer von zehn krankheitsauslösende Veränderungen im Erbgut.
Die beteiligten Gene haben Einfluss auf Signalwege im Inneren der Nervenzellen. Je nach Gen handelt es sich um einen anderen Weg mit anderen Auswirkungen. „Was die Genfehler eint, ist, dass sie alle letztendlich dazu führen, dass Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns absterben“, erklärt Mitautor Professor Dr. Peter Heutink. „Das Gute jedoch ist: Wir glauben, dass wir künftig in einige der Signalwege eingreifen und dadurch die Krankheit verlangsamen können.“ Ausschlaggebend ist, dass der Arzt weiß, welches Gen und Signalweg beim jeweiligen Patient betroffen ist. „Für die Diagnostik und zukünftig die individualisierte Therapie der Frontotemporalen Demenz sollte daher die Untersuchung des gesamten Erbguts an erster Stelle stehen.“
Publikation
Blauwendraat, C., Wilke C., Simón-Sánchez, J., Jansen, I.E., Reifschneider, A., Capell, A., Haass C., Castillo-Lizardo, M., Biskup, S., Maetzler, W., Rizzu, P., Heutink, P., Synofzik, M. (2017): The wide genetic landscape of clinical frontotemporal dementia: systematic combined sequencing of 121 consecutive subjects. Genetics in Medicine, advanced online publication
doi: 10.1038/gim.2017.102
Quelle: Pressemitteilung vom 31.07.2017
Dr. Mareike Kardinal Pressestelle
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
https://idw-online.de/de/news678964
Medienkontakt
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Universitätsklinikum Tübingen
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
PD Dr. Matthis Synofzik
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen
Tel: +49(0)7071 29 82060
E-Mail: matthis.synofzik@uni-tuebingen.de
Weitere Informationen:
http://www.hih-tuebingen.de Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
http://www.medizin.uni-tuebingen.de Universitätsklinikum Tübingen
http://www.dzne.de Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
+++
Der 27. Neusser Pflegetreff ist für den 22.11 2017 geplant und wird sich mit dem Thema
"Vorbeugen ist besser als Heilen" - Prävention und Gesundheitsförderung mehr Aufmerksamkeit schenken
- körperlich und geistig aktiv bis ins hohe Alter …
befassen. …. Mit Blick auf das 2015 verabschiedete Präventionsgesetz ist das Thema ganz wichtig (> Infos - ständige Aktualisierung - > viewtopic.php?f=7&t=22212 ).
Vor allem Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und auch Demenz lassen sich durch eine frühzeitig begonnene gesunde Lebensführung (richtige - mediterrane - Ernährung, ausreichende Bewegung und Schlaf, Verzicht auf Rauchen, mäßiger Alkoholkonsum, Vermeidung von negativem Stress, geistige Aktivitäten, Pflege sozialer Kontakte usw.) weitgehend vermeiden. Gleichwohl eintretende Gesundheitsstörungen (z.B. Übergewicht, zu hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Diabetes) lassen sich durch eine gesunde Lebensführung günstig beeinflussen. Es geht also letztlich um Maßnahmen, die eine umfassende gesundheitsförderliche Wirkung erzielen können. Es macht Sinn, möglichst frühzeitig eine gesunde Lebensführung zu praktizieren. ….Auch für ältere Menschen macht Prävention … Sinn. Daher gibt es für die Stationären Pflegeeinrichtungen mittlerweile eine Leitlinie zur Prävention, die aber fast überhaupt nicht bekannt ist. … Dies sollte Veranlassung geben, das o.a. Thema auch im Interesse der älteren und pflegebedürftigen Menschen aufzugreifen.
Nicht nur drei, sondern viele: An der Entstehung der Frontotemporalen Demenz sind weitaus mehr Gene beteiligt als bisher angenommen.
Kernspintomographie (MRT) eines Patienten mit Frontotemporaler Demenz. Die Hirnrinde im Stirn-
(gestrichelte Pfeile) und Inselbereich (durchgezogener Pfeil) ist verdünnt. Copypright: Synofzik, 2017
Therapien, die Auswirkungen von Erbgutfehlern gezielt im Körper entgegenwirken: Das ist die Absicht der individualisierten Medizin. Damit sie nicht Zukunftsmusik bleibt, müssen Ärzte Genfehler und Störung zunächst kennen und genau verstehen. Bei der Frontotemporalen Demenz haben Neurologen nun eine wichtige Erkenntnis gewonnen. Ein Team um Dr. Matthis Synofzik am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), sowie Professor Dr. Peter Heutink, ebenfalls am DZNE, zeigt, dass eine ganze Bandbreite an Genen zur Erkrankung führen kann – und nicht nur drei wie bisher bekannt. Zur Krankheitsdiagnose und künftig auch individualisierten Therapie sollten Ärzte daher das gesamte Erbgut anschauen. Das Ergebnis veröffentlichen die Hirnforscher nun online im Fachmagazin Genetics in Medicine.
„Zu Beginn der Frontotemporalen Demenz haben Patienten lange Zeit ein intaktes Gedächtnis. Sie fallen vor allem durch Veränderungen im Verhalten und der Sprache auf. Das unterscheidet die Erkrankung von anderen Demenzen, insbesondere der wohl bekanntesten: der Alzheimer-Demenz“, erklärt Studienleiter Dr. Matthis Synofzik. Bei der Krankheitsentstehung ist man bislang davon ausgegangen, dass vor allem Fehler in drei Genen zur Frontotemporalen Demenz führen.
Synofzik und seine Kolleginnen und Kollegen am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen kommen nun zu einem anderen Ergebnis. In einer Gemeinschaftsarbeit untersuchten sie das Erbgut von 121 Patienten. Ihre Erkenntnis: In mehr als einem Drittel der Fälle sind Veränderungen in anderen Genen für die Krankheit verantwortlich. „Für die Diagnose sollte daher unbedingt eine große Anzahl an Genen angeschaut werden, wenn möglich sogar das gesamte Erbgut. Die Untersuchung einzelner hauptverdächtige Gene reicht nicht aus“, sagt Synofzik. Auch in Fällen, in denen in der Familie kein weiterer Betroffener bekannt ist, solle der behandelnde Arzt einen umfangreichen DNA-Test durchführen: Bei diesen Patienten hat etwas mehr als einer von zehn krankheitsauslösende Veränderungen im Erbgut.
Die beteiligten Gene haben Einfluss auf Signalwege im Inneren der Nervenzellen. Je nach Gen handelt es sich um einen anderen Weg mit anderen Auswirkungen. „Was die Genfehler eint, ist, dass sie alle letztendlich dazu führen, dass Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns absterben“, erklärt Mitautor Professor Dr. Peter Heutink. „Das Gute jedoch ist: Wir glauben, dass wir künftig in einige der Signalwege eingreifen und dadurch die Krankheit verlangsamen können.“ Ausschlaggebend ist, dass der Arzt weiß, welches Gen und Signalweg beim jeweiligen Patient betroffen ist. „Für die Diagnostik und zukünftig die individualisierte Therapie der Frontotemporalen Demenz sollte daher die Untersuchung des gesamten Erbguts an erster Stelle stehen.“
Publikation
Blauwendraat, C., Wilke C., Simón-Sánchez, J., Jansen, I.E., Reifschneider, A., Capell, A., Haass C., Castillo-Lizardo, M., Biskup, S., Maetzler, W., Rizzu, P., Heutink, P., Synofzik, M. (2017): The wide genetic landscape of clinical frontotemporal dementia: systematic combined sequencing of 121 consecutive subjects. Genetics in Medicine, advanced online publication
doi: 10.1038/gim.2017.102
Quelle: Pressemitteilung vom 31.07.2017
Dr. Mareike Kardinal Pressestelle
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
https://idw-online.de/de/news678964
Medienkontakt
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
Universitätsklinikum Tübingen
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
PD Dr. Matthis Synofzik
Hoppe-Seyler-Straße 3
72076 Tübingen
Tel: +49(0)7071 29 82060
E-Mail: matthis.synofzik@uni-tuebingen.de
Weitere Informationen:
http://www.hih-tuebingen.de Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
http://www.medizin.uni-tuebingen.de Universitätsklinikum Tübingen
http://www.dzne.de Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
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Der 27. Neusser Pflegetreff ist für den 22.11 2017 geplant und wird sich mit dem Thema
"Vorbeugen ist besser als Heilen" - Prävention und Gesundheitsförderung mehr Aufmerksamkeit schenken
- körperlich und geistig aktiv bis ins hohe Alter …
befassen. …. Mit Blick auf das 2015 verabschiedete Präventionsgesetz ist das Thema ganz wichtig (> Infos - ständige Aktualisierung - > viewtopic.php?f=7&t=22212 ).
Vor allem Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und auch Demenz lassen sich durch eine frühzeitig begonnene gesunde Lebensführung (richtige - mediterrane - Ernährung, ausreichende Bewegung und Schlaf, Verzicht auf Rauchen, mäßiger Alkoholkonsum, Vermeidung von negativem Stress, geistige Aktivitäten, Pflege sozialer Kontakte usw.) weitgehend vermeiden. Gleichwohl eintretende Gesundheitsstörungen (z.B. Übergewicht, zu hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Diabetes) lassen sich durch eine gesunde Lebensführung günstig beeinflussen. Es geht also letztlich um Maßnahmen, die eine umfassende gesundheitsförderliche Wirkung erzielen können. Es macht Sinn, möglichst frühzeitig eine gesunde Lebensführung zu praktizieren. ….Auch für ältere Menschen macht Prävention … Sinn. Daher gibt es für die Stationären Pflegeeinrichtungen mittlerweile eine Leitlinie zur Prävention, die aber fast überhaupt nicht bekannt ist. … Dies sollte Veranlassung geben, das o.a. Thema auch im Interesse der älteren und pflegebedürftigen Menschen aufzugreifen.