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Siehe dort den weiteren Schriftwechsel!
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
Neuss, den 29.08.2016
An den
Präsidenten des
Deutschen Bundestages
und die Mitglieder des Bundestages
Betr.: Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) – Entwurf -
Bezug: Gesetzesinitiative der Bundesregierung
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit Briefzuschrift (per E-Mail) habe ich mich bereits am 08.08.2016 zu den im
PSG II geregelten neuen Pflegegraden geäußert und auf einige Neuerungen aufmerksam gemacht, die m.E. dringend einer Überprüfung bedürfen und möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode geändert werden müssen. Ich schrieb dazu u.a.:
„Nach all dem ist nicht ausgeschlossen, dass pflegebedürftige Menschen mit ausschließlich oder überwiegend körperlichen Defiziten ab 01.01.2017 deutlich schlechter gestellt sein werden.“
Mit meiner heutigen Zuschrift möchte ich das geplante
PSG III ansprechen und den Deutschen Bundestag im Rahmen der Beratungen um einige grundlegende Veränderung an dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung bitten.
Zu dem seinerzeit vorgelegten Referentenentwurf für ein PSG III habe ich dem Bundesgesundheitsministerium mit Briefzuschrift vom 18.05.2016 mitgeteilt:
„Der vorliegende Text ist mehr als enttäuschend. Denn es gibt keine Hinweise zur
Gestaltung von dringend notwendigen kommunalen Quartierskonzepten und deren (Mit)finanzierung durch den Bund bzw. die Länder.
Mehr Pflegeberatung im Sinne des PSG III brauchen wir nicht. Die bereits gesetzlich vorgegebenen Beratungsverpflichtungen müssen v.a. durch die Pflegekassen verstärkt wahrgenommen werden. Oder anders: Die Kassen müssen endlich ihren Verpflichtungen nachkommen. Pflegestützpunkte brauchen wir schon mal überhaupt nicht. Das sind behördliche Strukturen, die uns nicht weiter führen. Diejenigen, die solche Strukturen für sinnvoll und geeignet halten, sind wohl allein die (möglichen) Träger solcher Institutionen (= Profiteure). Bereits bei einem früheren Pflegetreff in Neuss habe ich im Einvernehmen mit dem damaligen pflegepolitischen Sprecher der Union im Bundestag, Herrn Zylajew, MdB, Pflegestützpunkte als eine Art „Fehlinvestition“ abgelehnt. Damals haben Sie, Herr Gröhe, das Grußwort gesprochen und waren bei der gesamten Veranstaltung anwesend. Und jetzt kommt das Thema erneut hoch. Völlig entbehrlich!
Ich bin – mit anderen (u.a. Kuratorium Deutsche Altershilfe) – davon überzeugt, dass die demografische Entwicklung mit einer rasant anwachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen nur bürgerfreundlich und wohnortnah gestaltet werden kann, wenn wir schnellstmöglich Strukturen entwickeln, die ein möglichst langes Verbleiben im Quartier gewährleisten. Dazu benötigen wir mit kommunaler Hilfe professionelle „Kümmerer“, die sich der Entwicklung solcher Informations- und Unterstützungssysteme, nahe bei den Menschen, annehmen und so den Grundsatz „ambulant vor stationär“ gestalten helfen und mit praktischer Lebenshilfe erfüllen.
Zu diesem Thema hat auf meine Anregung der Rhein-Kreis Neuss bereits mehrfach Informationsveranstaltungen angeboten. Für die Fachtagung am 14.08.2015, bei der ich ein Referat zum Thema halten durfte, habe ich ein umfangreiches schriftliches Statement gefertigt, das die Grundsätze der Entwicklung und fortlaufenden Gestaltung von Quartiershilfen näher beschreibt. Darin ist eigentlich alles Wichtige gesagt, so dass ich zur Vermeidung weiterer Ausführungen auf dieses Statement verweise. In dem Statement sind auch zahlreiche weitere Quellen genannt. Es ist im Netz abrufbar unter folgender Adresse >
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetz-w ... 082015.pdf - aber auch als pdf-Datei angefügt. Ergänzend gab es am 17.08.2015 eine Pressemitteilung, die wie folgt abrufbar ist: >
viewtopic.php?f=4&t=21213
Es ist im Übrigen so, dass ich hier in Neuss-Erfttal bereits Ende 2011 die Realisierung eines Quartierskonzeptes anstoßen konnte. Der Sozialdienst Katholischer Männer e.V. (SKM) hat Anfang 2012 im hiesigen Bürgerhaus die Managementfunktion für diese In-formations- und Unterstützungshilfen übernommen. Mittlerweile konnte unsere Arbeit weiter ausgebaut werden, u.a. mit einem Lotsenpunkt-Projekt des Diözesan-Caritasverbandes Köln und einer Tagespflegeeinrichtung für demenzkranke Menschen. Eine Besichtigung dieser Einrichtung fand anlässlich des Neusser Pflegetreffs am 21.10.2015 in Anwesenheit des Bundesgesundheitsministers statt. Weitere Aktivitäten zur Ausweitung der Erfttaler Quartiershilfen sind im Gange. Auch Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist in vielfältiger Weise mit eingebunden. Allerdings mangelt es an einer auskömmlichen Finanzausstattung, da die Stadt Neuss keine direkte Unterstützung gewährt. Überhaupt sehen die Kommunen, von Ausnahmen abgesehen, keine Veranlassung, sich dem Thema Quartierskonzepte zu nähern. Mangels entsprechender gesetzlicher Verpflichtung und fehlender Finanzmittel halten sie sich mehr als zurück, sehen sich überwiegend als unzuständig an.
Aufgrund dieser Situation ist erwartet worden, dass das PSG III die notwendigen Vorgaben für entsprechende kommunale Quartiershilfen enthalten würde. Dem ist nun leider nicht so. Daher wird dringend darum gebeten, den vorliegenden Referentenentwurf entsprechend zu korrigieren. Allein durch gut entwickelte Quartiersangebote kann das Teilleistungssystem der Pflegeversicherung zielgerichtet ergänzt und nachhaltig gestärkt werden.
Ich bin gerne bereit, die hiesigen Vorstellungen in einem Gespräch bzw. einer Anhörung näher zu erläutern. Der zur Zeit vorliegende Entwurf ist vielleicht gut gemeint, aber zur Realisierung guter Informations- und Unterstützungsstrukturen, wohnortnah gestaltet, völlig ungeeignet.“
Die daraufhin erteilte Antwort war wenig hilfreich, weil mir nur in Kürze die bereits beschlossenen Pflege-Reformgesetze erläutert wurden, ohne auf meine konkreten Anregungen hinsichtlich notwendiger Korrekturen einzugehen. Ich schrieb daher am 27.06.2016 erneut an das Bundesgesundheitsministerium:
„ … zu dem vorgelegten Referentenentwurf eines PSG III habe ich am 18.05.2016 eine Stellungnahme übermittelt (
Anlage I dieses Schreibens) und daraufhin mit Zuschrift vom 20.06.2016 von Ihnen eine Rückmeldung erhalten. Darin werden in Kürze die bisherigen Reformschritte beschrieben und in wenigen Sätzen das noch einmal angesprochen, was Gegenstand des PSG III sein soll, nämlich die Schaffung einer ergänzenden Pflege - Beratungsstruktur auf kommunaler Ebene.
Dies alles habe ich natürlich im Referentenentwurf bereits nachlesen können, so dass ich mich veranlasst sah, die nochmals angefügte Stellungnahme abzugeben. Darin wird u.a. verdeutlicht, dass es nach hiesiger Überzeugung bereits ausreichende Beratungsstrukturen im Pflegesystem gibt. Wenn man der Meinung sein sollte, dass diese Strukturen noch nicht im erforderlichen Umgange in Anspruch genommen werden, muss man entsprechend aufklären und ggf. die Pflegekassen deutlicher in die Pflicht nehmen. Aber für neue Beratungsstrukturen sehe ich nun wirklich keine Veranlassung.
Bereits in früheren Neusser Pflegetreffs 2011/12 haben wir mit dem ehemaligen pflege-politischen Sprecher der Union, Willi Zylajew, MdB, über die Einrichtung von Pflegestützpunkten diskutiert und waren einhellig der Meinung, dass solche Institutionen überflüssig sind. Sie wurden dann dennoch als mögliche Angebote gesetzlich vorgesehen und sollen nun durch das PSG III neu belebt werden. Das kann nicht ernstlich die Lösung sein!
Was dringend erforderlich ist, sind in den Kommunen altengerechte Quartiershilfen, generationenübergreifend zu gestalten. Und genau solche Strukturen müssen gesetzgeberisch vorgegeben und mit einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen abgesichert werden. Die Kommunen würden nach meinen Erkenntnissen gerne entsprechende Strukturen aufbauen, sehen sich aber mangels einer gesetzlichen Verpflichtung und fehlender Finanzmittel nicht gefordert.
In diesem Zusammenhang habe ich im Rhein-Kreis Neuss bereits seit Jahren immer wieder auf entsprechende Aktivitäten aufmerksam gemacht und in mehreren Fachveranstaltungen, vom Rhein-Kreis Neuss unterstützt, dafür geworben. Zuletzt habe ich für eine Fachveranstaltung am 14.08.2015 ein umfängliches Statement erarbeitet und dieses bereits in meiner Zuschrift vom 18.05.2016 erwähnt und diesem Schreiben als
Anlage II angefügt. Darin ist alles gesagt, so dass ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Statement verweise.
Ich bitte daher nochmals darum, meine Hinweise bei der Gestaltung des PSG III aufzugreifen und durch entsprechende Vorgaben zu ermöglichen, dass die Kommunen diesbezüglich flächendeckend tätig werden können.
Wie Sie wissen, wurde in meinem Wohnumfeld Neuss-Erfttal bereits ohne kommunale Unterstützung, aber durchaus wirkungsvoll, ein Quartierskonzept angeschoben, das bereits gute Leistungsstrukturen aufweist. Sie haben ja selbst am 21.10.2015 die im Juni 2015 eingerichtete Tagespflegeeinrichtung für demenzkranke Menschen besichtigen können. Mittlerweile ist festzustellen, dass das den Erfttaler Quartiershilfen angedockte Lotsenpunkt-Projekt bereits gute Dienste leistet. Wir sind im Übrigen dabei, weitere Leistungsausweitungen zu diskutieren. Leider ist alles sehr mühsam, weil es insoweit keine gesetzlichen Vorgaben und keine staatliche bzw. kommunale Finanzierung gibt.
Auf das Statement des Sozialdienstes Katholischer Männer e.V. in der bürgernahen Stadtteilzeitung „Erfttal-aktuell“, Ausgabe 2/2016 –
Anlage III – mache ich aufmerk-sam. Es informiert über die Erfttaler Angebote. Und solche Strukturen benötigen wir flächendeckend – JETZT. Wir wissen, wie es geht, wir müssen handeln!
Dies und vieles mehr veranlasst mich, nochmals für eine komplette Umgestaltung des PSG III zu werben. Wenn es die von hier vorgeschlagenen Reformschritte nicht geben sollte, wäre das mehr als enttäuschend. Es würde, weil es ja bekanntermaßen auch noch andere Schwachpunkte bei den bisherigen Reformmaßnahmen (PSG I und II) gibt, die Kritik an der Pflegereform der GroKo nicht verstummen lassen.“
Auf diese weitere Zuschrift vom 27.06.2016 erhielt ich dann am 03.08.2016 die Antwort, dass Veränderungen am Gesetzentwurf nicht möglich seien, weil damit u.a. von der Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege abgewichen würde. Im Übrigen werde es 60 Modellversuche geben.
Diese Antwort ist aus hiesiger Sicht nicht befriedigend, weil es nicht darum gehen kann, irgendwelchen Arbeitsgruppeninteressen gerecht zu werden. Es muss einzig und allein darum gehen, das Pflegesystem den demografischen Erfordernissen anzupassen und Strukturen zu entwickeln, die das Teilleistungssystem ortsnah und zielführend ergänzen. Dazu sind keine weiteren Beratungsstrukturen erforderlich, schon gar nicht irgend-welche Pflegestützpunkte. Beratungsaufgabe ist vornehmlich Aufgabe der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Pflegekassen sind gefordert. Was dringend benötigt wird, sind kommunale Quartiershilfen, die in vielfältiger Weise die Menschen in die Lage versetzen, so lange wie möglich im ihrer Wohnung zu bleiben (= ambulant vor stationär“). Dazu bedarf es vielfältiger Quartiersangebote, die auch in einem gewissen Umfang ergänzende Beratungshilfen einbeziehen können. Das alles habe ich ja ausgeführt. Da-zu brauchen wir keine Modellversuche, mit denen nur unnötig Zeit vertrödelt wird. Wir wissen anhand vielfältiger Musterprojekte, was zu tun ist. Konkrete Erfahrungen hier in Neuss-Erfttal belegen das eindrucksvoll. Es muss aber nicht nur geregelt werden, dass sich die Kommunen endlich flächendeckend um Quartiershilfen zu kümmern haben, sondern es muss auch eine auskömmliche Finanzierung per Gesetz gestaltet werden. Dass genügend Geld in der Staatskasse zu sein scheint, belegen die zur Zeit laufenden Diskussionen über ein Plus beim Steueraufkommen und die Tatsache, dass für die Migration offensichtlich Geld im Überfluss vorhanden zu sein scheint.
Ich bitte nach all dem darum, die von hier angesprochenen Veränderungen in geeigneter Weise per Gesetz zu gestalten und mit dem vorliegenden PSG III (Entwurf) für eine baldmögliche Quartiersgestaltung im Sinne der hiesigen Vorschläge zu sorgen.
Ich habe mit Absicht alle Mitglieder des Deutschen Bundestages angesprochen, da hier nicht zu übersehen ist, wer in geeignetster Weise das Thema aufgreifen soll.
Es wird auf jeden Fall um Rückmeldungen gebeten, wie in der Angelegenheit vorgegangen wird. Im Voraus vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell,
Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk und Dozent für Pflegerecht
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".
ist Unterstützer der "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen".
tritt für wirksame Patientenrechte und deren Durchsetzung ein.
unterstützt im Rahmen der Selbsthilfe auch Patienten mit Schlaganfall einschließlich deren Angehörige.
ist Mitgründer und Mitglied bei "Runder Tisch Demenz" (Neuss).
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